Mallorca Zeitung

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Das Geheimnis der Luftschutzbunker von Palma de Mallorca

Im Spanischen Bürgerkrieg entstanden zahlreiche "refugis" zum Schutz vor Luftangriffen. Bartomeu Fiol erforscht das weitgehend vergessene und zugemauerte Erbe seit fast 30 Jahren und hat seine Erkenntnisse nun in einem Atlas dokumentiert

Nur wenige Luftschutzbunker in Palma sind öffentlich zugänglich - und auch nur manchmal. Fiol/Feldmeier

Bartomeu Fiol hat Handleuchten mit dabei, für alle Fälle. Der frühere Luftschutzbunker unter dem Museum Es Baluard in Palma verfügt zwar über eine moderne Beleuchtung, „aber wegen der Feuchtigkeit ist sie ständig kaputt“, erklärt der Mallorquiner. Fiol führt uns durch einen Nebeneingang des Museums nach unten, durch den Aljub hindurch, einen früheren Wasserspeicher, der nun als Veranstaltungssaal genutzt wird, bis zum Eingang eines dunklen Ganges. Hier, rund zehn Meter unter dem Museum, ist es angenehm kühl, die Stimmen hallen zwischen den kalkverputzten Wänden wider, der Blick reicht nur bis zu einer Kurve.

Dieses Zickzack an den Eingängen ist typisch“, erklärt Fiol, „so wurden die Menschen im Bunker bei der Explosion von Bomben vor herumfliegenden Splittern geschützt.“ Weitere Sicherheitsmaßnahme: Es gab gleich drei verschiedene Eingänge – für den Fall, dass einer von ihnen nach einem Bombenabwurf verschüttet worden wäre. Mal eine halbe Stunde, mal länger harrten hier im Bürgerkrieg bis zu 248 Personen aus. Für so viele zumindest war der Bunker unter Es Baluard konzipiert – eine Berechnung nicht nur aufgrund der Quadratmeter, sondern auch des verfügbaren Sauerstoffs in den Tunnelgängen. „Man fürchtete Giftgasangriffe, der Bunker konnte deswegen hermetisch geschlossen werden“, sagt Fiol.

Private und öffentliche Bunker

Das refugi unter Es Baluard ist einer von rund 130 Luftschutzbunkern, die während des Spanischen Bürgerkriegs (1936–1939) im Auftrag der damaligen Militärverwaltung angelegt wurden, teils mit Hacke und Schaufel, teils auch mithilfe von Dynamit. Die Anlagen entstanden unter Krankenhäusern, institutionellen Gebäuden, Fabriken, Kinos, Schulen. Letztere durften erst wieder öffnen, wenn sie einen eigenen Bunker vorweisen konnten. Hinzu kamen schätzungsweise 600 Schutzräume, die Privatleute unter Wohnhäusern im Erdreich anlegten. Eine genaue Zahl lässt sich schwer ermitteln, viele wurden nach Kriegsende zugeschüttet, zugemauert, gerieten in Vergessenheit.

Knapp 100 Bunker dokumentiert Fiol jetzt mit Fotos, Lageplänen und ausführlicher Beschreibung in einem Buch, das die Stadtverwaltung von Palma herausgegeben hat („Atles dels refugis antiaeris de Palma“). Der Mallorquiner ist kein Historiker, sondern Ingenieur. Seine Leidenschaft für das vergessene Erbe des Bürgerkriegs weckte vor rund 30 Jahren der Eingang zu einem Bunker, der bei Bauarbeiten in einem Ladenlokal der Familie entdeckt wurde. Fiol stellte in den folgenden Jahrzehnten Nachforschungen an, befragte Zeitzeugen, wurde bei Ämtern vorstellig, suchte in Archiven und nutzte immer wieder Bauarbeiten, um sonst unzugängliche Bunker betreten und vermessen zu können. Im Laufe von fast drei Jahrzehnten fügten sich so die Puzzleteile zu einem Bild über die Strategie der „passiven Abwehr“ im Bürgerkrieg zusammen – auch wenn nach wie vor die Mehrzahl der Bunker unentdeckt und die Dokumente darüber verschollen seien.

l Bartomeu Fiol – hier vor dem Bunker Passeig de Sagrera-Carrer de Sant Pere – führt ab und an Gruppen durch die Anlagen. | FOTO: JAUME BAUZÀ

Der historische Hintergrund

Mallorca war gleich zu Kriegsbeginn in die Hände der Aufständischen unter dem Putschisten und späteren Diktator Francisco Franco gefallen. Die Gegend um Barcelona dagegen gehörte dem republikanischen Lager an. Von dort starteten ab Juli 1936 Flugzeuge in Richtung Mallorca. Das aufständische Militär hatte den Angriffen anfangs wenig entgegenzusetzen. Erst später sollte sich das Blatt wenden, als deutsche und italienische Soldaten auf Seiten der Putschisten eingriffen und von Mallorca aus Barcelona bombardierten.

