Der Inselduden

Deutsche Theorie und mallorquinische Praxis

Schritt, Versetzen eines Fußes

Der in der Überschrift zitierte Ausspruch des chinesischen Philosophen Konfuzius aus dem 5. Jahrhundert vor Christus besitzt eine deutsche Version, welche aus der Feder des Dichters Johann Wolfgang von Goethe stammt: „Es soll nicht genügen, dass man Schritte tue, die einst zum Ziele führen, sondern jeder Schritt soll Ziel sein und als Schritt gelten.“ Die diesbezüglichen inseleigenen Redewendungen sind zwar wesentlich weltlicher gestaltet, ohne jedoch Gültigkeit einzubüßen; spielsüchtigen und verschuldeten Zeitgenossen wird als Warnung mit auf den Weg gegeben, dass es „vom Spielen zum Klauen nur ein Schritt ist“ (Del jugar al robar una passa domés hi ha).

Doch selbst nach dem Sündigen besteht bei Einsichtigen die Hoffnung, aus den Fehlern zu lernen: „Wer hinfällt und sich wieder erhebt, macht einen Schritt voran“ (Qui cau i s’aixeca, una passa avança). Denn wie der deutsche Schriftsteller und Aphoristiker Gerd W. Heyse bemerkte, ist „Selbsterkenntnis oft der letzte Schritt“. Wesentlich negativer ist die Sicht des französischen Dramatikers Casimir Delavigne, der „jeden Schritt im Leben als Schritt dem Tode entgegen“ empfindet.

Auf der traditionell landwirtschaftlich geprägten Insel hat sich die Bedeutung der Jahreszeiten auch in der Sprache niedergeschlagen: „Zu Weihnachten ist der Tag um den Schritt eines Hahnes gewachsen“ (Per nadal, es dia ha crescut una passa de gall) – am kürzesten Tag und in der längsten Nacht des Jahres am 21. Dezember wird die Wintersonnenwende gefeiert, und die Tage werden wieder länger.

Den ewig schwelenden Streit zwischen Religion und atheistischem Fortschrittglauben brachte die Königin von Navarra und Frankreich gegen Ende des 16. Jahrhunderts, Margarete von Valois, auf den Punkt. Von ihr ist der Satz überliefert: „Die Wissenschaft leitet uns Schritt für Schritt durch das ganze Ausmaß der Schöpfung, bis wie schließlich doch zu Gott gelangen.“