Frank Hanebuth, der ehemalige Hannoveraner Hells Angels-Boss, ist wieder auf Mallorca. Im Rahmen einer Großrazzia war er hier am 13. Juli 2013 auf der Finca seines langjährigen Freundes Paul Engelke in Lloret de Vistalegre festgenommen worden. Es folgten zwei Jahren Untersuchungshaft, zuletzt im Gefängnis in Puerto de Santa María bei Cádiz. Im vergangenen Juli kam er gegen 60.000 Euro frei und zog sehr bald wieder zurück auf die Insel. Nun muss sich Hanebuth täglich bei der Polizei melden – und fürs Erste Fahrrad statt Harley fahren, da ihm während seiner Haft der Führerschein entzogen wurde.

Der 51-Jährige wirkt beim MZ-Interview, bei dem auch sein Madrider Anwalt Gonzalo Boye anwesend ist, zunächst sehr nervös. „Das ist hier kein Verhör“, blockt er beispielsweise eine Frage ab. Nach und nach wird er immer lockerer. Auffallend bleibt während des gesamten Gesprächs die körperliche Spannung des Kraftpakets, der immer wieder seine Fingergelenke knacksen lässt.

Herr Hanebuth, wie war es im Hochsicherheitsgefängnis von Santa María?

Nun ja, wir sind Männer, wir müssen da durch. Man muss das Beste daraus machen, auch wenn man durch die höchste Sicherheitsstufe sehr eingeschränkt ist. Aber ich konnte Sport treiben, und ich war der Boxtrainer im Knast.

Sie haben Ihre Mitgefangenen auf Deutsch trainiert?

Die Boxsprache ist ja international, da stellen sich die Leute schnell drauf ein. Fürs morgendliche Konditionstraining ließ ich mir in Deutschland Karten drucken mit den spanischen Begriffen für die Übungen darauf.

Wie empfanden Sie die Haft in Spanien im Vergleich zu deutschen Gefängnissen?

Das ist natürlich ein Unterschied, angefangen damit, dass man nichts versteht. Ich war in mehreren Gefängnissen, anfangs stets in Isolationshaft. Und da wusste ich nicht, was die überhaupt wollten, weil ich ja keine Fragen stellen konnte. Da muss man erst einmal herausfinden, wie der Alltag so abläuft. Aber so etwas beeindruckt mich überhaupt nicht, ich gehe da drinnen meinen Weg. Mir ist wichtig, mich gesundheitlich und sportlich fit zu halten, der Rest kommt von alleine.

Trotzdem: Isolationshaft und zwei Jahre Untersuchungsgefängnis. Wie hält man das aus?

Ich weiß, dass ich unschuldig bin, und ich bin mental gut drauf. Ich bin ja nicht aus Zucker, ich habe schon viel erlebt. Ich habe viel Sport getrieben, angefangen zu lesen, habe Yoga gemacht, alles, was so geht. Außerdem gibt es Leute, die sagen, dass es gar nicht schlecht sei, wenn die U-Haft zwei Jahre dauert, weil dann der Druck bei den Behörden liegt und sie innerhalb der nächsten zwei Jahre anklagen müssen. Was hätte es mir gebracht, wenn ich früher rausgekommen wäre? Ich bin jetzt draußen, aber trotzdem gefangen im Paradies. Ich bin ja nicht freiwillig hier.

Das war vor Ihrer Festnahme anders. Wann waren Sie das erste Mal auf Mallorca und warum?

Das erste Mal war ich vor etwa zehn Jahren hier. Ich kam meist zum Geburtstag meines Freundes (Anm. d. Red.: Paul Engelke), der immer auf der Insel feierte, und später dann, ab 2010, in den Ferien mit meinem Sohn, zuletzt bei der Festnahme im Juli 2013. Wenn man meine Flugdaten abgleicht, sieht man ganz genau, dass es entweder Ferienzeiten waren oder eben die Geburtstage meines Freundes. Das lässt sich alles belegen.

Sie hatten damals vor, sich hier niederzulassen und Ihren Sohn in die Schule zu schicken, richtig?

