Ohne Erreichbarkeit geht heutzutage gar nichts. Telefon und Internet sind die Hauptschlagadern unserer Gesellschaft, die Telekommunika­tionsunternehmen ihr pumpendes Herz. Doch der Schlüsselrolle, die in Spanien Movistar, Vodafone, Orange, Ono und noch einige mehr einnehmen, muss man als Unternehmen erst mal gerecht werden. Es scheint eher so, als nutzen diese die Abhängigkeit des Verbrauchers aus. Insbesondere über die Abrechnungspraxis von Movi­star häufen sich die Klagen. Ein Fallbeispiel:

„Das macht das System so!"

Alles hat so gut angefangen: Bei Movistar lockt Anfang Juni das Angebot 40 Euro inkl. IVA (MwSt.) für Festnetzanschluss plus ADSL-Internet. Die Konditionen hören sich in der halbstündigen Beratung im Movistar-Shop vergleichsweise gut an. Einziger Wermutstropfen scheinen die zwölf Monate Vertragsbindung zu sein. Zwei Werktage nach Vertragsschluss schaltet der Techniker die Leitung frei.

Doch schon die erste Rechnung von Movistar zeigt wenig Ähnlichkeit mit dem, was besprochen wurde: Für 20 Tage Telefon plus Internetanschluss stehen da 62 Euro als Rechnungssumme. Das sind 52 Euro Gesamtbetrag plus IVA. Von dem 40-Euro-Angebot inklusive IVA keine Spur.

Bei der Ursachenforschung fällt weiter unten auf der Rechnung die „Línea individual" auf, die wohl für zwei Monate abgerechnet wird und mit 30 Euro zu Buche schlägt. Überraschend ist auch ein sogenannter „Filtro de correo" (Spamfilter) verzeichnet, von dem nie die Rede war.

Der Mitarbeiter im Movistar-Shop behauptet: „In der ersten Rechnung wird die línea individual für zwei Monate aufgeführt." Erst in der zweiten Rechnung würde das 40-Euro-Angebot zur Geltung kommen.

Doch Fehlanzeige: Weder die zweite noch die dritte Rechnung lässt irgendwelche Rückschlüsse auf das vertraglich vereinbarte Angebot zu. Insgesamt drei Reklamationen im Movistar-Shop soll es dauern, bis das vereinbarte 40-Euro-Angebot inkl. IVA berechnet wird und der Spamfilter von der Rechnung verschwindet.

Aber die Schlamperei von Movistar hat ihren Preis – und den zahlt der Kunde. Das Geld wird nicht zurückerstattet. Und Movistar bindet den Kunden 15 Monate statt der vereinbarten 12: „Wir haben das 40-Euro-Angebot ab September freigeschaltet, damit profitieren Sie bis September 2012 davon, sind Sie einverstanden?", sagt die Dame von der Service-Hotline 1004.

„Nein!" Doch mit der Antwort kann die Dame nichts anfangen: Es gebe keine Alternative zur Vertragsverlängerung, da das System automatisiert sei, das Angebot nun freigeschaltet werde und ab jetzt zwölf Monate zähle. Etwas Schriftliches zu dieser Änderung könne sie nicht rausschicken. Außerdem würde alles auf der nächsten Rechnung stehen … Fortsetzung folgt.

Mal eben einen „Mini-Tarif"

Ohnehin häuft sich in letzter Zeit bei Movistar die Abrechnung von nicht in Auftrag gegebenen Zusatzleistungen. Auch andere MZ-Leser berichten davon. So wurde in einem Fall zunächst aus heiterem Himmel der Virenschutz „Pack de Seguridad" für 2,50 Euro berechnet und Monate später eine „Tarifa Mini Internacional Global" für 4 Euro.

Nach Protesten bei der Hotline 1004 wurde das Geld bei der nächsten Rechnung zurückerstattet. Doch auch in der übernächsten Rechnung wurde die „Tarifa Mini Internacional Global" wieder verbucht, allerdings nur zur Hälfte. Zur Erklärung hieß es auch hier: Das System habe das nicht so schnell hingekriegt.

