Schönheit, sagt Serafí Nebot, bringe einem gar nichts. „Oder wie die Franzosen sagen: Schönheit verschafft einem zwei Wochen Vorsprung. Wenn man nichts drauf hat, wird man spätestens dann entlarvt." Nebot ist vergangene Woche 86 geworden. Ein älterer Herr mit tiefblauen Augen. Man könnte ihn für für einen Elder Statesman halten. „Schönsein ist keine Leistung", sagt er, „auch wenn wir uns das gerne vormachen." Was wirklich zähle sei „Arbeit, Anstrengung."

Die Frage war eigentlich eine ganz andere gewesen: „Waren Sie damals eigentlich Sexsymbole?" Sie, das sind die Javaloyas. Die älteste noch aktive Band Mallorcas, vielleicht sogar Europas. Ihre Lieder sind bis heute bekannt. „Paradise of Love" etwa, eine Liebeserklärung an das Nachtleben der Insel. Oder „Margarita". Serafí Nebot ist ihr Sänger.

Als Mick Jagger neun war

Los Javaloyas wurden im Jahr 1952 gegründet. Um sich zu vergegenwärtigen, was das bedeutet: Mick Jagger war damals neun Jahre alt. Der 2007 verstorbene Bandleader Luis Java­loyas hatte die Gruppe in Valencia gegründet, ein Jahr später besetzte er die Band mit jungen mallorquinischen Musikern neu, darunter war auch Serafí Nebot.

Oftmals werden Los Javaloyas mit den mallorquinischen Beatgruppen der 60er-Jahre in Verbindung gebracht. „Los 5 del Este" etwa, oder „Los Beta". Aber das ist nur bedingt richtig. Die Mitglieder der Javaloyas waren alle studierte Musiker. Nebot selbst hatte in der Militärkapelle vier Jahre lang Klarinette gespielt, am Konservatorium Geige studiert. „Wir gehörten nie zu denen, die sich im Zuge des Beatles-Booms eine Gitarre umgeschallt und angefangen haben zu singen," sagt Nebot. Die Band spielte klassische Tanzmusik. Bolero etwa. Ein wenig Flamenco. „Was man halt von Spaniern erwartet." Erst ab den 60er-Jahren integrierten auch die Javaloyas die Klänge aus England und den USA, hier vor allem der Beach Boys, in ihre Musik.

Jahrelange Engagements

Die Band ging auch nicht auf Tournee. Stattdessen nahm sie in den 50er- und 60er-Jahren lange Engagements an einem Ort an. In der venezolanischen Hauptstadt Caracas standen sie anderthalb Jahre Abend für Abend auf der Bühne. Oder noch kurioser: 1960 verbrachten die Javaloyas Teheran. „Soraya, die Gattin des Schahs, hatte uns gesehen und war begeistert. Wir bekamen ein unglaubliches Angebot: Kost und Logis frei, dazu ein Taschengeld. All unsere Verdienste wurden auf Konten in die Schweiz überwiesen. Einer meiner Brüder arbeitete zu der Zeit im Rathaus in Palma. Ich verdiente an einem Tag, was er in einem Monat mit nach Hause brachte."

Bei den Veranstaltungen jener Zeit spielten zwei Kapellen jeweils 45 Minuten. Deshalb will Nebot auch nicht von Konzerten reden. Er sagt lieber Auftritte. „Es war damals üblich, dass der Wechsel mit dem Song 'Tea for two' vollzogen wurde", erklärt Nebot. „Nach und nach übergaben die Musiker während des Songs ihre Instrumente an die Nachfolgegruppe." Mit den wilden Exzessen auf der Bühne hatten die Javaloyas nichts zu tun. „Wir haben in den ersten Jahren noch nicht mal Wasser auf der Bühne getrunken. Später in Deutschland haben sie uns direkt Whiskeyflaschen auf das Klavier gestellt. Da haben wir uns natürlich angepasst."

Sag mir wo die Blumen sind

Respekt vor der Publikum, das sei wichtig gewesen, sagt Nebot. Etwa Anzüge auf der Bühne tragen. Oder in jedem Land auch Songs von dort zu spielen. In Deutschland etwa „Sag mir, wo die Blumen sind" und „Bei dir war es immer so schön". „Und natürlich haben wir versucht, überall die Sprache zu lernen und uns an die Sitten anzupassen - auch das ist eine Frage des Respektes. In Venezuela etwa haben wir festgestellt, dass unser katalanischer Akzent im Spanischen überhaupt nicht gut ankam. Also haben wir unsere Aussprache glattgebügelt. Heute hat man den Eindruck, dass man nur berühmt wird, wenn man gegen den Strich kämmt. Wir waren da anders."

