Mallorca Zeitung

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Mondschein inklusive: Wie ist es, in einem Baumzelt auf Mallorca zu schlafen?

Der Besitzer der ältesten Wassermühle lebt mit Eseln, Hunden und Katzen. Naturliebhaber können bei ihm campen

Ein Baumzelt auf Son Roig. FOTO: PRIVAT

Die ersten Tropfen sind leise. Sie kullern kurz vor fünf am Morgen über das dunkelblaue Dach meines Zeltes. Das Regenwasser sammelt sich an den halbrunden Stangen aus Aluminium, die die Plane stützen, und rinnt in dünnen Bächen an ihnen herab; auf dem Sandboden unter mir bilden sich kleine Pfützen. „Gemütlich – jetzt fehlen nur noch eine Tasse Tee und ein gutes Buch“, denke ich, bevor ich mich wieder in meinen Schlafsack kuschele und einnicke.

Zwei Stunden später, gegen 7 Uhr an diesem Sonntag Ende August, schaukelt ein zorniger Wind das Zelt unsanft von links nach rechts; ich baumle in der Luft, zwischen knorrigen Steineichen, zweieinhalb Meter über der Erde. Der fast volle Supermond, der am Abend zuvor senkrecht über mir am Firmament stand und mir seinen Schein spendete, als ich den Weg zu meinem Bett in den Bäumen suchte, versteckt sich hinter einem Wolkenschleier. Ich ziehe den Reißverschluss des Zeltes auf, mein Gesicht wird klatschnass; der Gewitterregen gota fría lässt mich frösteln, zum ersten Mal in diesem Sommer. Aber die Gänsehaut und das laute Regenprasseln sind angenehm.

„Wenn du ein Wetterleuchten siehst, spring bitte aus dem Zelt“, hatte mein Gastgeber Hans Schödel zu mir gesagt, als wir von der Sturmwarnung für diese Nacht hörten. Genau wie ich kommt der ehemalige Schauspieler aus Bayern. Dort haben Wanderer „Respekt vor dem Fels“, vor allem in den Voralpen, in denen sich das Wetter rasch ändern kann.

Gewitter sind sexy

Ich war noch nie besonders ängstlich und erinnere mich, dass ich als Mädchen gern auf Bäume geklettert bin, auch vor Gewittern. Meine Mutter, die sich schon fürchtet, wenn sie in einem Auto sitzt, das mit 60 Stundenkilometern eine Landstraße entlangschleicht, hat das immer arg mitgenommen. Das Flackern in der Atmosphäre kurz vor einem Sturm finde ich einfach wunderschön. Es entsteht, weil Blitze auf ihrem Weg zum Erdboden die Wolken beleuchten und ihre elektrische Energie sich in ihnen entlädt; Wassertröpfchen und Eiskristalle streuen dann das Licht.

Die Bäume in meiner Umgebung sind zu niedrig, um Blitze anzuziehen, aber ich beschließe dennoch, auf Hans Schödel zu hören, und hüpfe aus meinem Nachtlager im Tentsile, so heißen die Baumzelte, von denen ich mir das ausgesucht hatte, das am höchsten hängt.

Baumzelte schaukeln leicht. FOTO: PRIVAT

Der Weg durch Wildkräuter

Hans Schödel lernte die Insel in den 90er-Jahren kennen, als er für die Fernsehserie „Hotel Paradies“ drehte; seit 2017 gehört ihm die ehemalige Wassermühle Son Roig im Coanegra-Tal bei Santa Maria. Es ist die älteste auf Mallorca. Nach Regenfällen führt das Tal Wasser, in der Talsohle fließt der Torrent de Coanegra. Der Wildbach formt eine Schlucht, die sich vom Nordwesten bis zum Südosten zwischen den Bergen von Sa Comuna de Bunyola und Sa Talaia de Cals Reis erstreckt. In der Nähe befinden sich die Höhlen Avenc de Son Millo und Avenc de Son Pou sowie die Naturhöhle Bufador de Son Berenguer. Duftende Wildkräuter wachsen an den Hängen. Je höher sich der Weg die Berge hinaufwindet, umso dichter werden die Steineichen- und Kiefernwälder.

