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Live-Ticker: So war Tag 1 im Prozess gegen Frank Hanebuth und die Hells Angels in Madrid

Live-Ticker: So war Tag 1 im Prozess gegen Frank Hanebuth und die Hells Angels in MadridJohannes Krayer

Fast zehn Jahre nach der Festnahme von Frank Hanebuth auf Mallorca beginnt an diesem Montag (23.1.) am Nationalen Gerichtshof in San Fernando de Henares vor den Toren Madrids der Prozess gegen 49 mutmaßliche Mitglieder und Komplizen der Rockerbande Hells Angels. Letztlich klagt die spanische Justiz drei Personen mehr an als in der ursprünglichen Anklageschrift vorgesehen.

Die Staatsanwaltschaft fordert insgesamt knapp 300 Jahre Haft für die bei einer Razzia auf Mallorca im Juli 2013 festgenommenen Rocker und ihre Helfer. Allein 13 Jahre soll der ehemalige Chef des Hannover-Charters, Frank Hanebuth, hinter Gitter. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, der Kopf der Bande auf Mallorca gewesen zu sein. Als solcher werden ihm Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Bedrohung und illegaler Waffenbesitz vorgeworfen.

Weitaus höhere Strafen haben aber die beiden Brüder K. Y. und A. Y. zu befürchten. Sie sollen für die "Tagesgeschäfte" der Bande auf Mallorca zuständig gewesen sein und jeweils zwischen 30 und 40 Jahren ins Gefängnis.

Die Ermittler haben für den Prozess viele Stunden lang Telefongespräche abgehört und die Erkenntnisse auf rund 12.000 Seiten zusammengefasst. Daraus wurde die knapp 60 seitige Anklageschrift, die laut der Verteidigung allerdings eine "sehr dünne Beweislage" aufweist.

Wie dünn oder nicht die Beweislage ist, wird sich nun an zehn Prozesstagen an dem für Organisierte Kriminalität und Terrorismus zuständigen Gerichtshof herausstellen. Ursprünglich waren 15 Verhandlungstage angesetzt gewesen. Die MZ berichtet zum Prozessauftakt am Montag und Dienstag live aus Madrid. /jk

Anwältin Vega kommt zur Erkenntnis, dass es zu einer Einstellung des Verfahrens keine Alternative gibt. Der Ermittlungsrichter habe einen groben Fehler gemacht, in dem er die Angeklagten der Tatsache beschuldigt hat, dass sie der "kriminellen Vereinigung" Hells Angels angehören. Es gebe spanienweit legale Hells-Angels-Ableger. Die Richterin beendet die Verhandlung für heute und lädt für Dienstag (24.1.) zum zweiten Verhandlungstag.

Die Anwältin Mar Vega kritisiert die spanische Justiz scharf. Man habe die Unschuldsvermutung, ein Grundrecht, missachtet und stelle eine Vereinigung unter Generalverdacht. Die einzelnen Angeklagten, die aufgrund der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt seien, könnten sich gar nicht zur Wehr setzen.

Inzwischen sitzen nur noch zwei Handvoll Angeklagte im Saal, die anderen sind nach ihren Deals mit der Staatsanwaltschaft bereits verschwunden.

Die Anwältin spricht noch immer und zieht die gesamte Anklageschrift ins Lächerliche. Es werde ausführlich erzählt, was die Hells Angels sind, wann sie gegründet wurden, und ähnliches. Auch, dass ihnen Mallorca gefalle, weil man dort gut leben könne. "Mir gefällt es dort auch", fügt die Anwältin hinzu. Sie wolle kein Indiz auslassen, aber es gebe wenig bis gar nichts Handfestes.

Jetzt geht es um die Definition "kriminelle Vereinigung", die den Hells Angels von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird. Anwältin Vega erklärt, dass es in Spanien 20 eingetragene Hells Angels-Vereine gibt. Und um sich als solchen Verein eintragen zu lassen, bedürfe es eines positiven Berichts des Innenministeriums. "Das heißt also, von der Polizei. Von derselben Polizei, die nun versucht, diesen Verein als verbotene Vereinigung darzustellen", schließt sie.

Anwältin Mar Vega zerreißt förmlich die Anklageschrift und zweifelt die Aussage eines der Zeugen, D. H. an, der zur Zeit seiner Anzeige selbst in ein Betrugsdelikt verstrickt war. "Und man nimmt einfach an, dass die Angeklagten Straftaten verübt haben, weil sie Luxusautos fahren und einen gehobenen Lebensstandard pflegen", sagt die Anwältin.

Die Verhandlung geht weiter. Die Anwältin der Brüder Y., Mar Vega, ficht nun die gesamten Ermittlungen, das Beweismaterial, die polizeilichen Dokumente sowie die Zeugenaussagen an.

