Natürlich könnte man diese Rezension jetzt im Stil des zu besprechenden Buches schreiben. Also eine völlig alltägliche Ausgangssituation nehmen, eine nicht unerhebliche Menge Selbstverliebtheit hinzufügen und mit diversen Insiderwitzen, kulturellen Referenzen und Absurditäten zuballern, bis man ausreichend kaschiert hat, ob man eine Geschichte zu erzählen hat oder nicht. Gut ist, wenn man nebenbei noch persönliche Freunde in den Text einbaut.

Also ungefähr so: Ich sitze in der Redaktion der Mallorca Zeitung und versuche einen total kreativen Einstieg für meine Rezension von Joan Miquel Olivers neuem Buch 'Alexandra Schneider und ihr Casiotone' zu finden. Neben mir sitzt Kollege Krayer vor seinem Computer und snackt ein Trüffelquadrat aus dem Automaten zum Nachtisch. Ich habe es immer eher mit Kate Moss gehalten, dass nichts so gut schmeckt, wie sich Dünnsein anfühlt. Plötzlich kommt Sepp Blatter in die Redaktion geschneit. Er trägt ein Tutu aus Wirsingblättern und einen Hut aus Marderpelz. Er spricht mich auf Latein mit starkem belgischen Akzent an, während seine Worte auf Farsi auf seinem Schlüsselbein untertitelt werden: „Patrick, hör auf, so einen Quatsch zu schreiben, du verlierst gerade das Interesse der Leser." Ich gebe ihm recht.

Wo war Sepp Blatter?

Es wäre interessant zu erfahren, inwiefern Joan Miquel Oliver einen solchen Sepp Blatter hatte, bevor sein Buch in den Druck ging. In dem mit 104 Seiten recht kurz geratenen Roman beschreibt der mallorquinische Sänger, wie er sein ganz ­normales Dasein in seinem Studio in der Altstadt Palmas fristet, als plötzlich eine Seuche die Insel heimsucht. Die Menschen verlieren ihren Verstand und verwandeln sich geistig in Ziegen. Nur er selbst und eine Deutsche mit Dreadlocks, die ­titelgebende Alexandra, bleiben verschont.

Sie treffen auf Albert Pinya, den bekannten mallorquinischen Maler. Pinya hat die letzten beiden Albumcover von Oliver gestaltet. Sie finden heraus, dass eine Alien­invasion für die Vorkommnisse verantwortlich ist und die Ziegen-Mallorquiner allesamt nach Cabrera gebracht wurden. Die Aliens kommen aus der Zukunft und sind Deutsche. Sie verfolgen den perfiden Plan, Mallorca zu besetzen.

Tournee im Weltall

Irgendwann stirbt der Ich-Erzähler Joan Miquel Oliver, sodass Albert Pinya das lyrische Ich übernimmt. Die drei Freunde ­werden von einem kleinen grünen Marsmännchen namens Hans auf den Jupitermond Io gebracht, wo Oliver geklont und damit wiederbelebt wird (womit er wieder zum Erzähler wird).

Da erfahren die drei Freunde auch, warum ihnen das Schicksal Cabrera erspart wurde. Die Aliens haben einen Auftritt Olivers gesehen und waren von seiner Musik fasziniert. Da sie selbst keine Musik haben, erhoffen sie sich Erleuchtung darüber. Olivers Begleiter werden fälschlicherweise für Mitglieder seiner Band gehalten. Die drei lassen sich auf den Deal ein und beginnen eine Tour über die verschiedenen Monde des Jupiters, vor allem jene, die touristisch noch nicht so erschlossen sind und die ein solches Spektakel gut gebrauchen könnten. Aber insgeheim schmieden sie schon Pläne, um Mallorca von den Besatzern zu befreien ?

Das Universum von Joan Miquel Oliver

Man kann natürlich spätestens an dieser Stelle aus der Rezension aussteigen und das Buch für ausgemachten Quatsch halten, der nie gedruckt worden wäre, wäre Oliver nicht einst mit seiner Band Antònia Font bekannt geworden. Aber natürlich hat das Buch auch seinen eigenen Charme. So nimmt der Autor den Leser in sein kleines Joan-Miquel-Oliver-Universum mit. Es ist, als ob Oliver seine Songs genommen hätte, um drumherum einen Roman zu schreiben.

Die Erklärungen des Außerirdischen Hans über das Verhältnis von Zeit und Raum verweisen auf seinen Song „Rumba del temps". Die glucksende Ankündigung, die drei Protagonisten würden bei ihren Konzerten zu Zootieren werden, erinnert an seinen Song „Posidònia", bei dem Oliver die Mallorquiner als Zootiere der Touristen beschreibt. Die Figur des Hans selbst scheint eine Mischung aus den Malereien Pinyas und dem Protagonisten aus Olivers Song „Marcianet de Mart" zu sein. Die Liste ließe sind noch lange fortsetzen. Und das sind nur die Lieder, auf die nebenbei angespielt wird. Teilweise nimmt Oliver Strophen oder ganze Texte von Songs wie „Pegasus" oder „Ecos d'ambulancies" in den Roman auf.

Das alles weiß man allerdings nur, wenn man in den vergangenen Jahren nichts besseres zu tun hatte, als Olivers Soloalben viele Stunden aufmerksam zu hören. Und Oliver geht noch weiter. So beschreibt er in unnötig ausschweifenden Details sein Studio. Oder zählt namentlich die Besucher der von Künstlern frequentierten Bar Rita in Palmas Altstadt auf. Es ist wie eine Einladung für Stalker der mallorquinischen Kulturszene. Wenn es denn so jemanden gibt.Eine Satire auf die Germanisierung

Es drängt sich die Frage auf: Für wen hat Oliver das Buch geschrieben, abgesehen für sich selbst und seine Freunde aus der Bar Rita? Für Menschen, die gerne katalanischsprachige Bücher mit deutschen Titeln lesen?

Natürlich kann man es als Satire auf die Germanisierung Mallorcas verstehen. Dass der Tourismus und auch der Aufkauf der Insel Oliver Sorgen bereitet, hat er schon auf seinem bisher letzten Album „Atlàntis" zum Ausdruck gebracht. Aber Oliver begeht einen Fehler, wenn er denkt, sein Buch würde an das Album anschließen.

Denn während seine Lieder bis ins letzte Detail ausgefeilte, wunderbare Popsongs sind, wirkt das Buch zusammengeschustert. In seinen Songtexten verbindet Oliver üblicherweise kleine Beobachtungen mit abstrakten Gedankengängen. Der Versuch, dieses Konzept auf Buchlänge auszuweiten, scheitert. Zudem setzt er eine recht große Kenntnis seines eigenen Werkes sowie eine deutliche Affinität zur mallorquinischen Kulturszene voraus, die vielen Passagen erst einen Sinn geben. Für Fans ist das natürlich schön. Für alle anderen bleibt höchstens der Umweg über die Musik. Aber wer wird sich diese Mühe schon machen?

Joan Miquel Oliver, „Alexandra Schneider und ihr Casiotone", L?altra editorial, 104 S., 14,95 Euro