Mallorca Zeitung

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Tod auf der Autobahn: Weitere deutsche Familie sucht auf Mallorca nach Antworten

Auf den Tag genau sieben Jahre vor Tim V. kam Alexander L. auf der Autobahn in der Nähe der Playa ums Leben. An einen Unfall glaubt die Familie bis heute nicht

Das Unfallauto nach dem Crash auf der Autobahn in der Nähe der Playa. J. Mateu

Er habe erst einmal den Wagen anhalten müssen, als die Nachricht im Radio kam, erzählt Viktor L. „Ich habe Gänsehaut bekommen und meine Mutter angerufen. Denn damit war klar, dass wir recht hatten.“ Der Sender FFH hatte an diesem Freitag, 27. Oktober 2023, gerade berichtet, dass die Polizei auf Mallorca und in Málaga zwei Männer festgenommen hatte. Sie sollen in der Nacht auf den 9. Oktober 2022 den 20-jährigen deutschen Urlauber Tim V. aus einem Lieferwagen auf die Autobahn gestoßen haben. Sekunden später wurde er überfahren.

Zunächst hatte alles wie ein Unfall ausgesehen. „Urlauber legt sich betrunken auf die Autobahn“, hieß es damals. Nun also die spektakuläre Wende. Die Polizei geht nun von Mord aus.

Unter ganz ähnlichen Umständen sieben Jahre zuvor

Exakt sieben Jahre vor dem Tod von Tim V., in der Nacht auf den 9. Oktober 2015, war L.‘s Bruder Alexander unter ähnlichen Umständen ums Leben gekommen. Ebenfalls an der Ausfahrt 11, auf Höhe der Playa de Palma. Er war damals 23 Jahre alt.

Mit sieben weiteren Freunden war der Bundeswehr-Soldat nach Mallorca gekommen. Er hatte gerade einen harten, vierwöchigen Einsatz hinter sich, so sein älterer Bruder Viktor. Es war der erste Abend auf der Insel. Die Freunde waren im Hotel Pabisa Chico untergebracht. Am Nachmittag sahen sie sich die Show von Mia Julia im Bierkönig an, später zogen sie weiter durch die Kneipen. Gegen 23.30 Uhr schickte Alexander noch ein Video von den feiernden Freunden. Später verloren sie sich aus den Augen.

Alexander L. war Soldat bei der Bundeswehr.

Alexander L. war Soldat bei der Bundeswehr. Privat

Keine zwei Stunden später, laut Autopsiebericht um 1.15 Uhr, war er tot. Überfahren an einem unbeleuchteten Abschnitt der Autobahn, rund 1 Kilometer vom Hotel Pabisa Chico und 1,8 Kilometer vom Bierkönig entfernt. „Der Tourist war in einem Hotel an der Playa de Palma untergebracht und hatte sich offenbar auf dem Rückweg zu seiner Unterkunft verlaufen”, schrieb die MZ damals in der Meldung über den Unfall.

Die anderen Unfälle

Es war nicht das erste Mal, dass dies an dieser Stelle passierte. Die Fälle ähneln sich so sehr, man könnte meinen, jemand habe aus Versehen eine alte Meldung neu in die Zeitung gesetzt.

21.4.2012: Der 21-Jährige deutsche Pascal H. wird auf Höhe der Ausfahrt 11 gegen 23.30 Uhr von einem Auto angefahren. Er stirbt kurz darauf. Die Ermittler gehen davon aus, dass der junge Urlauber betrunken war und auf der Suche nach dem Hotel die Orientierung verlor.

29.6. 2013: Der 23-jährige Piragash S. wird gegen 3.25 Uhr auf Höhe der Ausfahrt 11 gleich von mehreren Autos überfahren. Warum der deutsche Urlauber, der mit seiner Fußballmannschaft aus Süddeutschland an der Playa war, auf die Autobahn geriet, ist unklar.

Jahre später sollte dann Tim V. ein ähnliches Unglück widerfahren.

Es gibt noch andere Fälle von Urlaubern, die unter ungeklärten Umständen auf der Autobahn gestorben sind. Aber diese vier weisen die meisten Gemeinsamkeiten auf.