Die Verhandlung wird nach den Erklärungen von 33 Angeklagten, die alle den Deals mit der Staatsanwaltschaft zustimmen, noch einmal für 15 Minuten unterbrochen. Einer der Angeklagten erklärt, er habe gar nicht verstanden, wozu er Ja gesagt habe. Sein Anwalt habe ihm ein Zeichen gegeben, dass er zustimmen sollte. Der Unmut über die unzureichende und über weite Strecken gar nicht vorhandene Übersetzung im Saal ist groß. Die meisten Angeklagen können der Verhandlung so gut wie gar nicht folgen.

Es gibt Schwierigkeiten bei der Identifizierung des Angeklagten K.W., der per Videokonferenz zugeschaltet ist. Er hält einen Ausweis in die Kamera, doch der Staatsanwalt ist damit nicht zufrieden. Seine Anwältin bestätigt, dass es sich um die gefragte Person handelt, doch das reicht auch der Richterin nicht aus. Dann geht es auf einmal doch erst einmal so. Die Angeklagten können das Gesehene nicht fassen, tuscheln und murmeln vernehmbar. "So etwas würde es in Deutschland nicht geben", heißt es immer wieder.

K. Y. wird aufgerufen und erklärt sein Einverständnis mit der vorgeschlagenen Strafe von Seiten der Staatsanwaltschaft. Er verzichtet aber auf sein letztes Wort. Er muss eine Haftstrafe antreten. O. R. ist ebenfalls einverstanden. P. A. ist ebenfalls einverstanden. Die Angeklagte I. Y. wird aufgerufen und geht mit dem Deal ebenfalls konform. Nach und nach kommen nun die einzelnen Angeklagten zu Wort und erklären ihr Einverständnis mit den ausgehandelten Strafen.

Für einen der angeklagten Polizisten der Ortspolizei Palma soll es keinen Deal geben, stellt der Staatsanwalt klar. Der andere, C. V., wird lediglich zu einem Berufsverbot verurteilt, weil er eine Anzeige zurückgehalten hatte. Ansonsten ist er ein freier Mann.

Der Staatsanwalt ist weiterhin damit beschäftigt, die Einigungen zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft zu verlesen. Die Angeklagten, die mit den Deals einverstanden sind, dürfen dem Prozess ab dem Moment ihrer Zustimmung fernbleiben. Weiterhin müssen sie für das Gericht allerdings verfügbar sein. Die bisher in Untersuchungshaft verbrachte Zeit wird auf die vorgeschlagenen Strafen angerechnet.

Der Staatsanwalt verliest zahlreiche weitere Einigungen mit der Staatsanwaltschaft. Bei den meisten geht es um den Straftatbestand der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, die durch eine Geldstrafe ersetzt werden soll. Die Einigungen müssten alle noch von den Angeklagten bestätigt werden.

Der Staatsanwalt verliest den Deal für K. Y. Die ursprünglich einmal geforderte Haftstrafe von insgesamt 38 Jahren reduziert sich auf insgesamt 12,9 Jahre. Für die Freiheitsberaubung von drei tschechischen Frauen, die K. Y. eingesperrt haben soll, weil sie sich geweigert haben sollen, als Prostituierte zu arbeiten, akzeptiert K. Y. nun insgesamt sechs Jahre Haft statt 15 Jahren. Der Staatsanwalt verliest weitere Einigungen von Angeklagten mit der Staatsanwaltschaft. O. R. etwa wird mit einer Geldstrafe belegt, er hätte ein Jahr Haft für die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung bekommen.

Der Staatsanwalt erklärt, dass einer der Angeklagten, F. H. (nicht Frank Hanebuth) nur noch wegen Dokumentenfälschung angeklagt werden kann. Aufgrund der Zeit, die seit der Anklage verstrichen ist, haben sich teilweise die Strafgesetze geändert. Der Staatsanwalt räumt einen Fehler bei der Straftat der Prostitution ein. Unklarheiten gibt es auch beim Angeklagten F. W. Der Angeklagte befindet sich im Krankenhaus, man kann derzeit keinen Kontakt zu ihm aufbauen. Angeblich soll er einen Deal mit der Staatsanwaltschaft geschlossen haben, doch Belege dafür gibt es derzeit nicht.

Die Anwältin der Brüder Y. versucht, durch Eingaben den Prozess zu vertagen. Der Staatsanwalt beklagt sich, dass er als erster an der Reihe ist. Die Richterin erteilt ihm das Wort.

Die Vorsitzende Richterin sowie eine Richterin und ein Richter betreten den Saal. Es dürfte demnächst weitergehen.