Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Eine 250 Jahre alte Mühle in Santanyí auf Mallorca öffnet ihre Pforten

Ruth Schmidt-Schütte hat eine fast 250 Jahre alte Mühle in Santanyí restauriert. Jetzt öffnet sie „SanMolino“ als Kraftort und lädt zu Workshops sowie Seminaren

Klösterliche Atmosphäre, um zu sich zu finden: die frühere Journalistin Ruth Schmidt-Schütte im großen Seminarraum von SanMolino. Nele Bendgens

Die ehemalige Getreidemühle „Es Moli de Colovat“ ragt auf wie eine Wallfahrtskirche, wenn man durch das Gittertor tritt und dem Weg vorbei an hochgewachsenen Kakteen und einem gepflegtem Garten zum Hof mit dem alten Brunnen folgt. Wie eine Wallfahrtskirche – oder wie die Kulisse für ein Märchen. Beide Eindrücke, das Sakrale wie das Verwunschene, verstärken sich beim Betreten von „SanMolino“, wie das lebendige Stück Geschichte Santanyís heute heißt. Dass die 1776 erbaute Mühle in neuem Glanz erstrahlt und dennoch Charme und Ursprünglichkeit bewahrt hat, verdankt sie Ruth Schmidt-Schütte, quasi der guten Fee in dieser Geschichte.

„Ich glaube, die Mühle wollte von jemandem gerettet werden. Mein Anliegen war, sie exakt so zu erhalten, wie sie ist“, sagt die 60-jährige frühere Journalistin mit der auffallend positiven Ausstrahlung. Zusammen mit ihrem Mann besitzt sie auch ein kleines Stadthaus in unmittelbarer Nähe, lebt aber in Köln. Da sie früher einmal Geschichte studierte, hat Schmidt-Schütte nicht nur ein Herz für die Denkmalpflege, sondern recherchierte auch zur Vergangenheit des Baus. Er gehörte der Müllerfamilie Adrover, wurde zuletzt von zwei Schwestern bewohnt und stand dann 25 Jahre lang leer. Schmidt-Schütte erwarb die Mühle 2016 und restaurierte sie. Nun bekommt das Gebäude eine ganz neue Bestimmung.

Mühle als Ort der Begegnung

Schmidt-Schüttes Vision: Hier soll ein Ort der Begegnung, aber auch der inneren Einkehr und der seelischen Heilung entstehen. Sie selbst bringt als Coach und Systemaufstellerin viele Jahre Berufserfahrung mit. Nun nutzt sie ihr Netzwerk, um Referenten aus Deutschland einzuladen, die sie gut kennt und bei denen sie sich für die Qualität ihrer Arbeit verbürgt. Das Ziel sei, dass die Mühle sich finanziell trägt, wobei sie nichts von den Einkünften für sich selbst behalten wolle. „Ich bin in einem Alter, wo ich sage: Jetzt geht es darum, etwas zu geben“, erklärt die Mutter von sechs Kindern. Studierende und Geringverdienende bekommen auf Anfrage Sonderpreise, wenn sie teilnehmen möchten.

Zum ganzheitlichen Seminar- und Workshop-Konzept gehören auch gesundes, ayurvedisches Essen und Massagebehandlungen, um „nach der Arbeit mit der Seele noch einmal körperlich zu entspannen“, sagt Schmidt-Schütte. Im ehemaligen Vorratsraum mit einem Zwischenboden, wo Arbeiter auf dem Stroh schliefen und Gemüse und Kräuter trocken gelagert wurden, hingen unten an einer Stange die Sobrassada-Würste – jetzt steht dort eine Massageliege für die körpertherapeutischen Anwendungen.

Außenansicht von SanMarino

Außenansicht von SanMarino Brigitte Rohm

Im früheren Elternschlafzimmer hat Schmidt-Schütte einen zweiten Therapieraum eingerichtet. Das Herzstück ist der große Seminar- und Workshop-Raum in einem Anbau, der Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet wurde. Im alten Hühner- und Schweinestall gibt es jetzt ein Außenbad, auch eine Außenküche ist vorhanden.

Das Klösterliche, das dem Gebäude anhaftet, sei schon immer vorhanden gewesen, sagt die Deutsche. Die karge Einrichtung der Müllerfamilie – Minimalismus auf Alt-Mallorquinisch – habe bei der Übernahme noch von dem einfachen Leben gezeugt. Mit am besten kommt die „alte, weise Ausstrahlung“, die Schmidt-Schütte dem Gebäude attestiert, im ehemaligen Kinderzimmer zur Geltung, das sie in eine Art Kapelle ohne feste Religionszuordnung verwandelte: Kerzenschein, alte Kirchenmöbel aus Deutschland und ein Relief von Maria mit dem Kind verleihen dem Raum eine friedliche Stimmung, die wie gemacht ist für eine morgendliche Meditation.

Stille und Besinnung im Garten

Momente der Stille und Besinnung findet man auch im Garten mit seinem Steinkreis, dem Achtsamkeitsweg zum bewussten Wandeln und vielen kleinen Sitzecken zum Verweilen und zur Reflexion. Der Garten soll auch für Übungen genutzt werden, denn er unterstütze dabei, „nicht nur drinnen zu sitzen und etwas aufzuschreiben, sondern es mit allen Sinnen zu erfassen“, sagt die 60-Jährige.

Für 2023 hat Schmidt-Schütte vier Seminare und Workshops für kleine Gruppen mit maximal zwölf Teilnehmern auf dem Programm, die Teilnahme kostet ab 280 Euro. Im Mai gibt es zwei je zweitägige Seminare mit der Therapeutin und Systemaufstellerin Renate Da Rin. Im Herbst folgen ein Drei-Tages-Seminar mit den Trauerexpertinnen Nicole Nolden und Kirsten Fay sowie ein Drei-Tages-Workshop zu „Kreativem Schreiben“ mit der finnisch-schwedischen Schriftstellerin Merete Mazzarella und der Kölner Literaturagentin Annette Brüggemann. Hinzu kommen ausgesuchte, extern organisierte Veranstaltungen, wie am 22. April ein Kräuterworkshop mit Ingrid Reygers.

Trotz aller inneren Einkehr geht es Schmidt-Schütte keineswegs um Abschottung. Zwar seien die Seminare vorerst auf Deutsch, doch in Zukunft könnte es auch mehrsprachige Workshops geben. Und die Nachbarn seien herzlich eingeladen, sich „ihre“ Mühle wieder anzuschauen. „Der Sinn ist, dass sie für die Mallorquiner erhalten bleibt“, sagt Schmidt-Schütte. Den Gästen bietet SanMolino auf jeden Fall die Chance, die Mühle des Lebens einmal für kurze Zeit pausieren zu lassen.

Artikel teilen

stats