Die Suche nach der Wahrheit

Alexanders Bruder Viktor wurde noch in der Nacht über das Unglück informiert. Der junge Mann hatte das All-inclusive-Armband des Hotels an. Die Guardia Civil verständigte das Hotel und das Konsulat. „Ich wollte es nicht glauben, als ich in der Nacht den Anruf bekam“, sagt Viktor L. Er war gerade mit den Vorbereitungen für seine Hochzeit beschäftigt, die zwei Wochen später stattfinden sollte.

Die Familie verpflichtete einen Anwalt auf der Insel, es gab mehrere Kontakte mit dem Konsulat. Doch die Informationen blieben spärlich. Und waren, wie sich herausstellen sollte, teilweise falsch. So wurde der Familie mitgeteilt, dass bei der Leiche keine Wertsachen gefunden wurden. Als Wochen später die sterblichen Überreste überführt worden waren, waren dann doch Wertsachen dabei.

Viktor L. begann zu recherchieren. Wie war sein Bruder, der Soldat, auf der Autobahn gelandet? Viktor L. entdeckte die anderen Fälle, die Unfälle von Urlaubern, die sich scheinbar auf die Autobahn verirrt hatten. Im Netz fand er ein Video einer mallorquinischen Online-Zeitung, das die Unfallstelle kurz nach dem Unglück zeigt. Das Video ist immer noch verfügbar. Dort ist auch das Kennzeichen des Unfallwagens zu sehen. Viktor L. versuchte erfolglos, den Fahrer zu kontaktieren. Immer mehr bekam er das Gefühl, dass ihm Informationen vorenthalten wurden. „Bis heute haben wir den Unfallbericht nicht bekommen“, sagt er.

Ein Sprecher der Nationalpolizei erklärt gegenüber der MZ, alle Fälle von Urlaubern, die auf der Autobahn ums Leben kommen, würden untersucht. Wenn die Ermittler damals zu dem Schluss gekommen seien, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe, gäbe es zunächst keinen Grund, den Fall neu aufzurollen. Die Wende im Fall Tim V. dürfe nicht zu einer Alarmstimmung führen. Dennoch: Wenn in einem Fall neue Hinweise auftauchen würden, die auf ein Verbrechen hinweisen, werde man denen selbstverständlich nachgehen.

So haben wir den Fall gelöst: Ángel Ruiz, Chef der Mordkommission auf Mallorca, zu den Ermittlungen im Fall Tim V.

So haben wir den Fall gelöst: Ángel Ruiz, Chef der Mordkommission auf Mallorca, zu den Ermittlungen im Fall Tim V.

Keine Ermittlungen von Deutschland aus

Da er mit seinen Recherchen nicht weiterkam, versuchte Viktor L. , den Arbeitgeber von Alexander einzuschalten. „Die Bundeswehr kümmert sich ja um ihre Leute“, sagt er. Doch da die Guardia Civil zum Schluss gekommen war, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe, durfte die Bundeswehr nicht im Ausland ermitteln. Dies sei nur möglich, wenn der Verdacht auf eine Straftat bestehe, erklärte man Viktor L. Gleiches gelte für die deutschen Polizeibehörden.

Viktor L. sagt, die Wende im Fall von Tim V. habe die Familie ermutigt, sich an die Mallorca Zeitung zu wenden. Denn womöglich gebe es zahlreiche weitere Opfer, bei denen die Familien immer noch nach einer Antwort für einen unerklärlichen Tod suchen. Sollte es ein Mord gewesen sein, wolle er, dass die Täter gefasst werden. "Damit nie wieder eine Familie das durchmachen muss, was wir durchgemacht haben.“

Noch ein weiterer Fall

Im Falle der mysteriösen Autobahnunfälle hat sich eine weitere betroffene Familie aus Deutschland gemeldet. Allerdings nicht bei uns, sondern beim Mallorca Magazin. Aufgrund des besonderen Interesses an Aufklärung verlinken wir an dieser Stelle auf den Bericht der Kollegen.

Haben Sie weitere Informationen zu diesen oder ähnlichen Fällen? Schreiben Sie uns an patrick@mallorcazeitung.es.

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