Mallorca Zeitung

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Orangenbauern auf Mallorca fehlt der Nachwuchs - Zukunft der Plantagen dennoch gesichert

Im Tal von Sóller werden seit Generationen Orangen, Mandarinen und Zitronen angebaut. Bartolomé Oliver Mayol gehört zu den letzten traditionellen Landwirten

Oliver baut Orangen, Zitronen und Mandarinen in dritter Generation an. Die Nachfolge in seiner Familie fehlt. Bendgens

Zur Finca Can Penya geht es entlang einer bei Radfahrern beliebten engen Nebenstraße zwischen Sóller und Port de Sóller im Norden der Insel. Bartolomé Oliver Mayol öffnet das kleine Stahltor zu seinem Land. Der Blick fällt auf einen Avocadobaum direkt am Eingang, dahinter leuchten zu Tausenden Früchte in Orange und Gelb zwischen sattgrünen Blättern vor dem Profil der Tramuntana-Berge. Bäume voller Orangen, Mandarinen, Zitronen, wohin das Auge reicht.

Warum Orangen-Bäume wie Kinder sind

Das ganze Ausmaß wird erst deutlich, als uns Bartolomé, genannt Tomeu, mit Sammelkorb und Spezialschere bewaffnet immer weiter in die Plantage hineinführt. Auf rund 5.000 Quadratmetern, so viel wie sechs Handballfelder, zieht der Landwirt seine Bäume hier groß. „Sie sind wie Kinder“, sagt der 64-Jährige, „man muss sie füttern und sieht ihnen beim Wachsen zu.“ Orangenbäume, vor allem die jungen, lieben Wasser und mögen keinen Frost. Bis zu einer Temperatur von drei Grad sei alles in Ordnung.

Fast ganzjähriger Anbau möglich

Tomeu Oliver ist in Sóller geboren und baut in dritter Generation Zitrusfrüchte an. In einem guten Jahr produziert er zehn Tonnen Orangen und sechs Tonnen Zitronen. Orangen und Zitronen könne man hier im Tal fast ganzjährig anbauen, sagt der Landwirt. Sóller hat auch eine eigene, ganz besondere Orangen-Sorte: die Canoneta. Diese naranjas sind frühestens im März ausgereift. Die eher kleine, weniger pralle Frucht zeigt, dass es auch bei Orangen auf die inneren Werte ankommt. „Das ist mein Favorit, sie ist süß und hat den meisten Saft, perfekt zum Pressen“, sagt Tomeu Oliver. Neuerdings pflanze man Variationen davon an, um das ganze Jahr über produzieren zu können. Sóller sei regenreich und biete dafür beste Voraussetzungen.

Oliver baut jedes Jahr tonnenweise Orangen, Zitronen und Mandarinen auf Mallorca an. Nele Bendgens

Ernte überwiegend von Hand

Bei den Clementinen und Mandarinen habe hingegen die Sorte Marisol ihren Platz auf den Märkten der Insel behauptet, erzählt Tomeu Oliver. Er erntet die Zitrusfrüchte noch überwiegend von Hand durch Abdrehen und Abschneiden per Schere – mittlerweile kommen in anderen Regionen schon Schüttelmaschinen zum Einsatz – und verkauft seinen Ertrag auf den Märkten in Inca und Palma. Nicht so in Sóller, wo die goldene Regel laute: „en campo no se vende“ (vor Ort wird nicht verkauft). „Mein Großvater hat vor dem Rathaus in Inca angefangen, mein Vater folgte neben der Markthalle, und dort stehe ich heute noch“, sagt Tomeu Oliver.

Kilopreis: 1 Euro

Aktuell kostet ein Kilo Orangen bei ihm einen Euro. Produkte im Supermarkt würden oft an Geschmack einbüßen, weil sie zu früh und unreif gepflückt werden und erst nach Wochen beim Verbraucher landen, nachdem sie in Kühlhäusern und Lastwagen lagerten, sagt er. Dass es zwischen Juli und Oktober auf Mallorca wenig oder keine Orangen gibt und man dann Supermarkt-Importe aus Südafrika zum Saft presst, sollten Orangen-Fans wissen.

Neu: Avocados

„Wir haben begonnen, auch Avocado anzubauen, weil die Leute danach verlangen“, erzählt der Landwirt und zeigt auf den Baum mit den länglichen, dunkelgrün glänzenden Früchten, die nichts mit der oft matschigen oder aber viel zu festen Supermarkt-Auswahl gemeinsam haben. Der Avocadoanbau sei relativ neu auf der Insel. Traditionelle Produkte werden die tropischen Gewächse aber nicht ersetzen, ist sich Oliver sicher.

Wenn die Nachfolger fehlen

Das mallorquinische Landleben aber, wie man es seit Jahrzehnten kennt, wird es seiner Ansicht nach bald nicht mehr geben. Wie lange der 64-Jährige die körperliche Arbeit noch machen kann, weiß er nicht. Dazu gehört, ab 8 Uhr morgens bei Wind und Wetter auf unebenem Gelände an Bäumen herumzuklettern oder kiloschwere Früchte-Kisten zu heben. Ein Rückenleiden hat er bereits. Nur ein Mitarbeiter hilft ihm. Seine beiden Töchter sind Anfang 30 und widmen sich in Palma akademischen Berufen fernab der Landwirtschaft. Einen Generationenwechsel im Hause Oliver wird es also nicht mehr geben. Zum Glück seien da aber junge Agraringenieure, die die Sóller-Tradition mit modernem Gerät fortsetzen, erzählt Tomeu Oliver.

Fokus auf Online-Vertrieb

„Die Essenz des Wissens um den Orangenanbau bleibt in Sóller“, sagt auch Franz Kraus über die Initiative der jungen Ingenieure. „Sie pachten Felder, weil viele der Inhaber mittlerweile zu alt sind.“ Mit seiner Marke Fet a Sóller behauptet sich der Deutsche seit mehr als 30 Jahren im Vertrieb und in der Weiterverarbeitung der Zitrusfrüchte im Tal von Sóller. Der 66-Jährige kommt selbst aus einer Familie, die Obsthandel betrieb. Im Gegensatz zu Traditionsbauern mit Marktständen wie Tomeu Oliver setzt Fet a Sóller auf Online-Vertrieb und verkauft europaweit die pestizidfreien und ungewachsten Orangen. Neben der Canoneta gehört hier auch die Navelina dazu, die „Winterorange“.

Eine Plantage sei erst dann rentabel, wenn der Anbau zu hundert Prozent verkauft werden könne, das dauere bis zu 15 Jahre, erklärt Franz Kraus. Aufgrund der Hanglage sei die Produktivität in Sóller geringer als etwa in Valencia, das für seine Saftorangen weltbekannt ist. Dort nutze man Tropfsysteme. Hingegen habe die Sóller-Orange einen besonderen Geschmack, weil man „archaisch“ per Hand bewässere und feuchtere Böden erhalten könne. Die Quellen sind Eigentum des Landbesitzers, ein Quellmeister teilt je nach Zahlung minütlich oder stündlich Wasser zu.

Ziel der Agrarkooperative

Auch sonst weiß man sich im Tal von Sóller zu organisieren. Der 1899 gegründeten Agrarkooperative gehören aktuell mehr als 350 Betriebe an. Ziel ist es, die Landschaft und Erträge der UNESCO-Weltkulturerberegion zu schützen – ob auf ganz traditionelle Art wie bei Tomeu Oliver oder mithilfe moderner Mittel wie bei Franz Kraus und Fet a Sóller.

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