Mallorca Zeitung

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Wir schreiben das Jahr 1585. Vier Samurai schauen auf Mallorca vorbei

Die japanischen Gesandten gelangten bei einer Europa-Mission auch auf die Insel. Jetzt wird bei einer Feierstunde in der Pilgerstätte Lluc ihrer gedacht

Das Flugblatt zeigt Itō Mancio, Chijiwa Miguel, Hara Martinho und Nakaura Julian sowie den Jesuiten Diogo de Mesquita. KYŌTO UNIVERSITY LIBRARY

Der Text auf dem Flugblatt von 1586 ist auf Deutsch, aber nicht leicht zu verstehen. „Newe Zeyttung auß der Insel Japonien“, lautet die Überschrift, wobei „Zeyttung“ damals noch Nachricht bedeutete. Berichtet wird von „vier Jüngling und Gesandten auß Japon, mit Namen Mancius, Julianus, Martinus und Michael“ und ihrer Reise nach Europa, wo sie einer Papstaudienz beiwohnten. „Und nachdem sie Neaples, Venedig und Mayland besucht, durch Hispanien wider haimwartz gezogen sein, sampt einem Priester der Societet IESU, P. N. Meschita genannt, der sie im Christlichen Glauben underwisen, und die drey Jar, so sie aus Japon biß gehn Rom, auff Wasser und Landt ihr Raiß zugebracht, das gelayt geben.“

Das zu Augsburg gedruckte Flugblatt handelt von der Tenshö-Mission: In einer Zeit, in der Missionare das Christentum in Japan verbreiteten, machten sich im Jahr 1582 vier junge Samurai – also Mitglieder des japanischen Kriegerstandes – im Alter zwischen 13 und 14 Jahren in Begleitung von Jesuiten auf den Weg ins christliche Abendland. Die achtjährige Odyssee sorgte für viel Aufsehen. Was das Flugblatt nicht berichtet, ist ein Abstecher der Gesandten nach Mallorca. Auf einer überlieferten Karte ist jedoch die Reiseroute nachzuvollziehen: Von Alicante ging die Schiffsreise 1585 via Mallorca nach Livorno und Pisa.

Zuflucht an Mallorcas Küste

„Sie wurden bei der Überfahrt von einem Unwetter überrascht“, erklärt Perfecte Acosta, Vorsitzender der Kulturvereinigung Rey-dô in Porto Cristo. Das Schiff musste an der Küste von Alcúdia anlegen, wohl am 19. Februar 1585. So ist es der Karte zu entnehmen, auf der die Reiseroute dann weiter bis Italien führt. Und jetzt, genau 439 Jahre später, soll bei einer interkulturellen Feierstunde in der Pilgerstätte Lluc am 18. Februar jener Begegnung der Kulturen gedacht werden. Vorbild ist eine ähnliche Veranstaltung in der katalanischen Pilgerstätte Montserrat, die seit 2009 stattfindet.

Begeistert sich für die japanische Kultur: Perfecte Acosta.  FOTO: SEBASTIÀ SANSÓ

Begeistert sich für die japanische Kultur: Perfecte Acosta. FOTO: SEBASTIÀ SANSÓ Frank Feldmeier

Acosta ist seit vielen Jahren Feuer und Flamme für die japanische Kultur. Auslöser dafür war eine arthritische Erkrankung, bei deren Diagnose sein Arzt Sport empfahl. Der gebürtige Katalane probierte daraufhin Jiu-Jitsu aus, die von den japanischen Samurai stammende Kampfkunst der waffenlosen Selbstverteidigung. Sport, Kultur und Geschichte zogen ihn immer stärker in den Bann, es entstand auch die katalanisch-balearisch-japanische Vereinigung Wa Rei Ryu.

Die vielfach dokumentierten Begegnungen bei der Tenshö-Mission in Spanien und Italien lassen den Kulturschock ebenso erahnen wie die gegenseitige Neugier, die diese Bildungsreise der frühen Neuzeit prägte. Man könne sie als eine Art Public-Relations-Event beschreiben, urteilt die Japan-Expertin Pia Jolliffe in einem wissenschaftlichen Artikel: Einerseits sollte in Europa das jesuitische Missionswerk in Japan bekannt gemacht werden, andererseits in Japan die christliche Kultur stärker geachtet werden. Die vier Jünglinge waren für diese Mission bestens geeignet: Adlige, die im 1580 in Nagasaki gegründeten Jesuitenseminar Latein sowie japanische Kultur und Sprache lernten, aber auch Instrumente und Gregorianischen Gesang.

Lissabon, Madrid, Alicante

Die Reise startete im Februar 1582 in Nagasaki. Nach Aufenthalten in Macau und Goa erreichte die Gesandtschaft im August 1584 Lissabon, wo eine lange Folge herrschaftlicher Audienzen und theologischer Begegnungen begann: Toledo, Madrid, Alicante. Dann Mallorca. „Die Chroniken handeln von der Insel ohne Bezug zu dem, was sie hier taten oder wo sie waren“, sagt Acosta. Der Abstecher, nur eine Fußnote in einer abenteuerlichen Mission.

Die Eindrücke von den Japanern waren aber wohl überall ähnlich. „Sie registrieren alles, was sie sehen, aber sie wundern sich nicht viel, worin sich ihr edler und großer Geist zeigt“, so ein italienischer Zeitzeuge, der den Samurai umfassende Sprachkenntnisse, aber mittelmäßiges Spanisch bescheinigte. Sie spielten Cembalo, Gitarre und Lyra, tanzten und beherrschten das Kartenspiel trucco. Exotik und Vertrautheit als ideale Kombination.

Dann der Papstbesuch

Dass auf der Insel offenbar wirklich nichts von großer Tragweite passierte, dafür spricht, dass die Gesandten angehalten waren, alles Gesehene zu notieren. Der Jesuitenpater Diogo de Mesquita, der sie begleitete, führte ebenfalls Tagebuch. Vielleicht wurden die Insel-Eindrücke aber auch von den Erlebnissen in Italien in den Schatten gestellt. Die Audienz bei Papst Gregor XIII. am 23. März 1585 war der Höhepunkt der Reise. „Anscheinend stiegen dem Papst beim Anblick der jungen Japaner die Tränen in die Augen“, schreibt Jolliffe. Es gab Prozessionen und Salutschüsse, Umarmungen und Wangenküsse – der Mission wurde in Rom angesichts der Gegenreformation große symbolische Bedeutung zugemessen. Und da der 84-jährige Papst am 10. April verstarb, erlebten die Japaner auch gleich die Einführung seines Nachfolgers Sixtus V. – zwei Päpste auf einen Schlag. Reich beschenkt ging es im Juni über Venedig, Verona und Mailand nach Barcelona zurück. In Katalonien ist ein Besuch in Montserrat überliefert, wo die heutige Basilika kurz vor ihrer Einweihung stand.

Bei der Rückkehr nach Nagasaki 1590 hatte sich Japan verändert. Ein neuer Herrscher wies das Christentum in seine Schranken, 1614 sollte es verboten werden. Die Wege der jetzt erwachsenen Gesandten trennten sich und würden Stoff für eigene Geschichten liefern. Geblieben sind von der Mission nachhaltige Eindrücke, die das gegenseitige Bild prägten. Auch eine Druckerpresse hatten die Japaner im Gepäck. Auf ihr sollten neben ihrem Reisebericht zahlreiche weitere Bücher erscheinen.

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