Auf Son Roig leben auch Katzen. FOTO: PRIVAT

Ein Schutz vor der Sintflut

Siquias umspielen das Gebäude aus dem 13. Jahrhundert, das sind alte Wasserrinnen, die sich schnell mit Regen füllen. Güsse, die im Frühling, im Herbst und im Winter von den Felsen schossen, trieben den Mühlstein an. „Bauern aus der Umgebung haben ihren Weizen hergebracht“, erzählt Hans Schödel, als wir – er mit einer Jacke und ich mit einer Zeitung über dem Kopf – über den Hof sprinten und uns vor der Sintflut, die gerade auf uns herabstürzt, in seine warme Küche retten.

Gutes Essen von der Insel

Son Roig bietet Wanderern Schutz – wie Almhütten, die Hans Schödel liebt. Sein Haus am Weßlinger See hat er verkauft, um in dieser abgelegenen Gegend einen „Ort für Begegnungen“ zu schaffen. Gruppen können sich anmelden und Gerichte bestellen, die Einheimische frisch zubereiten, während die Gäste im Innenhof über Gott und die Welt philosophieren. Manchmal lädt Hans Schödel über WhatsApp Menschen ein, die er kennt, zum Pilzesammeln oder zum Abendessen – wie an diesem Wochenende, an dem die Freundin seines erwachsenen Sohnes Jonas, deren Mutter aus Kuba und deren Tante mallorquinische Spezialitäten gekocht haben. Es gibt escaldums, Huhn mit Pflaumen und Mandelsauce, dazu Pinchos, Tumbet, Tortilla, Oliven und Käse.

„Gutes Essen bringt die Leute zusammen“, sagt Hans Schödel. Feste Preise verlangt er nicht. Jeder gibt, was er für angemessen hält, auch für die Übernachtung in den Baumzelten. Außer mir campen dieses Mal ein Schwede mit seiner Freundin und eine Deutsche bei ihm.

Aus Bekannten werden Freunde

„Ich hatte tolle Eltern und eine gute Kindheit“, sagt Hans Schödel, der neun Pflegekinder neben seinem Sohn und seiner Tochter erzogen hat. „Es ist ja nicht mein Verdienst, dass ich nicht im Slum aufgewachsen bin, sondern zufällig im reichen Deutschland. Dieses Glück möchte ich teilen.“ Sein Konzept geht auf. Während Spanier und Deutsche am Samstag vor dem Unwetter an liebevoll gedeckten Tischen sitzen und Wein von Winzern aus der Umgebung oder Franziskaner-Bier trinken, streicheln ihre Kinder auf der Wiese vor dem schmiedeeisernen Tor Esel, die auf Son Roig ebenso zu Hause sind wie zwei Labrador-Schäferhund-Mischlinge aus dem Tierheim und scheue Katzen.

Gäste im Hof von Son Roig. PRIVAT

Im 700 Quadratmeter großen Anwesen hängen alte Geräte und Zeichnungen der Mühle an den Wänden. In der Mitte hat Hans Schödel einen großen Kamin einbauen lassen. „Es wird im Winter klamm hier draußen“, erzählt er. Strom erzeugt Schödel mit Solarzellen. Wasser holt er aus einem Brunnen. „Die Wiese habe ich aufgeforstet“, sagt er, als wir nach einem langen Brunch gegen halb zwei aufbrechen. Gäste, die mit ihrem Auto nicht über die mit Schlaglöchern und Felsbrocken übersäte Piste schlingern möchten, die zu ihm führt, holt Hans Schödel mit einem Jeep ab und bringt sie wieder zu ihrem Parkplatz.

Stürme schweißen zusammen

Bevor ich aussteige, verrät er mir Familiengeheimnisse. Keine banalen von jedermann, sondern solche, über die man nur mit engen Freunden spricht – eben mit Menschen, mit denen man schon den einen oder anderen Sturm im Leben durchgestanden hat.

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