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"Meine besten Stöcke für euch"

Nach dem Stenzl-Eklat auf Mallorca: Wie ein schnitzender Rentner und ganz Sóller Abbitte leisten. Ortspolizist hatte deutschen Zimmerleuten ihre Wanderstöcke abgenommen und in den Müll geworfen

Joan Cañellas steht in diesen Tagen stellvertretend für viele Bürger von Sóller. Dem 71-Jährigen tut es furchtbar leid, was den beiden deutschen Zimmerleuten Samuel Friedrich und Lucas Sautter Ende Januar in seinem Städtchen zugestoßen ist. Und er möchte es ein Stück weit wieder gutmachen. „Ich schenke ihnen zwei meiner besten Stöcke“, sagt er MZ-Reporter Sebastián Terrassa.

Ein Ortspolizist hatte den deutschen Zimmerleuten am 21. Januar die für ihre Wanderschaft unabdingbaren Stenzl weggenommen und danach in den Müll geworfen. Die ­Geschichte schlug hohe Wellen, und seither sorgen sich in Sóller viele um die Negativ-Schlagzeilen. Die meisten Bürger verstünden dabei nicht, was den beiden seltsam gekleideten Deutschen so an ihren Stenzln liege, sagt der deutsche Unternehmer Franz Kraus, Chef von „Fet a Sóller“.

Joan Cañellas aber kann den Schmerz der Zimmerleute wie kein Zweiter nachvollziehen. Der 71-Jährige ist ein solleric, wie er im Buche steht. Einst in der Textilindustrie ­beschäftigt, widmete er sich nach deren Niedergang dem Einkochen von Hülsenfrüchten. Er saß tagein, tagaus in seinem Haus und kochte

Linsen und Kichererbsen ein, um sie auf dem Markt zu verkaufen.

Eines Tages kam er auf die Idee, Stöcke aus Olivenholz, ­Wacholder und Johannisbrotbaum über dem heißen Dampf zu bearbeiten. Die Stöcke - auf Mallorquinisch "gaiatos" genannt - kringelten sich unter der Hitze an den Enden, er bearbeitete sie weiter und kann inzwischen eine stattliche Sammlung von 60 Stöcken sein Eigen nennen. „Ich wäre außer mir, wenn irgendjemand herkäme und einen von ihnen in den Müll werfen würde. Die haben einen unschätzbaren immateriellen Wert für mich“, sagt Cañellas.

Er verschenke die Stöcke ausschließlich, und den Zimmerleuten würde er mit größtem Vergnügen zwei seiner schönsten Exemplare vermachen. Die beiden Gesellen waren nach dem Vorfall erneut nach Sóller gefahren und hatten in Bars und Geschäften Fahndungs­plakate ausgehängt, auf denen sie 1.000 Euro Belohnung für denjenigen versprachen, der ihnen die Stenzl wiederbringen würde.

In Sóller begann daraufhin das ­große Suchen. Die Müllcontainer des Ortes wurden durchstöbert, einige Bürger machten sich sogar zur Müllverbrennungsanlage Son Reus auf, um dort nach den Stöcken zu fragen. Doch die Stenzl blieben unauffindbar.

Ins Blickfeld geriet damit auch R., der Ortspolizist, der den Zimmerleuten die Stöcke weggenommen hatte und von dem sich seine Kollegen nach dem Vorfall auffallend deutlich distanziert hatten. Ganz Sóller fragte sich, was den Polizisten, der zum fraglichen Zeitpunkt nicht im Dienst und in Zivil unterwegs war, zu dem Übergriff bewogen hatte. Welcher Teufel hat ihn wohl geritten, das Brauchtum der Fremden zu missachten?

Noch mag R. nicht mit der ­Presse darüber reden. Dafür sprang vergangene Woche seine Frau in die Bresche. Sie arbeitet selbst bei der Policía Local. Sie und ihr Mann bedauerten den Vorfall außerordentlich, sagt sie bei einer Ortsbegehung zusammen mit zwei weiteren Polizisten und dem MZ-Reporter.

Geschehen sei Folgendes: R. sei mit seinem Auto auf den öffentlichen Parkplatz gefahren, in dem er eine Parklücke gemietet hat. Just in dieser Ecke aber hätten sich die beiden Zimmerleute zum Schlafen niedergelegt. Er habe sie beinahe überfahren und sei sehr erschrocken gewesen. Nachdem R. sie dazu aufgefordert habe, den Parkplatz zu verlassen, hätte einer der beiden Deutschen auf ihn eingeredet und ihm mit seinem Stock gedroht. R. habe daraufhin einen uniformierten Kollegen zur Hilfe gerufen, der die beiden dann zum Verlassen des Parkplatzes habe bewegen können.

Ja, und die Stöcke hätten die Zimmerleute liegengelassen. R. habe sie dann in die erstbeste Mülltonne geworfen.

Auch Bürgermeister Carlos Simarro will diese „Anekdote des interkulturellen Zusammenlebens“ schnell aus der Welt wissen. Wie auch Polizeichef Pep Porcel hat er noch eine andere Erklärung dafür, dass die Stenzl einkassiert wurden. Was Stöcke angehe, sei man in Sóller sehr sensibel, da vorgeschädigt. Bei der „Moros y cristianos“-Fiesta, die jedes Jahr im Mai stattfindet, würden Hunderte Menschen mit Knüppeln - zunächst nach Regeln - aufeinander einschlagen. In der Alkohol- und ­Feierlaune komme es dabei aber häufig zu Streit, weshalb die Polizei Stöcke und Knüppel zu beschlagnahmen pflege.

Joan Cañellas würde den beiden Deutschen die Stöcke gerne persönlich überreichen. Die Gesellen sind inzwischen auf dem Festland und werden derzeit von der Mallorca Zeitung kontaktiert.

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