Mallorca Zeitung

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Mallorca trauert um den Sänger der "ältesten Band Spaniens"

Serafí Nebot war Sänger der Band Los Javaloyas, und passionierter Geiger. Nun ist er im Alter von 90 Jahren gestorben

Serafín Nebot verstarb im Alter von 90 Jahren Guillem Bosch

Ein Rockstar war er nie wirklich. Dieser Status hätte ihn wohl zu wenig interessiert. Auch ein exzessiver Lebensstil wäre ihm sicherlich abseitig vorgekommen. Serafí Nebot war eher ein Arbeiter der Musik. Der sich vielleicht gerade deshalb einen Namen gemacht hat. Am vergangenen Donnerstag (28.6.) ist der Sänger mit den tiefblauen Augen im Alter von 90 Jahren in seiner Heimatgemeinde Son Servera gestorben.

Serafín Nebot un die Musik

Ein Mann, der die Welt gesehen hat: Serafí Nebot. | FOTO: SEBASTIÁN TERRASSA Patrick Schirmer Sastre

Knapp sieben Jahrzehnte hatte er auf der Bühne gestanden. 1953 trat er der Band Los Javaloyas bei, die ein Jahr zuvor gegründet worden war. Zum Vergleich: Als Nebot in die Gruppe kam, war Mick Jagger gerade mal zehn Jahre alt. Oftmals wurden Los Javaloyas mit den mallorquinischen Beatgruppen der 60er-Jahre in Verbindung gebracht. „Los 5 del Este“ etwa, oder „Los Beta“.

Aber das ist nur bedingt richtig. Die Mitglieder der Javaloyas waren alle studierte Musiker. Nebot selbst hatte in der Militärkapelle vier Jahre lang Klarinette gespielt, am Konservatorium Geige studiert. „Wir gehörten nie zu denen, die sich im Zuge des Beatles-Booms eine Gitarre umgeschallt und angefangen haben zu singen“, erklärte Nebot 2018 im MZ-Interview.

Die Band spielte klassische Tanzmusik. Bolero etwa. Ein wenig Flamenco. „Was man halt von Spaniern erwartet.“ Erst ab den 60er-Jahren integrierten auch die Javaloyas die Klänge aus England und den USA, hier vor allem der Beach Boys, in ihre Musik.

Cover einer Single von Los Javaloyas aus den 60er-Jahren. FOTO: ARCHIV

Lange Engagements im Ausland

Die Band ging zunächst auch nicht auf Tournee. Stattdessen nahm sie in den 50er- und 60er-Jahren lange Engagements an verschiedenen Orten an. In der venezolanischen Hauptstadt Caracas etwa stand sie anderthalb Jahre Abend für Abend auf der Bühne.

Oder noch kurioser: 1960 verbrachten die Javaloyas eine Zeit in Teheran. „Soraya, die Gattin des Schahs, hatte uns gesehen und war begeistert. Wir bekamen ein unglaubliches Angebot: Kost und Logis frei, dazu ein Taschengeld. All unsere Verdienste wurden auf Konten in die Schweiz überwiesen“, erzählte der Musiker. „Einer meiner Brüder arbeitete zu der Zeit im Rathaus in Palma. Ich verdiente an einem Tag, was er in einem Monat mit nach Hause brachte.“

"Los Javaloyas" produzierten mehr als 60 Platten und CDs. Foto: Trui

Bei den Veranstaltungen jener Zeit spielte die Kapelle 45 Minuten am Abend. Es ging eher gesittet zu. „Wir haben in den ersten Jahren noch nicht mal Wasser auf der Bühne getrunken“, erinnerte sich Nebot gegenüber der MZ. „In späteren Jahren haben sie uns bei den Auftritten direkt Whiskeyflaschen auf das Klavier gestellt. Da haben wir uns natürlich angepasst.“

Die Insel sahen Nebot und seine Mitstreiter damals kaum. Höchstens eine Woche im Jahr besuchte man die Familie. Erst als der Tourismusboom auf der Insel einsetzte, nahmen die Javaloyas auch auf Mallorca Engagements in den Hotels an. In den 60er-Jahren verbrachten sie häufig die Winter in Deutschland und Österreich, die Sommer am Mittelmeer. 1966 gewann die Gruppe den ersten Preis beim angesehenen Festival de Mallorca.

In allen Ländern, in denen die Gruppe auftrat, versuchte sie auch ein oder zwei typische Lieder zu lernen. In Deutschland waren das „Sag mir, wo die Blumen sind“ und „Bei dir war es immer so schön“.

Platten nahmen sie eher nebenbei auf. „Wir flogen morgens nach Barcelona, nahmen ein paar Songs auf und flogen nachmittags wieder zurück, weil wir ja abends einen Auftritt hatten.“ Die Website „La Fonoteca“, die sich für die Erhaltung und die Verbreitung spanischer Musik einsetzt, listet vier Langspielplatten und 49 Singles für die Zeit zwischen 1960 und 1974 auf. Sie waren durchaus erfolgreich. Die Single „Paradise of Love“ etwa, an der Nebot als Co-Autor mitwirkte, verkaufte sich im Jahr 1964 rund 100.000 Mal.

Die älteste Band Spaniens

Im Jahr 2014 wurden die Javaloyas als älteste Bands Spaniens geehrt. Wobei sich die Mitglieder natürlich nicht nur der Band widmeten. Immer wieder gab es längere Auszeiten. Nebot etwa, der nie einen Hehl aus seiner Liebe für klassische Musik gemacht hat, spielte ab Ende der 80er-Jahre Geige bei den Balearen-Sinfonikern und unterrichtete Kammermusik am Konservatorium. Dennoch: Bis 2019 traf man sich immer wieder für Auftritte. Erst Anfang 2020, kurz vor der Pandemie, verkündeten die Javaloyas ihre endgültige Auflösung. Im Jahr darauf beschloss die Gemeinde Son Servera, Nebot eine Straße zu widmen.

Los Javaloyas erweisen Mallorca noch einmal 2021 in einem Konzert die Ehre. Pere Joan Oliver Orell

Im MZ-Interview 2018 betonte Nebot immer wieder, dass Arbeit, Anstand und Respekt die Grundlagen dafür gewesen seien, dass es mit der Musikkarriere geklappt hatte. Ein kleines bisschen Rockstartum ließ er sich dann aber nicht nehmen: „Natürlich hatten wir damals viele Angebote – von Frauen ebenso wie von Männern. Wenn man damals allein schlafen gegangen ist, war es, weil man es nicht anders wollte.“

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