Zeit für Heimatbesuche gab es da kaum. „Ich war in diesen Jahren vielleicht jeweils eine Woche im Jahr auf Mallorca, um die Familie zu besuchen", sagt Nebot. „Wir hatten kaum Kontakt mit Mallorca." Einmal traf die Band in Rom den bekannten Schauspieler Francisco Rabal. Ob sie Spanier seien, fragte er. Die Musiker bejahten. „Und ihr kennt mich nicht? Wie lange wart ihr nicht mehr in Spanien?" Ein paar Jahre, antwortete die Band. „Nun, wenn ihr nach Spanien zurückkehrt, werdet ihr wissen, wer ich bin", sagte der legendäre Schauspieler (unter anderem „Viridiana" von Luis Buñuel).

Kampf der Egos

Erst als der Tourismusboom auf der Insel einsetzte, nahmen die Javaloyas auch auf Mallorca Engagements in den Hotels an. In den 60er-Jahren verbrachten sie häufig die Winter in Deutschland und Österreich, die Sommer am Mittelmeer. Platten nahmen sie eher nebenbei auf. „Wir flogen morgens nach Barcelona, nahmen ein paar Songs auf und flogen nachmittags wieder zurück, weil wir ja Abends einen Auftritt hatten." Die Website „La Fonoteca", die sich für die Erhaltung und Verbreitung spanischer Musik einsetzt, listet vier Langspielplatten und 49 Singles für die Zeit zwischen 1960 und 1974 auf.

Das ständige Zusammensein mit den anderen Bandmitgliedern war nicht immer leicht, auch wenn man eigentlich befreundet war. „Es gibt immer wieder Leute, die sagen: Wir waren wie Brüder", sagt Nebot und lacht ein wenig verächtlich. „Das ist Quatsch. Selbstverständlich gab es Egos in der Band, das ist doch normal." Los Javaloyas sorgten aber selbst dafür, dass die Band nicht daran zerbrach. „Wir hatten den Journalisten Miquel Soler, der war für uns, was Brian Epstein für die Beatles war. Er bestimmte, wer was singt und wie die Sachen gemacht werden. So haben wir es geschafft, dass die Band zusammenblieb."

Eigentlich lieber Klassik

Mehr oder weniger zumindest. Denn natürlich haben die Javaloyas, 2014 als älteste Band Spaniens geehrt, nicht 66 Jahre durchgespielt. Es gab Auszeiten. Die Musiker versuchten sich an Soloprojekten. Nebot selbst macht keinen Hehl daraus, dass die Javaloyas für ihn zwar ein großer Spaß waren, dass seine Liebe aber immer der klassischen Musik galt.

20 Jahre lang spielte er ab Ende der 80er-Jahre Geige bei den Balearen-Sinfonikern und unterrichtete Kammermusik am Konservatorium. „Als ich jung war, hätte man von der klassischen Musik nie leben können, man musste Tanzmusik spielen. Heute hat man eher als Orchestermusiker ein Auskommen." Und hin und wieder traf man sich eben und spielte die Hits mit den Javaloyas.

Nostalgiker im Publikum

Drei Originalmitglieder sind noch dabei. Neben Nebot sind das Toni Felany und Rafael Torres. Dazugestoßen ist der Sohn des einstigen Bandgründers und Namensgebers Luís Javaloya. „Ich finde es amüsant, wenn darüber geredet wird, dass die jungen Generationen zu den Konzerten der alten Bands gehen", sagt Nebot. „Bei den großen Stars wie Joan Manuel Serrat oder Joaquín Sabina mag das ja sein. Aber bei normalen Leuten wie uns nicht. Zu uns kommen die Nostalgiker, die gerne die Songs aus ihrer Jugend hören wollen."

Die nächste Chance dafür bietet sich am Sonntag (7.10.). Da spielen Los Javaloyas um 19 Uhr im Rahmen der Dorffeierlichkeiten von Llucmajor im Kloster Sant Bonaventura. Die Karten kosten 15 Euro und sind unter mallorcatickets.com erhältlich.

Am Ende beantwortet Nebot dann doch die Frage nach dem Sexsymbol-Status . „Ich kann diese Leute wie Julio Iglesias nicht verstehen, der sagt, er habe mit 3.000 Frauen geschlafen. Das ist doch krank. Als ob man 3.000 Steaks essen würde." Respekt, Anstand, Arbeit, Anstrengung - die preußischen Tugenden ziehen sich durch die Erzählungen von Nebot. Aber dann sagt er noch: „Aber natürlich hatten wir damals viele Angebote - von Frauen ebenso wie von Männern. Wenn man damals allein schlafen gegangen ist, war es, weil man es nicht anders wollte."