Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Spaniens nächster Superstar: Der Rapper C. Tangana verwandelt Nostalgie in moderne Popmusik

Der Madrilene ist in mancher Hinsicht das männliche Pendant zu seiner Ex-Freundin Rosalía. Sein Konzept: Kulturgeschichte als musikalisches und visuelles Gesamtkunstwerk. Am 24.6. spielt er beim Mallorca Live Festival

Bis ins letzte Detail durchdacht: C. Tangana auf einem älteren Promotion-Bild. | FOTO: ARCHIV/VERANSTALTER

Die Verwandlung begann an einem Ort, der eigentlich nicht dafür bekannt ist, Originalität in der Popmusik zu fördern. Am 21. November 2018 trat C. Tangana als Stargast bei der TV-Show „Operación Triunfo“ auf, einem öffentlich-rechtlichen „Spanien sucht den Superstar“. Er war damals ein aufstrebender Rapper, der mit Songs wie „Mala mujer“ und „Antes de morir“ Charterfolge gefeiert hatte.

An dem Abend trat er im engen weißen Anzug auf, ein rotes Hemd darunter. Begleitet wurde er von Flamenco-Rebell Niño de Elche, der wenige Tage zuvor ein eindrucksvolles Konzert in Palma gespielt hatte. Vor einem Millionen-Publikum spielte C. Tangana die Bolero-Nummer „Un veneno“. Ein hervorragendes, wenngleich bitterböses Lied, in dem er Spitzen gegen die auf Perfektion getrimmte Welt des Castingshow-Pops austeilte. Nur er, ein Percussionist, eine Akustikgitarre – und ein Glas Whiskey. Am Ende verließ er das Set, ohne den Moderator oder das Publikum eines weiteren Blickes zu würdigen.

Ausgangspunkt für "El Madrileño"

Später erzählte C. Tangana in Interviews, „Un veneno“ sei der Ausgangspunkt gewesen für eine künstlerische Suche nach etwas Neuem, die schließlich zur Veröffentlichung des Albums „El Madrileño“ Ende Februar 2021 führte. Das Album katapultierte den heute 31-Jährigen, der mit bürgerlichem Namen Anton Álvarez Alfaro heißt, in die oberen Sphären der spanischsprachigen Popmusik.

Doch schon damals waren viele Grundsteine für das gelegt, was die Kunstfigur C. Tangana heute ausmacht. Zeitgleich mit dem Auftritt in der Castingshow erschien auf Youtube ein Videoclip zu „Un veneno“. Es zeigt in Retrofarben gehalten einen oberkörperfreien Álvarez, der durch Los Angeles mit einem Auto fährt, mit einer Frau rumknutscht, Spaghetti isst, in einem Latino-Club tanzen geht. Ganz am Ende erscheint ein Logo: „Little Spain“. Es ist die Produktionsfirma, die der Musiker gemeinsam mit dem in L. A. lebenden Filmemacher Santos Bacana gegründet hatte und dessen Arbeit bis heute das visuelle Image des Sängers prägt.

Was wäre L.A. mit einer spanischen Einwanderer-Community?

Im Sommer 2021 waren C. Tangana und Bacana im Rahmen des Atlàntida Film Festivals in Palma. Damals erzählten sie, die Produktionsfirma sei aus einer Idee heraus entstanden: Was, wenn die Spanier in Los Angeles eine Einwanderer-Community geschaffen hätten, à la Little Italy. Und dort mit einem nostalgischen Blick zurück auf die Heimat Kultur für Hollywood und die Welt geschaffen hätten?

Aus dem fast noch schüchternen Video zu „Un veneno“ ist eine eindrucksvolle Reihe an Videoclips geworden, die eine Kombination aus Moderne und Tradition der spanischen Kultur darstellen. Zu einer Trauerfeier im tiefsten Spanien zu „Demasiadas mujeres“ kommen in den Clips Little Spain Aufnahmen moderner spanischer Bauwerke, wie etwa dem brutalistischen Meisterwerk Casa Carvajal in Madrid, hinzu.

Zahlreiche Stargäste

Doch auch musikalisch zeigt C. Tangana auf „El Madrileño“ seine tiefe Verwurzelung in der spanischen und lateinamerikanischen Kultur. Das fängt bei den Musikern an, mit denen er die Songs aufgenommen hat. Von der argentinischen Rocklegende Andrés Calamaro, über den uruguayischen Liedermacher Jorge Drexler bis hin zum katalanischen Flamenco-Rocker Kiko Veneno vereint er zahlreiche Legenden auf dem Album. Auch die Gypsy Kings und der brasilianische Liedermacher Toquinho sind dabei.

