Mallorca Zeitung

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Sorge um die Zukunft der traditionellen Oster-Prozessionen auf Mallorca

Wenn in Palma die Büßer durch die Straßen ziehen, scheint die Zeit stehen geblieben. Das täuscht: Auch der Semana Santa gehen immer mehr Gläubige verloren, wie der diesjährige „Verkünder“ der Karwoche im Interview erklärt

"Christus sollte im Mittelpunkt der Prozessionen stehen", findet Juan Soria Charneco B. Ramón

Der 1981 geborene Juan Soria Charneco ist seit rund 30 Jahren, erst als Musiker, dann auch als Büßer Mitglied in den Bruderschaften (cofradías), die zu Ostern durch die Straßen von Palma de Mallorca ziehen. Aktuell gehört er der Cofradía von Santa Creu an, also der Bruderschaft jener Kirche, in der auch die deutschsprachige katholische Gemeinde ihren Sitz hat. In diesem Jahr kam ihm eine Schlüsselrolle zu: Als pregonero war er es, der die Karwoche am 15. März offiziell im Kloster Santa Clara ausrief. „Eine wahre Ehre“, findet er.

Was hat Sie zu Ihrer Rede inspiriert?

Ich spreche von der Karwoche aus drei Perspektiven: dem Glauben, der Kultur und dem Gefühl. Die meisten von uns treten den Bruderschaften aufgrund familiärer Bindungen bei, deshalb ist es von außen schwer zu verstehen. Ich versuche zu vermitteln, was wir empfinden, wenn wir einen Prozessionszug sehen, der uns bewegt. Viele von uns erinnert es an unsere Familie oder Freunde.

Gerade gegenüber Jugendlichen ist es nicht leicht, diese Leidenschaft der Büßer zu vermitteln. Wie kann es trotzdem gelingen?

Das ist eine Frage, die uns Brüder immer wieder beschäftigt. Wir wissen, dass es in Zukunft weniger Gläubige und mehr Agnostiker geben wird. In gewisser Weise haben wir eine apostolische Funktion: mehr Menschen für die Karwoche zu gewinnen. Aber es stimmt, die Zukunft macht uns Sorgen.

Andalusischer Einfluss

Die größten und wichtigsten Prozessionen finden in Andalusien statt. Es gibt Kritiker, die gegen den andalusischen Einfluss in der Karwoche in Palma sind. Was denken Sie?

Ich verstehe beide Seiten, aber die Geschichte und die Art, die Karwoche in Palma zu verstehen, haben nichts mit der in Andalusien zu tun. Die mallorquinische Version ist schlichter, obwohl sie natürlich auch Einflüsse aus Sevilla aufweist. Die Andalusier sind über ganz Spanien verstreut und sie haben ihre Traditionen mitgebracht, vor allem den jaleo, den Trubel. Dabei gibt es in Sevilla auch stille Prozessionen, wie die des Gran Poder, die ich gerne hier sehen würde. Auch, dass manche pasos (Monumente, Anm. d. Red.) auf Schultern getragen werden, ist andalusischer Herkunft, wobei in Palma zu unserem Glück oder Unglück Träger fehlen und sich diese cuadrillas deswegen abwechseln müssen.

Hat sich die Karwoche seit Ihrer Kindheit stark verändert?

Vor allem die Musikgruppen haben sich verändert, es ist eine sehr instabile Welt. Manche Kapellen gründen sich und verschwinden nach zwei Jahren schon wieder. Ich war in verschiedenen Kapellen, aber ich habe es satt. Mittlerweile schätze ich vor allem die Verbindung zu der Bruderschaft, in der ich bin. Aber es gibt auch Musikerkollegen, die immer da sind, unermüdlich. Das ist natürlich auch löblich.

Ging es früher frommer zu?

Es ist offensichtlich, dass die Gesellschaft immer weniger gläubig wird. Wir führen ein Leben in Hektik, und es fällt uns schwer, darüber nachzudenken, wer wir sind und woran wir glauben. Daher gibt es immer weniger Gläubige, und das wirkt sich natürlich auf die Karwoche aus.

Wie verhalten sich die Zuschauer?

Respektieren die Zuschauer die Bräuche während der Prozessionen?

Das kommt ganz darauf an, einige ja, andere weniger. Es stört die Büßer zum Beispiel, wenn Fußgänger mitten durch die Prozession hindurch gehen oder wenn die Prozession wegen eines Autos gestoppt werden muss. Aber wir müssen zusammenleben, und es mögen eben nicht alle Bürger die Karwoche. Ich glaube zudem, dass es in unseren eigenen Reihen mehr Respekt braucht. Es gibt Büßer, die ihre Kapuze abnehmen, um einen Freund zu grüßen, sich mit einem anderen zu unterhalten oder während des Umzugs über Kopfhörer Fußballübertragungen hören. Einige machen Fotos oder gehen in der Kluft, ohne ihr Gesicht zu bedecken, über die Straße. Dabei ist Buße eigentlich anonym. Die Bruderschaften müssen daran arbeiten, ihren Mitgliedern zu erklären, was die Karwoche bedeutet und was sie für ein Vorbild abgeben sollten. Sonst denken die Zuschauer bei den Prozessionen am Ende wegen dieser Dinge und der Süßigkeiten, dass wir uns im Karneval befinden, und das ist natürlich nicht der Fall.

Gab es schon immer so viele Spannungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Bruderschaften?

Es ist klar, dass wir die Unterschiede der einzelnen Vereinigungen hinter uns lassen müssen, um zu verstehen, dass die 33 Bruderschaften von Palma eine Einheit sind. Es ist ein ständiges Gezerre, aber das ist in vielen anderen Bereichen ja auch so.

Auch die Art und Weise, wie die Prozession am Gründonnerstag verläuft, ist umstritten. Was halten sie von der Lösung, die die Veranstalter in diesem Jahr anstreben?

Es wird eine kürzere Route geben, damit mehr Publikum kommt. Hier erleben wir die Karwoche auf eine andere Weise als beispielsweise in Andalusien. Denn obwohl die Menschen gläubig sind, halten sie keinen Prozessionszug von sieben oder acht Stunden aus, wie er bisher am Gründonnerstag üblich war. Für die Bruderschaften, die ganz hinten mitliefen, war es in der Vergangenheit sehr entmutigend, wenn sie die Prozession begannen und bereits niemand mehr auf der Straße war, um zuzusehen, weil alle bereits nach Hause gegangen waren. Trotzdem fand ich persönlich die alte, schließlich verworfene Route besser. Da wurde die Christus-Statue aus der Kathedrale herausgetragen und war somit früher mit auf der Straße dabei. So, wie es jetzt geplant ist, kann es sein, dass er erst um Mitternacht oder ein Uhr morgens herausgetragen wird. Das Problem ist, dass der Gründonnerstag zu einem Schaufenster geworden ist. Jede Bruderschaft will sich präsentieren, aber der Hauptdarsteller sollte Christus sein.

Was hat die Tradition der Semana Santa für eine Zukunft?

Ihr Überleben hängt von uns ab. Wenn wir uns nicht anstrengen, werden einige Bruderschaften Schwierigkeiten haben, weil ihnen die Mitglieder ausgehen.

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