Mallorca Zeitung

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Das neue Haus am Feld Gottes – in einem Gewerbegebiet auf Mallorca gibt es eine neue Kirche

Die Pfingstkirche von Mallorca hat nach mehr als 15 Jahren der Anstrengungen ein neues Gotteshaus eröffnet. Es ist auch ein Symbol für die Religionsfreiheit

Mit Sesseln wie im Kino, Großbildleinwand und Lichtspielen an der Decke: der Versammlungsraum der Casa Nueva. FOTO: PSS

Sie passt gar nicht so richtig rein in diese so schmucklose Gegend. Nebenan befindet sich ein riesiger Möbeldiscounter. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, hat ein Mietwagenunternehmen eine ganze Armee an Fahrzeugen abgestellt, die jetzt in der Nebensaison nicht gebraucht werden. Hinter den Autos ist das Stadion Son Malferit zu erkennen, wo das Frauenteam von Atlético Baleares die Heimspiele austrägt. Und inmitten dieser Polígono-Tristesse strahlen zwei hell beleuchtete Kreuze an der makellosen, weißen Fassade. Eine Kirche.

Es ist Donnerstagabend (7.12.) im Gewerbegebiet Llevant. Viele der Menschen, die auf das Gebäude zuströmen, haben sich schick gemacht. Nach 15 Jahren des Spendens, des Bangens, der Widrigkeiten ist sie endlich Realität geworden – das neue Gotteshaus des Centre Cristià de Mallorca, das sich der Pfingstbewegung zurechnet.

Casa Nueva. Neues Haus. Den Namen hat die Gemeinde schlicht gehalten. Rund 700 Menschen fasst der Kirchenraum. Dunkelgrüne, gepolsterte Sitze im Halbkreis um eine große Bühne. Ein Großteil ist besetzt. Auf einer überdimensionalen Leinwand läuft ein Countdown herunter. Um Punkt 19 Uhr erscheint ein Video von Jonatán Rodríguez, einem der Pastoren der Gemeinde. Der 31-Jährige erklärt auf der Leinwand die Philosophie und die Werte der Gemeinde. Die Produktion ist sehr professionell.

Und dann springt Rodríguez selbst auf die Bühne. Er trägt einen beigefarbenen Anzug mit Glencheck-Muster und ein weißes Hemd. Keine Krawatte. „Ich bin der aus dem Video“, sagt er grinsend, bevor er das Publikum zur Eröffnung willkommen heißt. „Die Straße, in der wir uns befinden heißt Carrer Camp de Deu, Feld Gottes. Wir wollen umsetzen, was mit diesem Namen schon eine Realität ist: dass wir hier ein blühendes Feld im Namen Gottes schaffen.“

Makellose Fassade, leuchtende Kreuze: die neue Kirche. FOTO: PSS

Im Livestream auf Youtube

Eigentlich ist das neue Gotteshaus schon seit Juli in Betrieb. Der heutige Abend ist der Auftakt einer viertägigen feierlichen Eröffnung, die auch live auf Youtube gestreamt wird. Andere, weitaus weniger christliche Orte feiern ihre Openings auch an vier Tagen. Es ist also eine etablierte Tradition auf der Insel. Deshalb wird heute Abend auch kein Gottesdienst gefeiert, das folgt in den kommenden Tagen.

Nacheinander treten die eigens angereisten Vertreter der verschiedenen evangelischen Verbände Spaniens auf. So unter anderem Carolina Bueno von der „Federación de Entidades Religiosas Evangélicas de España“. Die Vereinigung ist für die Vermittlung zwischen den Kirchen und dem Staat zuständig. Bueno erwähnt den am Vortag begangenen Verfassungstag und betont, wie wichtig die Einführung der Demokratie für die freikirchlichen Kirchen war. „Religionsfreiheit ist keine Selbstverständlichkeit in unserem Land. Wir wurden lange verfolgt und durften unsere Religion nicht ausüben. Wenn wir zusammenrechnen, haben wir in den vergangenen 600 Jahren gerade mal 50 Jahre das Recht gehabt, unseren Glauben zu leben.“

Zum Abschluss spielt die hauseigene Band noch ein Lied, dann dürfen die Anwesenden ins Untergeschoss gehen, wo in einem großen Saal ein Buffet aufgebaut ist. Die Pastoren unterhalten sich derweil mit den Politikern. Gekommen sind unter anderen der Landesminister Juan Manuel Lafuente (PP) und der Stadtratsabgeordnete Daniel Oliveira (PSOE).

Mehr als ein Versammlungsort

Pastor Jonatán Rodríguez nimmt sich ein paar Minuten Zeit für ein Interview. „Wir haben lange davon geträumt, einen würdigen Ort zu haben, an dem wir uns versammeln können“, sagt er. Die Gemeinde hat Gotteshäuser in Alcúdia und in Inca. In Palma traf man sich in den vergangenen 20 Jahren in einem Erdgeschoss in der Nähe der Plaça d’Alexander Fleming. Aber das sei schon lange zu klein gewesen.

Die Casa Nueva soll aber mehr als ein Versammlungsort sein. Die Gemeinde hat eine Tafel für Bedürftige eingerichtet. Zudem gibt es Duschen, wo Obdachlose sich waschen können. Weiterhin arbeite man mit Zahnärzten und Augenärzten zusammen, die hier ihre Hilfe anbieten. „Wir betrachten den Menschen ganzheitlich“, erklärt Pastor Rodríguez. „Wir glauben an das Evangelium für den ganzen Menschen, der nicht nur spirituelle, sondern auch körperliche und soziale Bedürfnisse hat.“

Die Mitglieder der Pfingstgemeinde kämen aus 35 verschiedenen Nationen, erzählt Rodríguez. Es seien viele Südamerikaner und Afrikaner dabei, aber natürlich auch Mitglieder aus unterschiedlichen europäischen Länder, darunter auch Deutsche. „Es ist sehr multikulturell hier“, sagt der Pastor stolz. Was die Arbeit der Gemeinde von anderen unterscheide, sei die Art der Vermittlung. „Wir versuchen, eine leichte Form der Kommunikation zu schaffen, die Kultur einzubinden.“

Durch Spenden finanziert

Finanziert worden sei der Bau zum großen Teil durch Mitgliederspenden. „Es war ein langer Prozess, bei dem wir auch immer wieder auf Schwierigkeiten gestoßen sind, sei es bei der Finanzierung, beim Bau selbst oder mit den Behörden.“ Jetzt gebe es eine Hypothek, die abgezahlt werden muss. Wie groß die Leistung der Gemeindemitglieder ist, zeigt sich auch daran, dass abgesehen von dem Bau auch der ganze Betrieb der Kirche durch Spenden finanziert wird. Rodríguez betont: „Und das selbstverständlich, ohne dass wir die Menschen unter Druck setzen. Alles beruht auf Freiwilligkeit. Wir setzen großen Wert auf Transparenz.“

Draußen auf der Straße bekommt man kaum etwas mit von dem Leben, dass sich drinnen abspielt. Von den Menschen, die um die runden Stehtische mit Hühnchenspießen, Schinkenbroten und Pastetchen stehen und sich unterhalten. Von den Kindern, die herumlaufen. Pastor Jonatán Rodríguez hatte noch gesagt, man wolle sich der Stadt öffnen. Jetzt muss die Stadt nur den Weg hierher finden. Andererseits: Die Stadt findet regelmäßig den Weg zum Möbelhaus Ikea, das um die Ecke liegt. Die Möglichkeit ist also da, dass es klappt. 

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