Ja, das hat natürlich eine Vorgeschichte in Deutschland, den GSG9- Einsatz in Hannover (Anm. d. Red.: Im Mai 2012 wurde Hanebuths Anwesen im Norden von Hannover gestürmt, wobei auch sein damals elfjähriger Sohn anwesend war). Daraufhin riet mir ein befreundeter Psychologe, den Jungen da mal ganz herauszunehmen. Seine Mutter wäre bereit gewesen, mit ihm nach Mallorca zu gehen, während ich Monat für Monat gependelt wäre. Mein Sohn hat sich hier ja sehr wohl gefühlt, ich hatte ihn bereits an der Schule angemeldet, für Kinder ist das ja wunderbar hier.

Hatten Sie damals Kontakt zu dem früheren Hells Angels-Charter auf Mallorca, das sich Ende 2011 aufgelöst hatte?

Nein, das waren ganz andere Leute. Ich weiß nicht, was damit passiert ist.

Sie hatten vor, ein neues Mallorca-Charter aufzubauen?

Fakt ist: Das Charter wurde nie gegründet. Es gibt die weltweite Regel, dass ein Charter erst dann gegründet werden kann, wenn es ein Clubhaus gibt, das war hier nicht der Fall. Das war alles erst im Aufbau.

Und Sie waren involviert?

Ich bin im Mai 2013, kurz vor der Verhaftung, gewechselt. Damals war das Charter Hannover aufgelöst und der letzte Mann „verräumt“. Ich habe immer gesagt, ich bin der Letzte, der von Bord geht. Und als es soweit war, entschied ich mich, Richtung Mallorca zu ziehen.

Gegen die Youssafi -Brüder, die in dem neuen Charter offenbar fest eingeplant waren, erheben die Ermittler schwere Vorwürfe. War es im Nachhinein betrachtet klug, sich mit denen einzulassen?

Die Youssafis werden völlig falsch dargestellt, wie Obergangster, die nur dummes Zeug im Kopf haben. Aber das ist nicht der Fall. Ich mache mir immer mein eigenes Bild und ich habe vor allem Khalil in all der Zeit als ständig agierenden Geschäftsmann erlebt, der immer aktiv war, und zwar mit legalen Geschichten, keinem Blödsinn.

Im Untersuchungsbericht ist die Rede davon, dass die Youssafi-Brüder auch Schulden einzutreiben versuchten, etwa vom „Mallorca-Prinzen“, der mutmaßlich ein betrügerisches Schneeballsystem betrieb. Da stand eine gewisse Gewaltandrohung im Raum.

Dazu kann ich nichts sagen, ich bin nicht dabei gewesen. Wobei manche Leute bei solchen Anlagebetrügern ihr ganzes Erspartes verloren haben. Was haben die denn für Möglichkeiten? Das ist zwar deshalb noch lange nicht in Ordnung, aber manchmal bleibt den Leuten einfach keine andere Möglichkeit. Allerdings war das alles vor meiner Zeit. Das neue Charter hätte eine ganz neue Geschichte werden sollen, das interessierte die neuen Leute gar nicht, was damals war. Und selbst wenn Leute in einem Charter straffällig werden, dann haben die das selbst zu verantworten, nicht das Charter und nicht der Präsident. Das müsste ja sonst der größte Holzkopf sein, wenn der für alles haften würde.

Wenn es sich aber nicht um einen Motorradclub handelt, sondern um eine kriminelle Vereinigung, wovon der Ermittlungsrichter ausgeht, würde der Präsident als Drahtzieher sehr wohl haften…

Es gab in Spanien bereits zwei Gerichtsurteile, einmal über das Hells Angels-Charter Murcia und einmal über das in Alicante, die besagen, dass es sich in beiden Fällen nicht um kriminelle Vereinigungen handelt. Das hat sogar der Oberste Spanische Gerichtshof bestätigt, und das ist auch hier nicht der Fall.

Wie hatten Sie sich das neue Hells Angels-Charter vorgestellt? Wir hatten noch gar nichts geplant.

Ich war hier drei Wochen im Urlaub, und dann wurden wir verhaftet. So ein Charter wächst mit der Zeit. Wir hätten wohl eine Harley Davidson-Veranstaltung gemacht. Das haben wir in Hannover jahrelang erfolgreich organisiert, und da dachten wir, das würde in der Nachsaison sicherlich auch auf Mallorca klappen, in Kooperation mit ortsansässigen Hoteliers und Wirten. Dazu eine internationale Tattoo-Convention. Das wären unsere Club-Aktivitäten gewesen.

