Mallorca Zeitung

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Tipp für das Wochenende auf Mallorca: Zirkusfestival bietet in Alcúdia ein Weltklasse-Programm (und das fast gratis)

Jonglage, Seiltanz, Messerstecher: Circaire zeigt, wie sich der Zirkus fortwährend neu erfindet - und sich doch selbst treu bleibt

Erfindet die Jonglage neu: Wes Peden in „Rollercoaster“. | Foto: wespeden.com

Wer es einmal auf Mallorca erlebt hat, kommt gerne wieder: An diesem Wochenende steigt über diverse Spielstätten in Alcúdia verteilt die bereits 9. Ausgabe des Zirkusfestivals Circaire. Von Freitag (3.5.) bis Sonntag (einen Tag weniger als im Vorjahr) sind 23 Produktionen zu sehen, sechs weniger als 2023.

Aber nicht auf die Quantität kommt es an, sondern auf die Qualität. „Das Geheimnis besteht nicht darin zu wachsen, sondern sich zu verbessern“, sagt der Festivalleiter Tià Jordà. Im Falle von Circaire heiße das, „auf jene Produktionen zu setzen, die die interessantesten Ansätze verfolgen“.

"Bester Jongleur der Welt"

Das wären etwa Wes Peden und seine Show „Rollercoaster“ (Achterbahn). Der US-Amerikaner gelte in der Szene als derzeit bester Jongleur der Welt, obwohl er selbst das wahrscheinlich nicht so ausdrücken würde, sagt Tià Jordà. „Diese Jonglage ist anders als alles, was Sie bisher gesehen haben“, heißt es auch in einer Besprechung der Onlineplattform juggle.org. In der knapp einstündigen, auch farblich schrillen Show integriert der in Schweden lebende Wes Peden mit teils riesigen Plastikschläuchen das Prinzip Murmelbahn in das Spiel der Bälle und Kegel (Samstag, 20.30 Uhr, Auditorium Alcúdia, 10 Euro).

Zeitgemäßes Messerstechen

Es sei die Lust am Experimentieren, die in Ländern wie Frankreich, Belgien und Spanien die Zirkuskunst erneuere, sagt der Mallorquiner Tià Jordà, der mit seinem Circ Bover und dessen Bambusrohr-Konstrukten selbst eine neue Artistik-Variante erfand. Das bezieht sich dann auch auf die neuen Technologien: In „US“ von Company Midnight haben zwei Belgier ihr Bühnenbild mit einem Computer so programmiert, dass fortlaufend scharfe Messer und andere gefährliche Gegenstände auf sie herunterstürzen, was nicht nur für Spannung, sondern auch für Komik sorgt (Samstag, 18 Uhr, Passeig Pere Ventayol, Eintritt frei).

Andere Kompanien experimentierten mit Bewegungsmeldern oder Lasern, und es gebe sicherlich auch schon welche, die das Potenzial der künstlichen Intelligenz ausloten, sagt Tià Jordà, der für die Auswahl der Produktionen nationale und internationale Festivals besucht. Anders als sich fortwährend neu zu erfinden, ginge es gar nicht. „Jegliche Bühnenkunst muss sich ungeheuer anstrengen, um ihr Publikum zu finden, schließlich gibt es heutzutage 3.000 Formen der Unterhaltung“, sagt Tià Jordà.

Staunen und Lachen

Einen unschätzbaren Vorteil hat die mit den Vorzeichen Staunen und Lachen versehene Zirkuskunst dabei: Um sie genießen zu können, braucht es absolut keine Vorkenntnisse oder Eigenschaften. „Mit Zirkus lassen sich wirklich alle erreichen“, so der Festivalleiter, dem allenfalls das jugendliche Alterssegment ein wenig im Publikum fehlt.

Niedrigschwellig genug, um auch die Insel-Youngster anzulocken, ist das Angebot von Circaire aber auf jeden Fall: Ein Großteil der Shows ist kostenlos. Dazu gehört dann auch, Spaniens wohl beste Seiltänzerin zu erleben, in „H“ der Kompanie La Córcoles: Mariona Moya will mit ihrer Balancierstange auf dem Drahtseil die Stierkampfarena überqueren und dabei gar „einen Walzer tanzen“ (Sonntag, 12 und 17 Uhr, Stierkampfarena, Eintritt frei).

Eine Produktion nach der anderen sehen

Ohnehin lohnt die Anreise zu Circaire besonders, wenn man gleich mehrere der über den Tag verteilten Produktionen sieht. Einen Überblick über das Programm verschafft man sich am besten auf der Website, von vielen Shows sind dort auch kurze Videos zu sehen (hier die Version auf Englisch).

Spaß machen dürfte etwa auch das wie ein Tennisfinale zwischen Rafa Nadal und Novak Djokovic aufgezogene Jonglierduell „De Cuyper vs. De Cuyper“ der belgischen Cie Pol & Freddy (Samstag, 19 Uhr, Pont de la Vila Roja, Eintritt frei).

Oder auch die Sorge zweier vorgeblich frischgebackener Eltern des Proyecto Kavauri aus Andalusien, die mit ihren akrobatischen Kunststücken trotz des quäkenden Babys das Publikum unterhalten müssen. Ihr Ziel: die Vorstellung irgendwie zu überleben („Lullaby“, Sonntag, 18 Uhr, Bühne Pont de la Vila Roja, Eintritt frei).

Die meisten Shows kosten keinen Eintritt

Eintritt, und dann auch noch einen ausgesprochen geringen von 3 Euro (Festivalzelt) oder 10 Euro (Auditorium), zahlt man nur für die aufwendigeren Produktionen im Auditorium. Dazu gehört dann die bereits mit Preisen ausgezeichnete Extremakrobatik der katalanischem Kompanie eia: In „Nuye“ fliegen sechs Artisten zwischen, vor und über einer beweglichen Holzwand über die Bühne (Sonntag, 19 Uhr, Auditorium, Eintritt 10 Euro).

Oder auch das poetische neue Stück der mallorquinischen Artistin Marilén Ribot „Cuirassa oberta“ (Freitag, 20 Uhr, Auditorium, 10 Euro). „Schon seit einigen Jahren verschmilzt der zeitgenössische Zirkus verstärkt mit anderen Genres der Bühnenkunst wie dem Tanz, dem Theater oder der Musik“, sagt Tià Jordà.

Das bezieht sich dann auch auf das Rahmenprogramm: Am Freitag vermengt der Mallorquiner Pep Suasi in „Suacirc“ Gesang und Zirkus, am Samstag Pep Noguera und Lolita Khaos Hits der 70er-, 80er- und 90er-Jahre mit Comedy.

Fotokunst im Auditorium

Und im Auditorium ist eine Ausstellung des mallorquinischen Fotografen Pep Bonet zu sehen. Der dreifache World-Press-Photo-Gewinner hat im Laufe eines Jahres immer wieder die Artisten des Circ Bover porträtiert – und die Bilder so verfremdet, dass sie wie Daguerreotypen aus dem 19. Jahrhundert aussehen. Was dann gar nicht so sehr zu dem zeitgenössischen Zirkus passt. Oder doch: Es zeigt, wo das alles herkommt.

Ein Zirkusbild von Pep Bonet. Circaire

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