Wie private Naturschutzgebiete zum Erhalt der Tramuntana beitragen

Eine Humangeografin aus Deutschland erforscht, welche Rolle private Schutzgebiete für den Erhalt der Tramuntana spielen.

Das Landgut Ariant in der Gemeinde Pollença ist eines von fünf privaten Schutzgebieten das Nora Müller in ihrer Doktorarbeit analysiert.

Das Landgut Ariant in der Gemeinde Pollença ist eines von fünf privaten Schutzgebieten das Nora Müller in ihrer Doktorarbeit analysiert. / Nele Bendgens

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Wer das Landgut Ternelles in den Bergen über Pollença besuchen will, hat eigentlich nur eine Chance – sich bei der Umweltstiftung FVSM für eine geführte Wanderung anmelden. Mit einem Guide der Fundació Vida Silvestre de la Mediterrània, auch als Mönchsgeierstiftung bekannt, geht es dann in Gruppen von maximal 15 Personen auf das Landgut, das sich im Privatbesitz der Bankiersfamilie March befindet. Mallorca mag anderswo überlaufen sein – hier in der abgeschirmten Idylle lassen sich die Besucher fast an einer Hand abzählen.

Die Finca Ternelles ist eines von fünf privaten Schutzgebieten auf Mallorca, das die Humangeografin Nora Müller in ihrer Doktorarbeit an der Balearen-Universität (UIB) untersucht – neben La Trapa, La Muntanya del Voltor, Son Torrella sowie Ariant. Diese PPAs (Privately Protected Areas) sind auch im internationalen Vergleich von Interesse. Denn während anderswo in der Welt in privaten Umweltschutzgebieten oft kommerzielle Ziele eine Rolle spielen – Stichwort „Ecolodge“ – findet sich dieses Phänomen auf Mallorca offenbar gar nicht.

89 Prozent des Tramuntana-Gebiets in Privatbesitz

Die Serra de Tramuntana trägt den Welterbe-Titel der UNESCO und unterliegt damit öffentlichen Schutzauflagen. Ein Großteil des Gebiets ist jedoch Privatbesitz. 89 Prozent der Fläche sind in den Händen privater Eigentümer. Neben öffentlichen Landgütern, die unter speziellem Schutz stehen – Galatzó (Calvià), Planícia (Banyalbufar), Son Moragues (Valldemossa) oder etwa Binifaldó (Escorca) – hat Nora Müller acht PPAs ausgemacht. Sie machen zusammen 4,5 Prozent der Welterbe-Fläche aus und unterscheiden sich untereinander hinsichtlich Philosophie und Auflagen. La Trapa in der Gemeinde Andratx gehört der Umweltschutzvereinigung GOB und unterliegt keinen Zugangsbeschränkungen, es gibt Workshops und Freiwilligenprogramme. Auch das Landgut Son Torrella unterhalb des Puig Major ist frei zugänglich. Im Fall der Muntanya del Voltor oberhalb von Valldemossa ist die Zahl der Besucher auf 50 pro Tag beschränkt. Sie müssen sich vorab kostenfrei anmelden. Nur im Rahmen von Führungen besucht werden können die Fincas Ariant und Ternelles im Gemeindegebiet Pollença.

Die Natur wird zur Ware: Marketing mit dem Welterbe

Nora Müller, die ihren Master in Humangeografie in Tübingen und ihren Bachelor in Umweltwissenschaft in Lüneburg gemacht hat, stellt die Beispiele dieser fünf Schutzgebiete in ihrer Doktorarbeit in den Kontext internationaler Entwicklungen und komplexer Theorien. Da wäre zum Beispiel das Phänomen der Kommodifizierung – die Natur wird zur Ware. Schließlich ist der Welterbe-Titel von 2011 nicht nur ein ökologischer Schutzbegriff, sondern auch ein effizientes Marketinginstrument. Die Kulturlandschaft der Tramuntana, die früher dazu diente, die Versorgung mit Baumaterial oder Lebensmitteln zu produzieren, hat jetzt eine ästhetische und emotionale Funktion. Die Land- und Forstwirtschaft ist nicht mehr wirtschaftlich rentabel – wird sie aber aufgegeben, gerät auch die Kulisse für das touristische Produkt in Gefahr, die Wälder, die Olivenhaine, die Steinmauern.

Vermarktung steht jedoch nicht im Vordergrund

Beim weltweiten Vergleich kommt die 34-Jährige aus Berlin zu dem Schluss, dass die Vermarktung im Fall privater Schutzgebiete im globalen Norden in der Regel nicht im Vordergrund steht. Den Projekten auf Mallorca liege kein touristisches Geschäftsmodell zugrunde, kein Profitgedanke, fast schon das Gegenteil davon – entstanden sind einige der Projekte als Reaktion auf die Expansion der Urlauberindustrie. Sie sind „zwischen offiziellen Schutzfiguren einerseits und privatem Grund und Boden andererseits angesiedelt“, stellt Nora Müller fest. „Sie lösen Spannungen zwischen Naturschutzzielen und Tourismusförderung durch die Privatisierung von geschützter Natur mit dem Zusatz von Exklusivität.“ Jedes der fünf Konzepte habe seine Berechtigung, sei es das rigide Modell geführter Besuche zum maximalen Schutz bedrohter Arten, ein Besucher-Limit mit exklusiven Naturerfahrungen oder aber Modelle ohne gesonderte Zugangskontrollen.

In jedem Fall zeigen sich die Unterschiede zwischen diesen Initiativen auf der Insel und solchen im globalen Süden. Dort überwögen bei PPA-Projekten sehr wohl kommerzielle Interessen, oft auch mangels finanzieller Ressourcen. Die sozialen Unterschiede in der Gesellschaft spiegelten sich so auch im Naturschutz wider – das Erleben unberührter Natur als Privileg für Besserverdienende.

Sind private Schutzgebiete also gut für Mallorca? Bei der Bewertung komme es immer auf die konkrete Umsetzung an, und es stelle sich auch nicht die Entweder-oder-Frage, sagt Nora Müller. Es gehe nicht darum, das Modell der öffentlichen Landgüter infrage zu stellen, sondern zu zeigen, wie sich der von der Politik betriebene Naturschutz bestmöglich mit privaten Initiativen kombinieren lässt. „Diese Modelle werten die geschützte Natur auf, ohne sie deswegen automatisch zu Geld zu machen.“

Nächste Station Ballermann?

Derzeit ist Müller in der Schlussphase der Doktorarbeit. Sie könne sich durchaus vorstellen, einen Postdoc anzuhängen. Um dann die öffentlichen Landgüter Mallorcas zu erforschen? Als Humangeografin interessiert sich die Deutsche nicht nur für den Naturschutz auf der Insel. Auch das Biotop des Ballermann hat ihr Interesse geweckt – das Reiseziel der Playa de Palma ist zwar seit Jahrzehnten in aller Munde, wissenschaftlich aber noch kaum aufgearbeitet.