Ganz ähnlich verlief die Geschichte bei einer MZ-Redakteurin, die plötzlich einen Internet-Zusatzdienst namens „Canguro Net Plus" für 3,50 Euro auf ihrer Rechnung wiederfand. Stets sind es kleine Beträge, die „irrtümlich" berechnet und dann auch wieder rückerstattet werden – allerdings erst, wenn der Kunde darauf besteht. Meist genügt ein Anruf bei der auf Wunsch auch deutsch- und englischsprachigen Servicenummer 1004 und eine freundliche, aber bestimmte Darstellung des Vorgangs. Etwa: En mi factura de agosto se me está ­cobrando un servicio Canguro Net Plus que yo nunca he pedido (Auf meiner Rechnung von August wird mir ein „Canguro Net Plus"-Dienst in Rechnung gestellt, den ich nie beantragt habe). Die Mitarbeiter der Hotline kündigen dann meist eine reintegro (Rückerstattung) mit der nächsten Rechnung an.

Schlechte Umfragewerte

Probleme wie diese kennt „FACUA Consumidores en Acción" zur Genüge. 40 Prozent aller Anfragen bei der spanischen Verbraucherschutzorganisation haben Probleme und Reklamationen mit Telekommunikationsanbietern zum Inhalt. FACUA ermittelt zudem das „schlechteste Unternehmen des Jahres. Laut der jüngsten Umfrage unter 60.000 Verbrauchern ist die Telekommunikationsbranche weiterhin führend, Movi­star landete auf Platz eins, Vodafone auf Platz zwei.

Doch auch von den Mitbewerbern lässt sich nichts Gutes berichten. „Die nehmen sich nichts. In 90 Prozent der Fälle, egal bei welchem Anbieter, wird dem Kunden zwar der Tarif angepriesen, aber nicht alle damit verknüpften Konditionen mitgeteilt", weiß Alfonso Rodríguez Sánchez vom FACUA-Büro in Palma.

Das rät der Verbraucherschutz

Am Anfang steht immer der Vertrag (contrato). „In Spanien ist es leicht, an einen Vertrag mit einem Telekommuni­kations-Unternehmen zu kommen, aber es ist sehr schwer, wieder rauszukommen", sagt Rodríguez. Wichtig sei, dass alle Informationen über Leistungen, Preise und besondere Bedingungen schriftlich vorlägen. Insbesondere auf Laufzeiten und Vertragsstrafen bei vorzeitiger Kündigung sei zu achten. Denn sonst trage an möglichen Folgeproblemen auch der Kunde einen Teil der Schuld.

Gleiches gilt bei Tarifangeboten per Telefon: Sich Bedenkzeit erbitten, das Angebot schriftlich fordern und niemals am Telefon die Bankdaten sagen. „Das legen Servicemitarbeiter gerne als Einverständnis aus", erzählt Rodríguez, „man muss sich immer alles schriftlich geben lassen."

„Das nächste Problem ist, dass die Rechnungen intransparent sind – wohl damit sie niemand versteht", sagt Rodríguez. Denn mit dieser Branche hätten Spanier dieselben Probleme wie Ausländer. Bei der Reklamation fehlerhafter Rechnungen rät Rodríguez zur Schriftform mit Einschreiben (carta certificada).

Auch bei einer Beschwerde im Vertrags-Shop sollte man sich diese schriftlich bestätigen und sich eine Reklamationsnummer geben lassen. Diese número de reclamación sollte auch von Mitarbeitern der Hotline erbeten werden. Diese Anrufe können auch vom Kunden aufgezeichnet werden; er sollte allerdings ausdrücklich darauf hinweisen.

„Ist nach einer Reklamation der Vertrag immer noch nicht erfüllt, hat der Kunde das Recht, fristlos zu kündigen", sagt Rodríguez. Von da an sollten die Vertragsleistungen Internet und Telefon nicht mehr genutzt werden. Denn das Unternehmen wird erfahrungsgemäß die Kündigung nicht akzeptieren, ohne mögliche Vertragsstrafen zu fordern. Wer dann trotzdem weiter an der Kündigung festhält, ohne die geforderten Summen zu zahlen, dem bleibt laut dem Verbraucherschützer nur noch der Gang zum Anwalt oder, sobald die Ablehnung der Kündigung eintrifft, eine Anzeige beim Schiedsgericht „Servicio de Arbitraje al Consumo". Wer auf diesem Weg zu seinem Recht kommen will, muss dann einiges an Geduld aufbringen.