Eigentlich ist Hans Blossey am Himmel über Nordrhein-Westfalen zu Hause. Inzwischen mehr als 300.000 Luftaufnahmen zeigen Natur und Industrie, Metropolen und Dörfer des Bundeslandes – von Aachen über Korschenbroich bis Zülpich. Die Reihen von Ordnern und Unterordnern, die auf seiner Website hochgeladen sind (luftbild-blossey.de), erfassen nicht nur die Geografie Nordrhein-Westfalens scheinbar lückenlos. Auch die Veränderungen in der Infrastruktur seit den 80er-Jahren oder zuletzt etwa die dortige Überschwemmungskatastrophe hat der journalistische und gewerbliche Luftbildfotograf dokumentiert.

Und dann findet sich zwischen Ruhrgebiet, Kreis Soest und Niederrhein Mallorca. „Es war vielleicht Liebe auf den zweiten Blick“, meint Blossey. Die Insel kenne er zwar schon von früher. Aber erst bei längeren Aufenthalten in den vergangenen Jahren habe er entdeckt, wie fantastisch Mallorca jenseits der touristischen Hotspots sei. Und weil auch der Verlag, in dem der Deutsche bereits mehrere Fotobücher mit Luftaufnahmen in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht hat, um das Potenzial der Insel weiß, gibt es jetzt „Mallorca von oben“ als Kalender und Buch.

Im Raum Inca gelang dem Fotografen das Bild von einer Finca, auf der jeder verfügbare Raum für eine Solaranlage verwendet worden ist. | FOTO: HANS BLOSSEY

Im Gegensatz zu Deutschland, wo der 69-Jährige mit eigenen Fluglizenzen und dem eigenen Flugzeug in die Luft gehen kann und dabei sogar Pilot und Fotograf gleichzeitig sein darf, war er auf Mallorca auf Hilfe angewiesen. Er charterte eine rund 60-jährige Piper PA18, die während der Sommersaison Transparente mit Werbebotschaften am Himmel über den Stränden flattern lässt, und ließ sich vom Kleinflughafen Son Bonet in der Gemeinde Marratxí über die Insel fliegen. In rund 20 Flugstunden verteilt über zwei Jahre entstanden so mehr als 10.000 Fotos – geplant und routiniert, aber immer wieder auch spontan.

Struktur von oben

Eine „riesengroße Freude“ sei es gewesen, als er eine Finca ausmachte, die buchstäblich von Fotovoltaik-Anlagen umzingelt ist. Kreisverkehre und Autobahnkreuze waren willkommene Elemente für klare Bildstrukturen. Und auch wenn sich das Ausmaß der Zersiedelung gerade in Mallorcas Südwesten aus der Vogelperspektive besonders deutlich gezeigt habe, genoss Blossey immer wieder den Blick aus dem Flugzeug auf die historisch gewachsenen Ortskerne mit ihren bis heute erhaltenen Strukturen. Im Gegensatz zu Deutschland wurden auf der Insel schließlich keine Gebäude durch Bomben im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Die Serra de Tramuntana an der Nordwestküste Mallorcas zog Blossey ebenfalls in seinen Bann, „ich habe nicht mit einer so schroffen Landschaft gerechnet“. Zumal dazwischen immer wieder Bergdörfer, Buchten und Strände auftauchten. Das war nicht nur eine Herausforderung für den Profifotografen, sondern wegen der Felskanten und Abwinde auch für den Piloten des Sportflugzeugs.

Am liebsten wäre Blossey auch nachts in die Luft gegangen. Stimmungsvolle Motive von ihm aus dem Ruhrgebiet lassen erahnen, wie auch Mallorcas Dörfer und Städte im nächtlichen Lichtermeer hätten erstrahlen können. Doch Nachtflüge seien auf dem kleinen Flughafen von Son Bonet nun einmal nicht erlaubt. Und gern hätte Blossey auch einen längeren Zeitraum auf seinen Fotos abgebildet, um Veränderungen ähnlich wie in seiner nordrhein-westfälischen Heimat zu dokumentieren.

„Mallorca von oben“ ist natürlich kein Neuland, gerade von Mallorcas berühmten Badebuchten gibt es jede Menge Luftaufnahmen. Aber „jeder Fotograf hat seinen eigenen Stil zu fotografieren“, meint Blossey. Und da wären außerdem seine jahrzehntelange Erfahrung und der journalistische Blick auf die Welt: Bevor sich Blossey als Luftbildfotograf selbstständig machte, war er in den 90er-Jahren für die Seite-eins- und die Reportage-Redaktion der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ verantwortlich und bekam dort „Schönes wie Schreckliches“ vor die Linse, wie er sagt.

Und so finden sich in dem jetzt erschienenen Buch zwischen den bekannten Blickwinkeln immer wieder auch Fotos, die neue Perspektiven auf die Urlaubsinsel eröffnen und selbst Mallorca-Insidern die Verortung mitunter schwermachen. Weitere Beispiele dafür zeigt die Mallorca Zeitung in Kürze: In einem Fotoquiz können die Leser Woche für Woche testen, wie sehr Ihnen die Insel vertraut ist, und mit etwas Glück auch ein Exemplar des neuen Fotobuchs gewinnen.