Vor dem Prozessbeginn in Madrid: Das steht in der Akte Hells Angels

Frank Hanebuth und 45 weitere Angeklagte stehen ab Montag (23.1.) in der Hauptstadt vor Gericht. Was die spanische Justiz den Rockern auf Mallorca genau vorwirft

Die bei der Razzia auf Mallorca 2013 einkassierte Kutte von Frank Hanebuth.

Die bei der Razzia auf Mallorca 2013 einkassierte Kutte von Frank Hanebuth. / MONTSERRAT DIEZ/EFE

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Haftforderungen von insgesamt fast 300 Jahren für 46 Angeklagte: Der Prozess gegen die 2013 auf Mallorca festgenommenen mutmaßlichen Mitglieder und Komplizen der Rockerbande Hells Angels startet am Montag (23.1.) am Nationalen Gerichtshof in Madrid.

Bekannteste Figur auf der Anklagebank ist der ehemalige Chef des Hannover-Charters, Frank Hanebuth. Dem 58-Jährigen drohen laut Anklageschrift bis zu 13 Jahre Haft. Er war gemeinsam mit 24 weiteren Mitgliedern des Motorradclubs bei einer Razzia auf Mallorca im Juli 2013 festgenommen worden (siehe Kasten).

Stunden abgehörter Telefongespräche

Hanebuth werden vier Straftaten zur Last gelegt: Mitglied in einer kriminellen Vereinigung, Bedrohung, Geldwäsche und illegaler Waffenbesitz. Die Ermittler halten ihn für den Kopf der Organisation auf Mallorca und stützen sich dabei auf viele Stunden abgehörter und auf Deutsch geführter Telefongespräche.

Es sei die Idee Hanebuths gewesen – so steht es in der MZ vorliegenden Ermittlungsakten –, einen schon zuvor bestehenden, dann aber aufgelösten Mallorca-Ableger neu aufzubauen. Er soll auch die Personen zur Leitung der „Tagesgeschäfte“ auf der Insel eingesetzt haben. Diese waren zum großen Teil Mitglieder eines türkischen und eines luxemburgischen „Charters“, wie die örtlichen Rockerclubs genannt werden.

Zwei Brüder sollen die "Tagesgeschäfte" auf Mallorca geleitet haben

Um die Geschäfte kümmerten sich laut den Ermittlern vorrangig die beiden Brüder K. Y. und A. Y. Ihnen drohen deutlich höhere Gefängnisstrafen als Hanebuth. Die Haftforderung für K. Y. beläuft sich auf 38 Jahre und sechs Monate, die für seinen Bruder auf 33 Jahre und zehn Monate. Jeweils sechs Jahre drohen ihnen schon für die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Den anderen Angeklagten werden neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung unter anderem Drogenhandel, illegaler Waffenbesitz, Zuhälterei, Geldwäsche, Bedrohung oder Erpressung vorgeworfen.

So soll K. Y. einen anderen Deutschen, O. L., versucht haben zu erpressen. K. Y. soll von ihm 420.000 Euro gefordert haben – Schulden aus einem Geschäft im Zusammenhang mit einem Hells-Angels-Charter in der Türkei. O. L. habe zunächst auf eine Anzeige gegen das Hells-Angels-Mitglied verzichtet, weil er große Angst um sich und seine Familie gehabt habe. Wie er im Jahr 2010 bei der Nationalpolizei auf Mallorca zu Protokoll gab, habe er schließlich mit K. Y. eine Zahlung von 70.000 Euro ausgehandelt.

Frank Hanebuth stand erst im November vor Gericht

Es war der 23. Juli 2013 frühmorgens um 5 Uhr, als rund 20 Polizisten auf der Finca „Son Paraíso“ in Lloret de Vistalegre den früheren Chef des Hannover-Charters Frank Hanebuth neben 24 weiteren Mitgliedern der Hells Angels festnahmen, die meisten davon Deutsche, aber auch Luxemburger, Türken und Spanier. Hanebuth saß nach seiner Festnahme zwei Jahre in Untersuchungshaft, aus der er nach einer Zahlung von 60.000 Euro Kaution im Juli 2015 entlassen wurde. 2017 durfte er Spanien in Richtung Deutschland verlassen, wo er zuletzt im November 2022 vor Gericht stand und wegen eines Angriffs auf einen Automechaniker zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Ein weiterer Deutscher, D. H., zeigte ebenfalls bei der Nationalpolizei im Mai 2011 an, dass er indirekt von K. Y. und seinem Bruder A. bedroht und erpresst worden sei. Er sei von mehreren Mitgliedern der Hells Angels, die von den Brüdern geschickt worden seien, angegriffen und mit dem Tod bedroht worden. Daraufhin habe er sich genötigt gesehen, die Insel zu verlassen, gab D. H. an. Die Angriffe und Bedrohungen sollen Folge davon gewesen sein, dass D. H. Dritten über angebliche Straftaten von K. Y. und A. Y. erzählt haben soll.

