Wenn Jung-Ingenieur Toni Barceló blitzschnell seine Ideen herunter­rattert, dann kann es passieren, dass er sich in seinem Fachsprech zu weit vom Boden der Realität katapultiert. Normal­sterbliche verstehen dann nur noch Bahnhof. Doch die Geschäftsidee, die der 31-jährige Insulaner jüngst an der Universität Lüneburg unter Anspruchnahme eines deutschen Stipendiums ersonnen hat, ist durchaus allgemeinverständlich erklärbar: Der Schnelldenker aus Palma bildet zusammen mit einer Start-up-Firma aus Kolumbiens Hauptstadt Bogotá namens ­Quality Energy Solutions (QES) Mitarbeiter von Unternehmen zu sogenannten „Efficiency Managern 2.0" aus. Also zu Menschen, die in der Lage sind, den Energieverbrauch - und damit nicht unerhebliche Kosten - in den Bürogebäuden oder Produktionsstätten ihrer Arbeitgeber signifikant zu senken.

„Wir lehren ihnen unter anderem, mit in Lichtquellen eingebauten Sensoren so zu arbeiten, dass ein Einspareffekt von 20 Prozent erreicht werden kann", sagt Toni Barceló. Und strahlt wie ein Honigkuchenpferd, während er seine ungebrochen weiter sprudelnden Gedanken nach wie vor im Eiltempo in Worte fasst. Im Gespräch mit der MZ zeigt er stolz ein Diagramm, das den Produktionsprozess von Kakao in einer Fabrikanlage darstellt. „Ein Effizienzmanager sagt den Fabrik­betreibern genau, wie und wo sie unnötige Energiekosten reduzieren können."

Sechs Abschlüsse in 18 Monaten

Der ehrgeizige junge Mann war nicht immer so glücklich. Im Winter 2012 - also mitten in der Krise - hatte er seiner geliebten ­Heimatinsel wie viele andere wegen fehlender Jobs den Rücken kehren müssen (die MZ berichtete). Kaum jemand interessierte sich hier für seine hochfliegenden Ideen aus den Bereichen erneuerbare Energien, CO2-Reduzierung und Energieeinsparung. Damals hatte Barceló zusammen mit Informatikern in Palmas Technologie-Schmiede Parc Bit emsig und konzentriert mehrere Projekte entwickelt, darunter ein Programm für Hotels und Geschäfte zur Nutzung von Elektrorädern. Er war noch anderweitig fleißig, machte sechs Abschlüsse in nur anderthalb Jahren. Doch alle Mühe in all den Jahren war vergebens.

Der Verzweiflung nahe, orientierte sich Toni Barceló Richtung Ausland. „2010 kam ein Kontakt mit der Universität Lüneburg zustande, ich hätte bereits damals dort promovieren können." Doch da wollte der der Inselscholle sehr verbundene Jungakademiker noch nicht nach Deutschland ziehen. Er zögerte auch, weil ihm eine Stelle für 2000 Euro netto monatlich beim Bau des famosen Kongresspalastes von Palma angeboten worden war. Doch das Unternehmen, bei dem er vorgesprochen hatte, nahm keinen Kontakt mehr mit ihm auf. Aus der großen Karriere-Hoffnung auf Mallorca wurde nichts und die Arbeiten an dem Gebäudekomplex damals bekanntlich erst einmal eingestellt.

Also doch Lüneburg. Dort wurde der Mallorquiner mit ­offenen Armen, also einem ­ersten Stipendium, empfangen. „Ich entwickelte eine Software zur Reduzierung von Problemen bei der Herstellung von Kleingeräten im medizinischen Bereich, etwa Laser-Schneidern", erklärt er sein damaliges Projekt. Dieses wurde mit finanzieller Unterstützung nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Großbritannien und der Schweiz bis Oktober 2014 durchgezogen.

