Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagt ein altes Sprichwort. Wer sich schon einmal darüber gewundert hat, warum Spanier immer so schick, gepflegt und frisch geduscht aussehen, während Deutsche schon mal eher schludrig auf die Straße gehen und allzu häufiges Waschen für hautschädlich halten, dem sei ein Blick in die jeweiligen Kinderstuben empfohlen.

„Im spanischen Kindergarten wird das Kind ja eher kurz vorm Abholen noch mal gewaschen, als dass es schmutzig hinausgeht. Und nach jedem Essen wird gewischt und gemacht", meint ­Residentin Juliane Buschhorn, die vor wenigen Jahren in Bremen eine spanischsprachige Kinderkrippe mit spanischen Erzieherinnen betrieb und in den vergangenen Jahren mit ihren beiden Söhnen (heute 6 und 9) Erfahrung mit den spanischen Erziehungsidealen auf Mallorca sammelte. Deutsche Eltern sagen eher: „Mein Kind muss nicht so gestriegelt aussehen."

Und nicht nur beim Thema Sauberkeit scheiden sich die Geister. Deutliche Unterschiede stellten deutsche Eltern auch bei der Ernährung fest. Mutter Jacqueline Fluhr aus Santanyí, deren Tochter Celine (8) auf die Internatsschule im Kloster Lluc geht, staunte nicht schlecht über das Frühstück, das ihrer Tochter dort vorgesetzt wird: Kakao und magdalenas (süße Backwaren). „Bei uns gibt es vernünftiges Brot, Obst und Joghurt." Auch die Schlafenszeiten in Lluc kamen ihr zunächst spanisch vor. Dort schlüpfen die Kleinen um 22 Uhr unter die Decke. „Ist das nicht zu spät?", fragte sich Fluhr. Zu Hause, bei ihren Eltern, ging Celine zwischen 20 und 21 Uhr ins Bett. Aber gehen nicht auch große Spanier tendenziell später ins Bett? Und wer isst hier schon Müsli zum Frühstück? Warum sollte es bei den Kindern anders sein …

Solche Sorgen würde sich Vater Omar Hernández (38) vermutlich nicht machen. Der Mallorquiner geht gern abends ins Kino, und auch seine beiden Töchter Norah (10) und Nerea (7) lieben Filme. „Als die beiden jeweils drei, vier Jahre alt waren, gingen wir das erste Mal ins Kino. Erst vergangenen Freitag waren wir wieder zusammen in einem Film. Das macht ihnen Spaß. Da kamen wir eben erst um 23 Uhr nach Hause." Auch Berührungsängste vor Computern und Elektronik-Spielzeug kennen Omar Hernández und seine Frau Elisa nicht. Während deutsche Eltern oftmals streng die Zeit kontrollieren, die ihre Kinder vor dem Bildschirm verbringen, gibt es bei der Familie in Alaró selbstverständlich einen Computer für die Kleinen, wie auch Playstation, Nintendo und Wii. „Wir haben schon befürchtet, dass sie damit vielleicht zu viel Zeit verbringen. Aber das ist gar nicht so."

Bei seinen deutschen Bekannten ist Hernández aufgefallen, dass diese ihre Kinder auch mal unbeaufsichtigt spielen lassen. „Da würde ich ganz nervös werden. Ich muss immer nah dran sein. Deutsche vertrauen ihren Kindern offenbar mehr, dass sie schon alles richtig machen", sagt er. Auch die in seinen Augen frühe Loslösung vom Elternhaus kann er nicht nachvollziehen. „Ich fände es schon gut, wenn meine Kinder so bis zum Alter von 23, 24 bei uns im Nest bleiben."

Deutsche wiederum wundern sich über das spanische Verhältnis zur Umwelt. Den vergleichsweise weniger intensiven Bezug zu Natur und Tieren erklärt sich Katerina Noack, Inhaberin des Spielzeugladens „Petit Tresor" in Palmas Altstadt, zumindest zum Teil mit der Kindererziehung. „Unsere Töchter haben eine Lupe, um die Käfer im Garten zu beobachten und sie trennen schon heute vorbildlich Müll." Neulich hätten sie mit den zwei- und vierjährigen Töchtern die tote Katze im Garten begraben und danach täglich eine Kerze dort angezündet. „Ich weiß nicht, wie viele mallorquinische Familien würden so ein Theater darum machen?"

Erfreulich hingegen finden viele Deutsche die frühe Förderung spanischer Kleinkinder in den Krippen mit einem ausgearbeiteten Unterrichtsplan. „In Deutschland werden die Kinder viel zu lange dumm gehalten", findet Jacqueline Fluhr.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:

- Patchwork-Familie zwischen den Welten: „Im Zweifel aus dem Bauch heraus"

- Deutschland und Spanien im Vergleich: Das tut man (nicht)

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