Ein origineller Ansatz war es ja schon, um die Geschichte des Jazz in seiner Heimat zu beschreiben, den der polnische Gitarrist Jarek Smietana im Jahr 2004 präsentierte: In einem zehnminütigen Jazz-Rap-Song erklärte er sowohl in polnischer als auch in englischer Version im Schnelldurchlauf, wie es dazu kam, dass Polen eine der wohl größten Jazz-­szenen Europas hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich Jazz in Europa zu verbreiten. Aber den Machthabern im Ostblock passte das nicht. „So the first place Jazz found a home was underground in a place, the catacombs." (Also wurde der erste Ort, an dem Jazz ein Zuhause fand der Untergrund, die Katakomben.)

Welche Vielfalt aus diese Szene hervorgegangen ist, davon kann man sich jetzt auch auf Mallorca überzeugen, denn Polen ist in diesem Jahr Gastland der dritten Ausgabe des hiesigen Alternatilla Jazz Festival. Es beginnt am Donnerstag (22.11.) ab 20 Uhr mit einem Konzert des Marcin Wasilewski Trio im Teatre Principal, einer der renommiertesten Gruppen aus Polen. Bis zum 8.12. finden insgesamt zwölf Konzerte und Jamsessions auf der ganzen Insel statt, bei denen polnische, aber natürlich auch spanische Musiker und Bands auftreten.

Jazz nach dem Ersten Weltkrieg

Jarek Smietanas hörenswerte Interpretation in allen Ehren, aber eigentlich verbreitete sich Jazz in Europa auch schon nach dem Ersten Weltkrieg. 1923 ist die erste polnische Jazzband dokumentiert: Das Karasiski & Kataszek Jazz-Tango Orche-­stra spielte US-amerikanische Musik im Stil des Bandleaders Paul Whiteman, der in jenem Jahr erstmals auf Europatournee gegangen war. Die Band wurde in den Clubs in Warschau ­gefeiert und ging in den 30er-Jahren sogar auf Europatour.

Im Grunde ist die Geschichte des polnischen Jazz ein Spiegelbild der polnischen ­Geschichte. Die Musik war mit dem ihr inne­wohnenden Freiheitsgedanken das perfekte ­Ventil, sowohl in Zeiten der Unterdrückung als auch in jenen des Aufbruchs. Während sich in den 30er-Jahren eine bunte Szene, vor allem geprägt durch den Swing, entwickelt hatte, war dies mit dem Einmarsch der Deutschen vorbei. Nicht besser wurde es, als die Rote Armee Polen besetzte. Jazz wurde zur Musik des Feindes erklärt und wanderte in den Untergrund, in die von ?mietana genannten Katakomben - ein damals gebräuchliches Synonym für private Wohnungen, in denen Bands heimlich auftraten.

Damals gelangte die Band Melomani zu einiger Berühmtheit. Das Sextett wird häufig als Urväter des polnischen Jazz bezeichnet - weil es die erste Generation an Musikern war, die kaum Zugang zu westlicher Musik hatte und deshalb ihre eigene Interpretation von dem fabrizierte, was sie für Jazz hielt. Es sollte bis Ende der 50er-Jahre dauern bis erstmals wieder Musik von außerhalb zur Verfügung stand.

Das Internet als bester Freund

Heutzutage ist polnisches Jazz vor allem eines: divers. Jedes Jahrzehnt hat seine Einflüsse hinterlassen, unter anderem die 90er-Jahre, in denen junge Musiker in ­einem plötzlich freien Land den Jazz mit anderen Musikrichtungen vermischten und als „yass" popularisierten. Der polnische Jazz ist eine Entdeckungsreise wert und wie so häufig ist das Internet, was solche Vorhaben angeht, der beste Freund.

Einen breiten und erzählerisch bemerkenswerten Abriss der polnischen Jazzgeschichte bietet der englischsprachige „A Forei­gners Guide To Polish Jazz" auf der Website culture.pl. Informationen über die aktuelle Jazzszene findet man beim Blog polish-jazz.blogspot.com, auf der Streaming-Plattform mixcloud.com gibt es zahlreiche DJ-Sets, die die Aktualität und die Geschichte des ­„Polish Jazz" wiedergeben. Mehr Infos zum ­Festival: www.alternatilla.com.