Ramallets in der Pampa

Dabei erlebte er die Deutschen als fast durchweg angenehme Menschen. „Ich fühlte, dass ich dort sehr willkommen war", sagt der Ingenieur, was auch für seine Freundin gilt, die den gleichen Beruf hat. „Meine Erwartungen haben sich voll und ganz erfüllt." Es gebe nun einmal überall angenehmere und unangenehmere Menschen. Auch im Privat­leben hatte der Insulaner auf dem ­platten Lande im deutschen Norden Erfolgserlebnisse: „Auf einem für wenig Geld angemieteten Feld gelang es mir dort sogar, Ramallet-Tomaten zu züchten." Auch habe er eine Weile mit der Idee gespielt, einen Laden mit Mallorca-Spezialitäten wie Sobrassada und Hierbas im nahegelegenen ­Hamburg zu eröffnen.

Wobei Toni Barceló allerdings das oft feuchte und kühle Wetter im deutschen Norden - was nicht verwundert - so gar nicht zusagt. Wenn er sich dazu äußert, macht sich auf seinem sonst so mimikstarken Gesicht kurzzeitig eine bleierne Starre breit. Und auch das in der Regel herzhafte deutsche Essen geht dem gaumenverwöhnten Insulaner zuweilen kreuzweise auf den Geist. Zu fettig seien ihm viele Saucen, sagt er. „Aber es kann ja auch nicht alles positiv sein."

Bei Heimweh: Tomeu Penya

So trocken und nüchtern Toni Barceló gemeinhin daherkommt, wenn er über seine Ideen spricht - er ist auch sportlich und gesellig. Und er ist zuweilen gefühlsgeladen. Wenn ihn etwa das Heimweh übermannt („manchmal vermisse ich das Meer und die Berge"), dann gibt er sich der Musik hin. Er legt dann CDs von seinem großen Idol, dem Mallorca-­Country-Barden Tomeu Penya auf, während die grauen Wolken tief über die Heide fegen und es Bindfäden regnet. Oder er betätigt in einer ­Flamenco-Truppe traditionelle ­Instrumente wie die maracas oder den cajón. Fast noch melancholischer wird der sonst so rationale Zahlenmensch, wenn er an seine Zeiten als knallfreudiger dimoni bei diversen Festen auf den ­Dörfern der Insel zurückdenkt. „Ich hatte früher viel Spaß."

Doch Toni Barceló lebt weiter in Lüneburg, weil er nun einmal diese Idee mit dem „Efficiency Manager 2.0" hatte und weil er den deutschen Staat, der ihn - was Spanien nie getan hatte - finanziell unterstützt, nicht enttäuschen will. Und so treibt er seine Geschäftsidee voran und kann dabei durchaus Erfolge vorweisen. „Jüngst wurden in Guatemala 15 Effizienzmanager aus der Zement- und Textilbranche ausgebildet", sagt er stolz. Und auch die größte kolumbianische Universität nehme seine Dienste in Anspruch. In der Hauptstadt der chinesischen 100-Millionen-Einwohner-Provinz Henan, Zhengzhou, und in Peking sei man ebenfalls interessiert.

Auch für Mallorca hat Toni Barceló Ideen: Warum nicht etwa Hotelkonzernen seine Dienste in punkto Energie­effizienz anbieten? „Es gibt hier Hunderte Hotels, in denen in Sachen Energieeffizienz einiges im Argen liegt. Ich habe bereits mit Branchenvertretern gesprochen." Und auch mit Klimatisierungsprofis von „Abtecir" (Associació Balear de Tècnics en Energia, Climatització i Refrigeració), die in verschiedensten Industriezweigen tätig sind, hat Toni Barceló schon Kontakt aufgenommen. Das Interesse sei groß, auch bei der neuen Linksregierung.

Überall in der Welt herum­fliegen muss Toni Barceló trotz der Aufträge allerdings nicht. „Diese Kurse können auch online über das Konferenz-Schaltsystem Saba Centra absolviert werden", so der Ingenieur. „Meinen Job kann ich also von überall ausüben." Sein Traum sei, auf Mallorca zu wohnen, um zwischendurch mal wieder den dimoni geben zu können. Und zugleich ein Unternehmen in Deutschland zu besitzen.