Wer in Deutschland mit Poetry Slam in Berührung gekommen ist, verbindet damit wahlweise eher studentische Kneipen-Atmosphäre oder große Theatersäle. Ein Dichterwettstreit zwischen brennenden Kerzen, Regalen mit Gourmet-Produkten, gemütlichem Ledersofa und herumtollenden Kindern? Eher ungewöhnlich.

Doch die im Dezember neu eröffnete Bar Buenavida Club in Palma de Mallorca bietet nun Bühnenpoetinnen und -poeten in genau diesem Ambiente eine Plattform. Am 2. April fand der erste „International Poetry Slam“ statt – wobei es am Ende eine entspannte „Poetry Night“ ganz ohne Wettbewerb werden sollte.

Poesie in entspanntem Ambiente

„Es gibt wahnsinnig viele kreative Leute auf Mallorca, aber ich habe das Gefühl, sie haben kein Verbindungsglied“, sagt Anna Ziegler, die Betreiberin des Lokals, das wie eine Mischung aus Club, Café, Co-Working-Space, Delikatessengeschäft, Galerie und Wohnzimmer wirkt – ein Raum zum Vernetzen. „Das Konzept ist, dass sich hier Künstler jeglicher Sparten präsentieren können.“

Die 40-jährige Österreicherin ist jetzt das dritte Jahr auf der Insel. Obwohl Ziegler alleinerziehende Mutter von vier Söhnen ist und bereits das Garden Café nahe dem Mercat de l’Olivar betreibt, scheint ihr die Energie nicht auszugehen: Als sie die schmucke Bar im Carrer de Font i Monteros entdeckte, zögerte sie nicht lange, weil ihr der Ort perfekt für unterschiedliche Events erschien. Bislang gab es schon Ausstellungen und Pop-up-Stores, freitags finden Jamsessions statt, donnerstags Livemusik. Nun kommt die Dichtkunst hinzu.

Die jüngste Teilnehmerin: „Einhornprinzessin“ Sonia Mercedes Hirschmeier (7). Gaizka Taro

Es ist ein Experiment: Kommt der Vibe rüber, auch wenn man die Sprache nicht versteht?“, sagt Zieglers beste Freundin, die sich den Künstlernamen „Vallemarie“ gegeben hat und selbst zwei Texte auf Deutsch liest. Ansonsten wird an diesem Abend auf Spanisch, Italienisch, Dänisch und Englisch vorgetragen. Martina Hirschmeier, ebenfalls eine Freundin, moderiert spontan. Alles ist noch etwas chaotisch, das Publikum teils ein wenig zu laut, doch eine kleine Gruppe lauscht gebannt und genießt den Klang der Worte. Ungekrönte Königin des Abends: Die siebenjährige Sonia Mercedes Hirschmeier, die sich mit Inbrunst für die Rettung der Einhörner stark macht.

Die Slam-Familie soll wachsen

Perspektivisch soll aus der Poesie-Nacht im Buenavida Club ein „richtiger Slam“ werden, der ein Mal im Monat stattfindet. Dabei wird der „Haus-DJ“, Spoken-Word-Künstler Sebastien Saiban Gavignet alias DJ Camembert, mit von der Partie sein, die Events künftig organisieren, moderieren und so auf ein neues Level heben.

Xisco Ródenas, Vorsitzender des Poetry Slam Palma, findet die Initiative grandios: „Sie wird den internationalen Part stärker abdecken, das ist wunderbar. Es geht darum, dass wir alle zusammenarbeiten“, sagt er zur MZ. Während in Deutschland oft ein Konkurrenzkampf ausbricht, wenn in einer Stadt ein weiterer Slam entsteht, ist davon in Palma nichts zu spüren: „Wir haben kein Patent darauf, Poetry Slams zu veranstalten, und wir wollen, dass immer mehr Leute Texte schreiben, rezitieren und hören“, so Ródenas.

Der „offizielle“, alteingesessene Slam der Stadt existiert seit 2009 und fand lange Zeit im Café a Tres Bandas statt. Seit der Pandemie ist der neue Sitz der Espai Suscultura, der sich besser an die Corona-Regeln anpassen ließ. Einmal im Monat treten Dichterinnen und Dichter mit selbst geschriebenen Texten gegeneinander an. „Jedes Mal sind neue Gesichter dabei“, freut sich Ródenas. Die meisten slammen auf Spanisch oder Mallorquinisch, mitunter ist auch Englisch oder Deutsch zu hören. Für schüchterne Bühnenneulinge gibt es zwischen erster Runde und Finale die Option, ohne Druck und Lampenfieber außerhalb des Wettbewerbs etwas vorzutragen.

Das Event, auf das die Slam-Szene nun hinfiebert, ist jedoch etwas für Profis: Am 9. April findet das große Saisonfinale statt (Karten: ticketib.com). Acht Poetinnen und Poeten, die einen Sieg bei den Qualifikationsslams erringen konnten, kämpfen dabei in drei Runden um die Ehre, Mallorca im Herbst bei den spanischen Meisterschaften im Poetry Slam zu vertreten.

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Unter den Kandidaten ist auch Sion Capçana, der es schon einmal auf den dritten Platz in Spanien geschafft hat. „Mehr als Bühnen-Lyrik gibt es bei uns viele Texte zu hören, die fast schon poetische Erzählungen sind“, sagt Ródenas. „Und wir haben das Glück, dass auf den Balearen das Niveau richtig hoch ist.“