Zudem sampelt er etwa den 50er-Jahre Kinderstar Joselito, zitiert die 70er-Jahre Schlagerband Los Chicos, Popsängerin Rosario Flores und Schmalzbarde Alejandro Sanz. Tangana schafft es, aus diesem Potpourri an Einflüssen ein kohärentes Pop-Kunstwerk zu schaffen. Seine Mitstreiter zeigen sich beeindruckt von der kreativen Energie des jungen Mannes. Er könne kaum mitkommen bei der Geschwindigkeit, mit der C. Tangana Lieder komponiere, erklärte etwa Jorge Drexler.

Die Sache mit Rosalía

Dass Antón Alvarez musikalisch und textlich begabt war, hatte er zuvor nicht nur mit seinen eigenen Songs bewiesen. Auf dem Durchbruchs-Album „El mal querer“ seiner Ex-Freundin Rosalía ist er auf jedem Lied bei den Songwritern angegeben. Ein Umstand, den er selbst kaum kommentiert. Rosalía, die erst kürzlich das Nachfolgewerk „Motomami“ herausbrachte, ist derzeit übrigens wohl der einzige junge spanische Popstar, der C. Tangana an Ruhm und Anerkennung übertrifft.

Das heißt nicht, dass C. Tangana frei von Kritik wäre. Auf „El Madrileño“ sind viele Gastkünstler zu hören, mit La Húngara ist aber nur eine Frau dabei. Auch ein Foto zur Nicht-Album-Single „Yate“, bei dem er mit einem Haufen junger Frauen im Bikini auf einer Yacht zu sehen war, stieß 2021 auf Kritik bei Feministinnen. Zwei Jahre zuvor hatte eine Unterschriftenkampagne gar ein Konzert in Bilbao verhindert. Grund: Die angeblich sexistischen Texte von Tangana. Dafür erregte das anrüchige, wenngleich in seiner Botschaft äußerst clevere Video zu „Ateo“ mit Sängerin Nathy Peluso, das in der Kathedrale von Toledo aufgenommen wurde, für Kritik bei Katholiken. Der Domkapitular musste nach der Veröffentlichung zurücktreten.

"Sobremesa" bei "Tiny Desk"

Und noch ein Detail ist vom legendären Auftritt von 2018 geblieben: Als C. Tangana bei „Operación Triúnfo“ auftrat, stand auf der Bühne ein kleiner Tisch mit einer Flasche Whiskey. Vergangenes Jahr wurde er zur auf Youtube beliebten Konzertserie „Tiny Desk“ des US-Radiosenders NPR eingeladen. Er präsentierte dort seine Songs an einem großen Tisch mit vielen Musikern. Es sah aus wie eine „sobremesa“, also das in Spanien typische lange Zusammensitzen nach einem guten Essen.

Auf den Konzerten seiner aktuellen Show blieb C. Tangana diesem Konzept treu. Auf der riesigen Bühne in den Stadien in Spanien und Lateinamerika waren ein wenig altmodisch wirkende Galatische aufgestellt, an denen die Musiker saßen. Als Teil dieser Familie, die einst mit einem Auftritt bei einer Castingshow ihren Anfang nahm.

Mallorca Live Festival in Magaluf vom 24. bis 26. Juni

C. Tangana tritt als Headliner am ersten Tag des diesjährigen Mallorca Live Festivals (24.–26. Juni) im ehemaligen Aquapark in Magaluf auf. Es ist die erste Live-Show auf der Insel seit Veröffentlichung des Erfolgsalbums „El Madrileño“ im Februar vergangenen Jahres. Bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals treten auch unter anderem Muse, Christina Aguilera, Franz Ferdinand und Justice auf. Auch zahlreiche bekannte spanische Künstler sind beim Festival vertreten, unter anderem Rigoberta Bandini, Izal und C. Tangana-Produzent Alizz. Die Drei-Tages-Tickets sind ausverkauft, Tages- und Zwei-Tages- Pässe sind ab 65 Euro unter mallorcalivemusic.com erhältlich.

Artikel teilen

stats