Es sind die kleinen sprachlichen Details, welche die latino-alemanes, die Deutsch-Latein­amerikaner, häufig verraten. Etwa wenn ihnen ein „Diskrimination" statt „Diskriminierung" herausrutscht, oder wenn sie eine Freundin mit chama ansprechen, und damit einfach nur Mädchen sagen wollen. Wie man das halt so in Venezuela tut.

Dafür sprechen Hans und ­Gisela Bacher dann aber so gut wie akzentfrei – Spanisch und Deutsch. Hans Bacher (70) zog als Zwölfjähriger mit seinen Eltern von Regensburg in die venezolanische Hauptstadt Caracas. Er ging dort zur Schule, machte seine kaufmännische Ausbildung, arbeitete für deutsche Firmen, gründete eine Familie, zog zwei Söhne groß, kaufte sich ein Schiff. Gisela Bacher (53), seine zweite Frau, ist sogar eine latino-alemana der zweiten Generation: in Venezuela geboren und aufgewachsen, deutsche Schule, deutsche Kirchengemeinde, deutscher Club. Und nun sitzen sie mit ihrem afrikanischen Graupapagei namens Kostas, der auf Türkisch „hallo" sagen kann und auf Zuruf Farben identifiziert, auf der ­Terrasse ihrer frisch bezogenen Eigentumswohnung in Palmas Stadtviertel Molinar und schauen aufs Meer. „Venezuela – das Land hat seinen Reiz verloren, für unsereins ist das nichts mehr", sagt Hans Bacher. Sie sind schon lange von dort weg, haben nach der Frühpensionierung von Hans Bacher auf der „Tunnix", ihrem 13-Meter-Schiff, über 60.000 Seemeilen zurückgelegt und viele Jahre in der Türkei verbracht – daher auch die Sprachkenntnisse von Kostas. Sich niederlassen, alt werden, das aber wollten sie dann doch an einem möglichst kosmopolitischen Ort in der „zivilisierten Welt", einem Ort, an dem es „sowohl Weißbier als auch Kochbananen" gibt, einem Ort an dem man ihre Sprache spricht. Spanisch und Deutsch. „Das hola klingt hier viel lockerer als anderswo", sagt Hans Bacher.

Deutschland war nie wirklich eine Option, zu grau, zu kalt, zu fremd. Gisela Bacher, ein „Kind der Tropen", wie sie sich selbst nennt, verbrachte dort Ausbildungsjahre zur Chemotechnikerin und Kauffrau. Ein Klima- und Kulturschock. „Es waren die unschönsten Jahre meines Lebens", sagt sie. Dann doch eher Venezuela – wenn da nicht Hugo Chávez und sein tropischer Sozialismus wären. Hans und Gisela Bacher sind auf ihre Art und Weise Wohlstandsflüchtlinge, Teil jener Auswanderungswelle, die Venezuelas Ober- und Mittelschicht erfasst hat, seitdem der Populist Chávez an der Macht ist, die Kriminalität und die Unsicherheit sprunghaft zugenommen haben und die Infrastruktur des Erdöl exportierenden Landes zusehends verfällt. Zwischen diesem Venezuela und diesem Mallorca liegen Welten. „Wir sind auf der Insel, weil man hier zufrieden ins Bett geht und zufrieden wieder aufwacht", sagt Gisela Bacher. Ihre Eltern allerdings leben ebenso wie einer von Hans´ Söhnen noch in Venezuela und können sich auch gar nichts anderes vorstellen.

Im Freundeskreis der beiden Residenten sind noch weitere Deutsch-Venezolaner, die es ebenfalls auf die Insel verschlagen hat: Ärzte, Touristiker, Inneneinrichter. Mit ihnen werden ­Neuigkeiten aus der Heimat ausgetauscht und Erinnerungen geteilt. Zugleich bemühen sich Gisela und Hans Bacher aber um Anschluss an die mallorquinische Gesellschaft. Gisela besucht Katalanisch-Kurse, lernt den Volkstanz Ball de Bot, Hans engagiert sich in der neuen Partei Unión Progreso y Democracia (UPD). „Wir haben viele Freunde, aber sie sind über die Welt verstreut", sagt Gisela Bacher. „Jetzt wollen wir auch solche Freunde finden, die wir spontan um ein Kilo Zucker bitten können." Sie hätte auch sagen können: Wurzeln schlagen.

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