Der Bau von Bunkern war zwar schon vor Kriegsausbruch auf den Weg gebracht worden: Die republikanische Regierung hatte 1935 die Gründung von Komitees beschlossen, die im Hinblick auf künftige kriegerische Konflikte im ganzen Land passive Verteidigungssysteme planen sollten. Das wurde aber auf Mallorca auch mit Ausbruch des Bürgerkriegs noch nicht ernst genommen – bis zum Mai 1937, als bei schweren Bombenangriffen mehr als 40 Menschen in Palma zu Tode kamen.

Die Bunker sollten ihren Dienst tun. „Mir ist keiner bekannt, der durch eine Explosion eingestürzt wäre“, sagt Fiol, während er im Licht des Scheinwerfers im Tunnel vorangeht. Wurden Flugzeuge gesichtet, warnten Sirenen und Kirchturmglocken die Bevölkerung vor der Gefahr. Die Zuflucht war in der Regel nicht weit – die Karten im Atles dels Refugis vermitteln den Eindruck, dass halb Palma unterkellert wurde. Besonders beeindruckt hat Fiol etwa der Bunker im Carrer de la Confraria de Sant Miquel mit einer Kapazität für 632 Personen. Einer der drei Eingänge und eine scheinbar endlose Treppe, die 54 Stufen in die Tiefe führt, wurden bei Bauarbeiten 1999 entdeckt.

Frank Feldmeier

Rettung im Zugtunnel

Ein Kapitel für sich ist der Túnel del Tren, eine 1931 in Betrieb genommene Eisenbahnlinie, die unterirdisch den Hafen von Palma mit der Plaça d’Espanya verband. Als der Bürgerkrieg ausbrach, wurde der Tunnel zu einem Luftschutzbunker mit einer Kapazität für 30.000 Menschen umfunktioniert. Zu diesem Zweck entstanden entlang der Strecke zahlreiche Zugänge. Da die Eisenbahnlinie auch während des Krieges dem Gütertransport diente, kam zusätzlich ein Signalsystem zum Einsatz, das die Lokführer bei Fliegerangriffen warnte: Der Zug konnte rechtzeitig anhalten, bevor Menschen den Tunnel betraten. Mit Kriegsende wurden die seitlichen Zugänge wieder zugemauert, die Eisenbahnlinie dann 1965 außer Betrieb genommen, der Tunnel versiegelt.

Nach dem Bürgerkrieg

Andere Bunker fanden erst nach dem Bürgerkrieg ihre Vollendung. Schließlich war es nicht ausgemacht, dass Spanien unter dem Franco-Regime im Zweiten Weltkrieg neutral und bei den Kriegshandlungen außen vor bleiben würde. Derlei Vorkehrungen zeigt der Bunker unter der damaligen Prefectura d’Aviació, nahe der Plaça de la Porta des Camp. Das Provisorium, das im Bürgerkrieg entstand, wurde anschließend zu einem mit Marés verkleideten und mit Bänken möblierten Bunker. Aus Furcht vor Gasangriffen wurde sogar eine Maschine zur Luftumwälzung installiert. Wie Fiol dokumentiert, handelt es sich dabei um ein deutsches Modell, das im Jahr 1938 in der Aerzener Maschinenfabrik hergestellt worden war.

Zu den Bunkern der Militärverwaltung hatte die Zivilbevölkerung keinen Zutritt – man fürchtete Sabotage. Das galt auch für das refugi unter Es Baluard, früher Kommandozentrale der Artillerie. Direkt daneben befand sich aber ein öffentlicher Bunker, das vergitterte Tor prangt weithin sichtbar in der Festungsmauer neben dem Paseo Marítimo. Geöffnet wurden diese wie auch andere Anlagen bislang nur zu besonderen Anlässen. Ohne Erfolg spricht sich Fiol für eine Musealisierung und permanente Öffnung aus – jetzt, da sein Atlas das Erbe schon mal vor dem Vergessen gerettet hat.

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