Geht es in so einem Charter nicht auch um die Frage, wie man an Geld kommt?

Allen Leuten in diesem Charter geht es sehr gut, da muss keiner krumme Dinger machen. Das gab es auch in Hannover nicht. Warum soll man denn von einer erfolgreichen Sache ins Negative umschwenken? Dafür gibt es keinen Grund. Aber das Bild von den Hells Angels, das die Behörden die Menschen glauben machen wollen, ist nun eben mal, dass wir alle Menschen-, Drogen- und Waffenhändler sind, damit wir in der Öffentlichkeit möglichst negativ dastehen.

Es hieß, Sie wollten einige Lokale an der Playa de Palma kaufen. Was hatte es damit auf sich?

Ich habe nun mal ein großes Umfeld, und da hat der eine oder andere – etwa ein Franchise-Unternehmer oder ein Gastronom – angefragt, ob ich nicht behilflich sein könnte, jetzt wo ich vor Ort bin und vielleicht was höre, um geeignete Lokale zu finden. Und vielleicht wäre dann ein Biker-Café entstanden, aber das war alles Zukunftsmusik.

Sie hatten also nicht vor, selbst ein Nachtlokal zu erwerben?

Erstmal nicht.

Warum haben Sie sich dann mit dem Besitzer des Globo Rojo getroffen? Wollten Sie das Bordell nicht kaufen?

Ja, das Treffen gab es, aber die Preisvorstellungen waren absurd. Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft, und das, was die wollten, war der Laden einfach nicht wert. Wobei an dem Laden an sich nichts Verwerfliches ist, er hat eine Lizenz und war rechtlich einwandfrei.

Gonzalo Boye: Das sind die Sachen, die mich als Anwalt wirklich wütend machen. Wenn irgendeine andere Person so ein Lokal betreibt, ist es legal. Sobald Frank Hanebuth es machen würde, ist es kriminell.

Sie hatten laut Ermittlungsbericht auch noch Interesse an zwei anderen Etablissements, dem Club 79 und dem Red Palace Tabledance. Was ist da dran?

Das ist Teil des Verfahrens, dazu kann ich mich nicht äußern.

Es heißt, Sie haben Tänzerinnen nach Mallorca gebracht für diese Lokale …

Das ist richtig, die ein oder andere Tänzerin kam auch aus Hannover. Das waren junge Frauen, die haben sich hier wohl gefühlt, gingen abends ein wenig tanzen und morgens an den Strand, für die war das ein Paradies. Und es waren Tänzerinnen, keine Prostituierten, das haben die notariell beglaubigt ausgesagt.

Die Ermittler sprechen außerdem von Frauen, die in einer Wohnung eingesperrt und zur Prostitution gezwungen wurden.

Die kenne ich nicht.

Die Anschuldigungen, Sie hätten mit dem Bombenanschlag und weiteren Attacken auf Familienmitglieder des mutmaßlichen Millionenbetrügers Christian H. zu tun, den man damit zur Rückzahlung des ergaunerten Geldes zwingen wollte, hält der Ermittlungsrichter weiterhin aufrecht. Was sagen Sie dazu?

Ich kenne weder die Person, noch den Fall. Es wurde auch gleich nach meiner Festnahme in Lloret von den Beamten des Landeskriminalamts Bayern bestätigt, dass ich in den Fall nicht involviert bin.

Boye: Die deutschen Behörden haben die ganzen Verfahren eingestellt, unter anderem das gegen Paul Engelke. Zudem hat uns die Staatsanwaltschaft Traunstein bestätigt, dass sie nicht gegen meinen Mandanten ermittelt. Das haben wir sogar übersetzen lassen und beim Gericht in Madrid eingereicht, doch im neuen Ermittlungsbericht wurde das nicht erwähnt. An der Version von September 2015 wurde gegenüber der von Februar nichts geändert, der Richter hat das einfach wieder kopiert. Solche Dinge werfen ein schlechtes Licht auf Spanien.

Wie geht es nun juristisch weiter?

