Der Anlass unserer Führung zum Leuchtturm am Cap Blanc ist ein geplantes Großprojekt für placas solares. Hier in der Gegend soll eine große Fotovoltaikanlage entstehen, so groß wie 70 Fußballfelder, und das sorgt bei Umweltschützern und Anwohnern für Unmut. Gegen Sonnenenergie ist hier niemand, aber nicht in der freien Natur. Stattdessen sollen zum Beispiel die Dächer der Hallen in den polígonos, den Gewerbegebieten, genutzt werden. Der Naturschutzbund Amics de la terra möchte für das Thema sensibilisieren und verknüpft damit eine kleine Führung durch die Natur. Cap Blanc liegt hinter Arenal, direkt an der Steilküste.

Wann, wie, wo

Wir treffen uns um 17 Uhr am Konservatorium in Palma und verteilen uns auf die Autos. Die meisten Teilnehmer sind Mitglieder von Amics de la terra. Die Gruppe veranstaltet regelmäßig Ausflüge oder Arbeitseinsätze, bei denen zum Beispiel stillgelegte Bergterrassen wiederbelebt werden (Infos, teils auch auf Deutsch, auf der Website www.amicsdelaterra.org).

Der Guide

Joan Miquel González stellt sich uns als naturalista vor, was wohl so etwas wie Naturexperte bedeuten soll. Er betrachtet die Natur als Ganzes: ihre Entstehung, die Flora und Fauna, die Landschaft. Der 52-Jährige ist für verschiedene Arbeitgeber tätig, darunter auch den Umweltschutzverein Gob. Joan ist Ur-Mallorquiner. Das Mallorca, das er uns heute nahebringt, ist das seiner Kindheit. Touristisch weitgehend unberührt und wild.

Die Gruppe

Wir sind knapp 20 Leute. Auch die Präsidentin von Amics de la terra ist dabei, Sandy Hemingway. Man muss genau hinhören, um zu erkennen, dass in ihrer spanischen und mallorquinischen Aussprache etwas Fremdes mitschwingt. „Ich bin Engländerin", lacht sie, „aber schon ewig hier." Die Amics de la terra lieben ihre presidenta und wollen sie nicht gehen lassen. „Eigentlich möchte ich schon länger aufhören", sagt sie. Es scheint ihr aber auch schwerzufallen, das Thema Naturschutz in andere Hände zu geben. Auch andere Teilnehmer der Führung sind sehr engagiert. Catalina Oliver etwa: Die Mallorquinerin fragt bei den Erklärungen genau nach, und man merkt, dass das Thema Sonnenenergie für sie nicht neu ist.

Das nehmen wir mit

Joan führt uns zunächst wenige Meter an die Steilküste am Leuchtturm. Drumherum ist auf den ersten Blick nichts. Büsche, Sträucher und felsiger Grund. Der Blick Richtung Palma ist atemberaubend, gerade jetzt in der frühen Abendsonne. Die durch Erdplattenverschiebungen entstandenen Aufwerfungen des Küstenstreifens hier seien etwas Besonderes, erklärt Joan, denn man erkenne noch ehemalige Korallenriffe. Wir schauen genau hin und entdecken geschwungene, unregelmäßige Formen in dem Kalkgestein. Die Löcher dazwischen sind jetzt mit sandiger Erde gefüllt. „Erde, die aus dem Sand der Saharawinde und den zersetzten Kalksteinen entsteht", sagt unser Guide. In größeren Mulden kann sich Regenwasser sammeln. Vor allem früher schützten Fincabesitzer diese natürlichen Becken, indem sie sie mit Steinen abdeckten, um die Feuchtigkeit besser zu halten. Frösche suchen sie in Trockenzeiten auf.

Überhaupt ist das Ökosystem in diesem Küstenabschnitt sehr reich. Die Pflanzen haben sich optimal an die Trockenheit angepasst: Die fast dornigen Büsche mit den schmalen, nadelartigen Blättern brauchen wenig Wasser. Hier sind viele Landschildkröten heimisch. Und bis in die 80er-Jahre galt diese Gegend als größte Brutstätte für Kormorane in ganz Europa.

Was würde geschehen, wenn hier ein Solarpark entstünde? Joan zeichnet ein düsteres Szenario: Die Bauarbeiten brächten die Tierwelt durcheinander. Um die gewonnene Energie weiterzuleiten, müssten turmhohe Strommasten errichtet werden. In den Leitungen könnte sich leicht der bedrohte Greifvogel Milan verfangen. „Ein Ökosystem braucht Platz, viel Platz, um sich wirklich entfalten zu können", sagt Joan.

Wir kehren zu den Autos zurück, fahren weiter landeinwärts und halten kurz an einer Elektrizitätsstation, die im Falle des Baus des Großprojekts deutlich ausgebaut würde.

Danach geht´s weiter zu einer der betroffenen Fincas. Ein schwarzer Hund bellt müde in seiner Hütte, saftige Feigenbäume stehen am Eingang. Wir treten durch das Hoftor. Es ist eine possessió, ein Anwesen aus dem 16. Jahrhundert. Die Besitzer lassen uns freundlicherweise ins Herrenhaus hinein und bis auf den Turm steigen.

Hier wird Geschichte anschaulich. In den oberen Stockwerken die gemachten Betten der Gräfin und des Grafen, viele Ahnenbilder an den weiß gekalkten Wänden, eine Madonna in einem kleinen Schrein. Der Blick erstreckt sich weit über die Weizenfelder. Wir klettern die enge, dunkle Wendeltreppe hoch. Dort oben auf dem Türmchen hängt eine kleine Glocke. „Das war wahrscheinlich damals für die Gutsbesitzer, um zur Messe zu läuten, oder zum Essen", erzählt der jetzige Besitzer.

Die Ländereien wurden intensiv landwirtschaftlich und als Jagdgebiet genutzt. „Das ist das Mallorca von früher", sagt Joan. Das Mallorca, das viele Mallorquiner so schätzen und nach dem sie sich in den touristischen Zeiten oft wehmütig zurücksehnen. Wer hier oben auf dem Ausguck die Abendsonne genießt, versteht die Aufregung der Amics de la terra gut.

Erst am Ende des Ausflugs stellt sich heraus, das noch eine andere Deutsche dabei ist. Agnes kommt ursprünglich aus dem Münchner Raum. Ein Überbleibsel davon trägt sie heute - einen Dirndlverschnitt in moderner Fassung. „Ich bin schon seit 30 Jahren hier", erzählt sie. Ihr Spanisch ist akzentfrei. „Ich komme bei diesen Ausflügen an Orte, die ich sonst nie kennenlernen würde. Wer hat sonst schon die Chance, solch eine possessió aus dem 16. Jahrhundert von innen zu sehen?", sagt sie. „Das Umweltbewusstsein auf der Insel hat sich gewandelt - zum Guten. Es werden mehr, die sich engagieren. Es sind vielleicht kleine Aktionen, aber auch viele kleine Steine machen irgendwann einen Berg."