Mallorca Zeitung

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Auswandern für Spätberufene: Als Au-pair auf Mallorca neuen Schwung ins Leben bringen

Mit 60 Jahren hat sich Britta Schreiber dazu entschieden, neuen Schwung in ihr Leben zu bringen. Als Au-pair unterstützt sie eine deutsche Familie auf der Insel.

Britta Schreiber arbeitet als Granny Aupair für eine deutsche Familie in Marratxí. Nele Bendgens

Britta Schreiber brauchte dringend einen Tapetenwechsel. Schon vor Corona hatte die gebürtige Hamburgerin geplant, Deutschland für einen gewissen Zeitraum zu verlassen. 2023 ging es zunächst für sechs Monate nach London. Nun ist Mallorca an der Reihe. Britta Schreiber ist 60 und arbeitet als Au-pair.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die zuletzt als Erzieherin tätige Deutsche kümmert sich seit Anfang März um den einjährigen Sohn einer deutschen Familie in Marratxí. Beide Eltern sind berufstätig, arbeiten im Homeoffice und leben auf einer Finca. „Wir haben uns bewusst für jemanden mit Lebenserfahrung entschieden“, sagt der Vater. „Als ich von der Gelegenheit erfahren habe, auch in meinem Alter als Au-pair überall auf der Welt arbeiten zu können, war ich begeistert“, sagt Schreiber. Frei nach dem Motto „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ packte die 60-jährige vor einem Jahr ihre Koffer.

Eine Hamburger Agentur vermittelt ab 45 Jahren aufwärts

Die Hamburger Agentur „Granny Aupair“ macht das möglich. Sie vermittelt Frauen über 45 Jahre in über 60 Länder. Mehr als ein Dutzend der Au-pairs waren bereits auf Mallorca tätig. Gründerin Michaela Hansen startete vor 15 Jahren mit ihrer Au-pair-Agentur. „Warum sollte man diese Gelegenheit nicht auch einer älteren Generation bieten, die Lebenserfahrung hat und teilweise schon selbst Kinder großgezogen hat?“, fragt Hansen.

Bestimmte Voraussetzungen, um als Granny im Ausland zu arbeiten, gebe es nicht. Eine gewisse Offenheit, Neugier und Flexibilität sollten die Frauen aber mitbringen. Dass sie auch kinderlieb sein müssen, ist selbstverständlich.

Die nötige Vorerfahrung

Britta Schreiber bringt genau diese Merkmale und auch die nötige Vorerfahrung mit. In Hamburg hat sie unter anderem als Zahnarzthelferin, pädagogische Fachangestellte und als Erzieherin gearbeitet. Ihre Tätigkeit als Au-pair erinnert die zweifache Mutter mit zwei erwachsenen Töchtern an ihre eigene Elternzeit: „Ich mache hier genau die Dinge, die ich damals auch zu Hause als Mutter erledigt habe.“ Ob spielen, spazieren gehen, vorlesen oder kochen — Britta Schreiber kümmert sich um den Einjährigen wie um ihr eigenes Kind. „Es harmoniert einfach“, sagt die 60-Jährige.

Ob spielen, spazieren gehen, vorlesen oder kochen — Britta Schreiber kümmert sich um den Einjährigen wie um ihr eigenes Kind. Nele Bendgens

Ohne Harmonie läuft nichts

Harmonie ist laut Schreiber bei der Arbeit als Au-pair das Wichtigste. „Mir nützt es nichts, wenn ich am schönsten Ort der Welt bin, aber das Zusammenleben mit der Familie nicht klappt“, erklärt sie. Daher sei die Kennenlernphase vor Reiseantritt besonders wichtig. „Ich habe mich an den Profilen der Familien auf der Website von Granny Aupair orientiert und geschaut, ob wir zueinanderpassen würden“, sagt die Hamburgerin. Darauf folgten dann mehrere Gespräche per Telefon oder Videochat. Mit der Familie in Marratxí habe es direkt harmoniert, vielleicht weil auch der Vater aus Hamburg kommt. „Mallorca war eigentlich nicht mein Ziel, aber da sich die Familie und ich so gut verstehen, habe ich mich dazu entschlossen, auf die Insel zu kommen“, sagt Britta Schreiber.

Viele Freiräume

Mallorca kenne sie sonst nur aus dem Urlaub. „Ich fühle mich unglaublich wohl. Mir gefällt auch der Kontrast zu London, wo ich vorher war. Das Meer und die Sonne auf Mallorca sind einfach herrlich“, schwärmt sie. Ihre Freizeit nutzt die Hamburgerin, um im Tramuntana-Gebirge zu wandern oder auf der Insel über Facebook neue Leute kennenzulernen. „Mein Arbeitsalltag sieht jeden Tag anders aus, ich habe viel Freiraum, und es ist sehr entspannt“, antwortet sie auf die Frage, ob es als Au-pair auch mal stressig werden kann.

Individualität wird groß geschrieben

Grundsätzlich sei die Arbeit als Granny-Au-pair sehr individuell. Das sagt auch Gründerin Michaela Hansen: „Hier ist für jeden etwas dabei.“ Um die Frauen auf ihre Arbeit im Ausland vorzubereiten, bietet die Agentur auch mehrfach jährlich Workshops und Info-Veranstaltungen an. Eine Registrierung ist dafür nicht erforderlich. Wer dann vollen Zugriff auf die Profile der Familien haben möchte, muss sich kostenpflichtig anmelden (Drei-Monats-Abo 195 Euro; Jahresabo 420 Euro).

Abenteuer und Neuanfang

Für Britta Schreiber hat sich die Investition aber gelohnt: „Natürlich ist es eine Herausforderung. Es ist aber auch ein kleines Abenteuer. Ich sehe die Arbeit als Au-pair im Ausland als einen Neuanfang und die Möglichkeit, im Alter noch einmal neuen Schwung ins Leben zu bringen.

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