Boye: Wir haben gegen den Abschlussbericht des Richters Widerspruch eingelegt, wie auch zwölf andere Beschuldigte. Auch der Staatsanwalt erhob Einspruch, als Allererster, weil er der Meinung ist, dass die Ermittlungen nicht ausreichen. Zudem haben wir beantragt, dass das Verfahren eingestellt und mein Mandant freigesprochen wird. Bisher ist keine Entscheidung gefallen, aber ich glaube, dass der Richter das Verfahren aufteilen wird in Einzelverfahren.

Frank Hanebuth im Dezember 2015 auf Mallorca. Sebastià Terrassa

Es wird also keinen Mammutprozess geben wie angekündigt?

Boye: Es gibt in Madrid keine Kapazitäten für so ein Verfahren. Seit einer Änderung der Strafprozessordnung am 1. Juli müssen alle wichtigen Entscheidungen und auch die Verhandlungen übersetzt werden, wenn die Angeklagten kein Spanisch verstehen. Man bräuchte also jede Menge Dolmetscher für die 57 Angeklagten – die all die Unterlagen übrigens längst auf Deutsch erhalten haben müssten. Entweder wird das also ein Endlos-Prozess oder der Richter muss das Verfahren ausdünnen.

Werden Sie für all das Schadenersatz fordern, falls es zum Freispruch kommt?

Boye: Das Problem ist, dass Spanien nie zahlen wird, was er verlangt. Das Einzige, was sie zahlen würden, wären 50 Euro für jeden Tag, den er in Untersuchungshaft saß. Und nicht mal das ist sicher. Ich habe inzwischen acht oder neun Prozesse am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte laufen, weil Spanien nie Entschädigungen zahlt.

Hanebuth: Mir – und ich denke auch allen anderen Beteiligten – ist derzeit vor allem wichtig, dass es anhand der Faktenlage zu einer korrekten Entscheidung und die Sache damit zu einem vernünftigen Ende kommt. Ich bin ja nicht der Einzige, der nach Gerechtigkeit verlangt, das geht vielen anderen in diesem Prozess genauso. Die Leute wollen, dass die ganzen Missstände, Übersetzungsfehler und falschen Anschuldigungen aufgeklärt werden. Recht muss Recht bleiben, wir lassen uns das nicht gefallen.

Sie müssen also abwarten. Wie sieht Ihr Tagesablauf derzeit aus?

Langweilig. Die Unterlagen zum Fall hab ich schon im Gefängnis aufgearbeitet, und es gibt ja nichts Neues. Ich mache viel Sport. Ich hatte mal an einen Spanischkurs gedacht, aber ich lasse mir nichts aufzwängen. Für mich ist jetzt entscheidend, wie lang sich das noch hinziehen kann, um eine zeitliche Vorstellung davon zu haben. Ich bin ein sehr aktiver Mensch. Für mich ist das schlimm, ich kann nicht den ganzen Tag rumsitzen, das ist nicht mein Lebensstil.

Was würden Sie tun, falls es noch länger dauert und Sie erst einmal hier bleiben müssen?

Meine Fachbereiche sind Sport und Gastronomie, das sind die Sachen, die ich gut kann, damit hatte ich auch in Deutschland viel Erfolg. Allerdings würde ich nur im ganz kleinen Rahmen etwas machen – falls die Sache doch schnell vorbei ist und ich nach Hause kann. Ich werde mir hier nichts Großes aufbauen, es geht ja nur um eine Beschäftigung.

Sie waren vor Ihrer Festnahme dabei, Lizenzen für Wettbüros, auch in Spanien, zu erwerben. Wäre das eine Möglichkeit?

Mein kommendes Business waren Sportwetten, dafür hatte ich einige Zusagen, aber das hatte nichts mit Spanien zu tun. Für Mallorca käme das auch nicht in Frage, denn die Gesetzeslage in Spanien ist immer noch nicht geklärt. Außerdem müsste ich erst wieder mit den Leuten sprechen über das, was damals abgemacht war. Ich war danach schließlich zwei Jahre weg.

Käme es für Sie jetzt noch infrage, sich mit Ihrer Familie hier auf Mallorca niederzulassen?

Nein, ich will meinen Sohn so einer Situation nicht mehr aussetzen, das ist undenkbar (Anm. d. Red.: Hanebuths Sohn war auch bei der Festnahme in Lloret im Juli 2013 anwesend). Ich bin nur noch hier, um wegzukommen