Was den Vorwurf der Geldwäsche angeht, wollen die Ermittler Beweise dafür haben, dass Frank Hanebuth hohe Summen aus vorherigen kriminellen Machenschaften auf Mallorca investiert hat. Ein Teil dieses Geldes soll etwa in den Kauf der Finca in Lloret de Vistalegre geflossen sein, die Hanebuth gemeinsam mit P. E. erwarb und deren Wert seinerzeit auf 2,5 Millionen Euro geschätzt wurde. Auch soll Hanebuth in Arbeiten auf der Finca weitere 135.000 Euro aus illegalen Geschäften investiert haben. Das Geld für den Kauf des Nachtclubs Red Palace an der Playa de Palma soll ebenfalls aus vorherigen Straftaten stammen.

Frauen zur Prostitution gezwungen?

In dem an der Playa de Palma erworbenen Nachtclub sollen die Hells Angels Frauen zur Prostitution gezwungen haben. Im Mai 2013 zeigten drei tschechische Frauen bei der Polizei auf der Insel an, dass sie aus dem norditalienischen Bergamo nach Mallorca gebracht worden seien – unter dem Versprechen, als Hostessen arbeiten zu können.

In Palma angekommen, seien sie vom Flughafen abgeholt und zum Red Palace an der Playa de Palma gebracht worden. Die Hells Angels hatten den Club wenige Monate zuvor gekauft. Dort angekommen, habe ihnen jemand erklärt, dass sie mit den Kunden des Clubs Sex haben müssten.

Frank Hanebuth, der frühere Boss der Hannoveraner Hells Angels, wird im Juli 2013 nach seiner Aussage in Palma in die Untersuchungshaft gebracht.  | FOTO: MONTSERRAT DÍEZ/EFE

Frank Hanebuth, der frühere Boss der Hannoveraner Hells Angels, wird im Juli 2013 nach seiner Aussage in Palma in die Untersuchungshaft gebracht. | / Montserrat Diez / Efe

Frauen sollten sich bei Kontrolle als Kundinnen ausgeben

Die drei Frauen weigerten sich und sollen in eine Wohnung in Can Pastilla gebracht worden sein, wo sie eingesperrt und bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten worden sein sollen. In der Polizeiwache erkannten die drei Frauen auf Fotos neben zwei weiteren Männern die beiden Brüder Y.

Aus den abgehörten Telefongesprächen sei zu entnehmen, dass K. Y. offenbar auch über diesen „Geschäftszweig“ der Hells Angels auf der Insel wachte. In einem Telefonat mit einem F. W., der sich vorrangig um die Organisation der Nachtclubs kümmerte, spricht K. Y. die Situation der Frauen an, die sich – sollte es zu einer Kontrolle der Etablissements durch die Polizei kommen – als Kundinnen ausgeben sollten.

Drogenhandel soll weitere Einnahmequelle gewesen sein

Zuvor hatte ein weiterer Deutscher, F. L., bei der Guardia Civil angezeigt, dass die Hells Angels seine Tochter zur Prostitution gezwungen hätten. Die junge Frau war zu dieser Zeit die Lebensgefährtin von A. Y. Außerdem sprach F. L. davon, dass seine Tochter ihm erzählt habe, dass sie Anhaltspunkte für ein mögliches Tötungsdelikt habe, begangen durch A. Y. Kurz nachdem er seine Anzeige gemacht hatte, verließ F. L. die Insel.

Neben der Zuhälterei war laut den Ermittlern auch der Drogenhandel eine Einnahmequelle des Charters. Vor allem dank Kontakten in die Niederlande sollen die Mitglieder Kokain auf die Insel geschafft haben, meist mithilfe von mittelamerikanischen Frauen über den Hafen von Valencia. Auf der Insel sollen sie das Kokain in mehreren Wohnungen angereichert und verkauft haben.

Die Verteidigung der Rocker geht trotz der umfangreichen Ermittlungsakte davon aus, dass die Staatsanwaltschaft wenig Konkretes gegen die Angeklagten in der Hand hat.

Korrektur: In einer vorherigen Version dieses Textes war die Haftforderung für die Angeklagten K.Y. und A.Y. jeweils mit 28 und 23 Jahren angegeben. Richtig ist 38 und 33 Jahre.

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