Mallorca Zeitung

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Snus statt Zigarettenqualm: Wie Deutschland und Spanien von Schweden lernen können

Wie das Land inzwischen fast rauchfrei wurde, erklärte Koryphäe Karl Fagerström auf einem großen Suchtkongress auf Mallorca

Snus, Zigarettenqualm Agenturen

Die Raucherquote in Schweden ist inzwischen auf 5,6 Prozent gefallen – sinkt sie in naher Zukunft unter die Fünf-Prozent-Marke, darf sich das Land offiziell als rauchfrei bezeichnen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Anteil deutlich über 20 Prozent, in Spanien ist er fast ebenso hoch. Was Schweden besser macht, kann am besten Karl Fagerström erklären. Der standardisierte, weltweit angewandte Fagerström-Test mit Fragen zum Suchtverhalten von Rauchern ist nach ihm benannt. Der Psychologe (Rättvik, 1946) war ebenfalls Referent auf dem Weltsuchtkongress vergangene Woche.

Allein mit Verboten sei dem Zigarettenkonsum jedenfalls nicht beizukommen, so Fagerström im Gespräch mit der Mallorca Zeitung. Das habe in der Geschichte etwa auch mit dem Alkohol nicht geklappt. „Wenn sich jemand beklemmt fühlt, sucht er nach Linderung. Manchen Menschen reicht Kaffee, andere brauchen Nikotin oder Alkohol, wieder andere brauchen stärkere Drogen. Wir können Nikotin nicht aus unserem Leben verbannen, auch weil es so einfach ist, sein eigenes Nikotin herzustellen, Tabak zu pflanzen, so wie andere Tomatenpflanzen haben, und die getrockneten Blätter zu rauchen.“

Was ist Snus?

Erklärt wird der Erfolg in Schweden gerade auch mit Snus. Dabei handelt es sich um ein urschwedisches Produkt aus Tabak, der hinter die Oberlippe geklemmt wird, früher meist lose als Pulver, heute häufig in einem Beutelchen. Im Zweiten Weltkrieg ging der Konsum in Schweden zurück – Zigaretten waren gerade für Soldaten leicht zu haben, die Werbung nahm massiv zu. In den 60er-Jahren wurden die katastrophalen Gesundheitsfolgen – auch des Passivrauchens – immer bekannter, und der Snus erlebte ein Comeback – insbesondere bei der männlichen Bevölkerung Schwedens.

Karl Fagerström. Ramon

Die heutige Form etwa als Teebeutel könnte auch in Spanien oder Deutschland als Zigarettenersatz dienen, wenn Snus hier zugelassen würde, argumentiert Fagerström, und zwar ergänzend zur jetzigen Initiative der spanischen Regierung, das Anti-Tabak-Gesetz mit einer Ausweitung der rauchfreien Zonen und möglicherweise höheren Steuern zu verschärfen. „Heute gibt es mehrere Alternativen zum Rauchen – E-Zigaretten, traditionellen Snus, die neuen Beutelchen – und wenn dieses Angebot in Bezug auf Preis, Zugänglichkeit oder Besteuerung attraktiv ist, würden die Raucher selbst ohne Verbote auf Zigaretten verzichten“, so der Experte. „Die Regierungen müssen begreifen, dass das ernste Gesundheitsproblem die Zigaretten sind. Bei einem Verbot der Alternativen hätten die Tabakkonzerne Grund zum Jubeln.“

Das sagt die Statistik

Recht gibt den schwedischen Anti-Rauch-Pionieren die Statistik. „Wir haben berechnet, wie viele Leben in der Europäischen Union gerettet werden könnten, wenn in allen Ländern der gleiche Tabakkonsum herrschen würde wie bei den Männern in Schweden. Wir sind auf 360.000 vermeidbare Todesfälle gekommen.“ Der Effekt würde freilich nicht sofort einsetzen, es bräuchte wohl noch 30 bis 40 Jahre. „Man bekommt ja nicht sofort Krebs, wenn man mit dem Rauchen anfängt.“

Zwar sind auch die Snus-Produkte nikotinhaltig und haben Nebenwirkungen, aber die sind sehr viel weniger schädlich als der Zigarettenrauch mit seinem Giftcocktail aus Tausenden von Substanzen. Zahnärzte könnten unerwünschte Veränderungen im Mund ihrer Patienten feststellen, so Fagerström, aber das Risiko für Mundhöhlenkrebs sei in keiner Weise höher, im Gegenteil.

Bringen Drogen auch etwas Gutes?

Nahmen Snus bis vor 20 Jahren vor allem Ex-Raucher, beginnen inzwischen junge Leute zum Teil direkt damit. Andernfalls würden sie es mit Zigaretten oder anderen Suchtmitteln versuchen, argumentiert der Experte. „Manchmal frage ich mich, ob uns die Kulturdrogen auch etwas Gutes bringen. Wäre unsere Gesellschaft ohne Kaffee, ohne Alkohol, ohne Tabak besser?“ Wir lebten nun mal nicht in einem Paradies, viele Menschen kämpften mit Problemen, und da verschafften Drogen wie Alkohol oder Tabak ein wenig Linderung. Es brauche mehr Toleranz. „Seien wir nicht naiv, die Probleme lassen sich nicht vollständig lösen“, so Fagerström. „Wir können die Drogen zwar nicht abschaffen, aber wir müssen ihren Schaden minimieren.“

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