Wenn ein Schulkind mit seinem selbst gemalten Bild unzufrieden ist und das Werk beerdigt, dann interessiert das bestenfalls die Eltern. Handelt es sich bei dem Kind aber um das später gefeierte katalanische Maler-Genie Joan Miró (1893–1983), dann ist der Akt des Verschmähens ein herber Verlust für die Kunstgeschichte: Miró schuf mit zarten 15 Jahren sein erstes Ölgemälde, das seinen eigenen Ansprüchen aber offenbar nicht genügte. Weshalb genau er es aussortierte, ist nicht bekannt. Im Jahr 1960, als der Künstler bereits auf Mallorca lebte, nutzte er die Rückseite jedoch ganz pragmatisch für ein anderes Bild.

Dass das ursprüngliche Werk nun einen Platz im Katalog erhält und wieder in altem Glanz erstrahlt, ist dem Restaurator der Fundació Miró Mallorca, Enric Juncosa, zu verdanken. Als er im Jahr 1995 die Komposition auf der anderen Seite restaurierte, entdeckte er dabei das Frühwerk des Malers: „Hinter dem Gemälde von 1960 klebte Miró ein Zeitungspapier, um darauf das Werk zu signieren. Aufgrund meiner Kenntnisse in Papier-Restaurierung vermutete ich, dass dort noch etwas zu finden sein könnte – und genauso war es“, erzählt Juncosa. „Darunter befand sich das, was wir später als Mirós erstes Ölgemälde identifizierten. Er malte es im Jahr 1908.“

Hinter dem Zeitungspapier verbarg sich... B. Ramon

... dieses frühe Bild von Joan Miró. B. Ramon

Frischekur für die Farben

Bei dem Bild handelt es sich um eine Landschaft mit einem Baum und einer Brücke, die der Stilrichtung des Fauvismus zuzurechnen ist – einer Bewegung der klassischen Moderne, die sich unter anderem durch den Gebrauch von leuchtenden Farben charakterisiert. „Es dürfte eine der ersten Landschaften sein, die der Künstler malte, in Mont-roig del Camp oder in Cornellà“, sagt der Restaurator. Das Werk, das zuletzt im Jahr 2012 bei der Ausstellung „Poesia e luce“ im Palazzo Ducale in Genua zu sehen war, bekam nun in der Werkstatt im Keller der Stiftung eine Frischekur verpasst.

„Die Farben haben ihre Lebendigkeit wiedererlangt“, so Juncosa. Er säuberte das Bild und entfernte einige später durchgeführte Übermalungen, die nicht zur Originalversion gehörten. „Ich habe außerdem schützenden Stoff auf die Originalfaser aufgetragen, die keinen Rahmen hatte“, erklärt er, während er das Werk behutsam in den behandschuhten Händen hält. Einen Miró zu restaurieren, sei immer eine Herausforderung, weil der Künstler auf jedem Bild experimentiert habe.

Vielschichtiges Unterfangen

Für Juncosa bedeutet seine Arbeit, jedes Mal tief in den Kreativprozess einzutauchen. „Wenn man ein Bild vor sich hat, muss man sich als Erstes fragen, aus welchen Materialien es gemacht ist“, sagt der Restaurator. Miró habe mit Ölfarbe begonnen, sie dann mit Acryl gemischt und am Ende fast nur noch mit Letzterem gearbeitet. „Aber dann stößt man wieder plötzlich auf einen synthetischen Lack oder eine Grundierung, die er verwendete“, so Juncosa. „In diesem Sinne ist es ein vielschichtiges Unterfangen, Mirós Werke zu restaurieren. Ich erkenne heute meist auf einen Blick, welche Technik und Materialien er benutzte. Aber wenn ich Zweifel habe, gebe ich eine Analyse in Auftrag.“

Das Bild von 1960, das das erste Ölgemälde verbarg. B. Ramon

Eines der Stipendien „Pilar Juncosa i Sotheby’s“ sei speziell für ein Projekt bestimmt, das die von Miró verwendeten Pigmente in der Sammlung von Palma untersucht und so neue und nützliche Erkenntnisse liefert. Aufgrund der Vielfalt an Formaten und Materialien – darunter Stiche, Objekte, Malereien, Zeichnungen und Skulpturen – ist Juncosa zudem häufig auf den Rat von Experten anderer Institutionen angewiesen. „Für die Konservierung eines Schmetterlingskastens aus dem Taller Sert musste ich etwa das Ethnologische Museum Barcelona kontaktieren, bei Objekten aus Pflanzenfasern das Textil- und Bekleidungsmuseum“, so Juncosa.

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Zu seinen Aufgaben gehört nicht nur die Restaurierung, sondern auch die Konservierung der Exponate, mindestens einmal pro Woche untersucht er deshalb die Ausstellungsstücke. Darüber hinaus arbeitet er an einem Inventar der Papierarbeiten, um herauszufinden, welche Art von Papier der Künstler aus welchem Grund verwendete.

„Wenn man restauriert, heilt oder pflegt man nicht nur, sondern man baut auch eine Verbindung zum Werk dieses Künstlers auf“, sagt Juncosa, der sich schon seit vielen Jahren mit dem Œuvre des Genies beschäftigt. „Es gibt nur wenige Maler wie Miró. Er ist eine nie versiegende Quelle für Entdeckungen.“