Er hatte die Koffer kaum ausgepackt, da war er auch schon wieder weg: Zu kalt sei es auf Mallorca, fröstelte Milram-Kapitän und Spitzenfahrer Linus Gerdemann und nahm den nächsten Flieger in Richtung Südafrika. Der Rest der Mannschaft trotzt dagegen der ungewöhnlich kühlen Witterung.

Jeden Morgen zwischen zehn und halb elf setzt sich die hellblaue Kolonne des letzten noch verbliebenen deutschen Herren-Radsport-Profiteams in Bewegung. Die Bergfahrer zieht es Richtung Pollença, die Sprinter bevorzugen die Flachpassagen im Süden der Insel. Jetzt heißt es „Körner sammeln“, sagt Jochen Hahn, einer der sportlichen Leiter. Finger weg vom Doping Mallorca war von jeher das erste Trainingsziel der deutschen Radsportelite zu Beginn der Saison.

Doch im Vergleich zu den alten Zeiten, als noch das Star­ensemble des Team Telekom auf der Insel seine Runden drehte, ist alles etwas ruhiger geworden. „Es herrscht nicht mehr so ein Trubel wie früher“, meint Bernd Schlechte, während er einen der sündhaft teuren Carbon-Rahmen aus der mobilen Werkstatt des Milram-Teams holt. Viele Jahre lang schraubte er die Arbeitsgeräte für Jan Ullrich und Erik Zabel beim Team Telekom zusammen und wurde dabei stets von Fotografen und Kamerateams belagert. „Da war noch was los“, erinnert er sich. Als die Mannschaft wegen der zahlreichen Dopingskandale aufgelöst wurde, arbeitete er ein Jahr überhaupt nicht, dann stellte er sich in den Dienst der Damen-Nationalmannschaft, und seit kurzem schraubt er für Milram.

So viele Arbeitgeber gibt es nicht mehr im Radsportzirkus. Und wie lange Milram existiere, das stehe ja auch in den Sternen, sagt Schlechte. Der Sponsor Nordmilch AG habe sich hinsichtlich des zukünftigen Engagements nur sehr vorsichtig geäußert. Und eines sei klar: „Wenn hier nur einer Scheiß macht, dann ist alles vorbei“. Im Gegensatz zu früher, als nur die Sünder suspendiert wurden, kann ein Dopingfall mittlerweile die Existenz eines ganzen Teams gefährden. Das Beispiel der mittlerweile aufgelösten Gerolsteiner-Equipe hat es gezeigt. Milram geht mit dem Thema Doping offensiv um und versteht sich als einer der Vorreiter im Kampf gegen die Einnahme leistungsfördernder Mittel. „Natürliche Leistung ist unser Anspruch“, heißt das Motto der Mannschaft. Doch eine absolute Sicherheit gebe es nicht, sagt Jochen Hahn. „Wir können alles tun, aber wenn einer betrügen will, dann können wir ihn davon nicht abhalten.“

Rund 200 Kilometer strampeln die Milram-Fahrer täglich auf der Insel, jeden dritten Tag dürfen sie sich ausruhen. Dass Linus Gerdemann sein Trainingslager auf Mallorca bereits früher abgebrochen hat, sei nicht weiter tragisch. „Er ist erst später dran“, sagt Hahn und meint damit die Tour de France, bei der sich das Team in diesem Jahr vorne positionieren möchte. Denn beim immer noch prestigeträchtigsten Radrennen der Welt steht das letzte verbliebene deutsche Team unter besonderer Beobachtung. Der Sponsor habe ein großes Interesse daran, bei dem Medienereignis präsent zu sein. Gerdemann habe aufgrund von Magen-Darm-Problemen zuletzt eine Trainingspause einlegen müssen.

Das Klima in Südafrika sei mit Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad wesentlich besser für den Münsteraner, befindet Hahn. Die dortige Witterung sei halt ein Vorteil gegenüber Mallorca. Auf der Insel bleiben vor allem die Fahrer, die schon recht früh für die Frühjahres-Klassikern fit sein müssen. Zu diesen zählt auch der Sprinter und zweite Kapitän des Teams, Gerald Ciolek, der erstmals auch an der Mallorca-Rundfahrt teilnehmen wird.

Die „Volta a Mallorca“, die vom 8. bis zum 12. Februar auf der Insel ausgefahren wird, hat in den vergangenen Jahren an Prestige gewonnen und sich in vielen Rennkalendern von Profiteams etabliert. Zabel im Robinson Club Um den Sieg bei der Mallorca-Rundfahrt fuhr in den vergangenen Jahren auch immer Erik Zabel mit, bis zur vergangenen Saison sogar im Trikot des Teams Milram.

Jetzt soll Zabel als Berater die jungen Sprinter des Team Columbia nach vorne bringen. Der US-amerikanische Rennstall, der aus dem deutschen Team Mobile hervorgegangen ist, befindet sich ebenfalls auf der Insel und hat im Robinson-Club in Cala Serena Quartier bezogen. Dort wurde die Mannschaft am vergangenen Samstag den Medien präsentiert. Die Equipe fuhr in der vergangenen Saison mit 85 Siegen die meisten Tageserfolge aller Rennställe ein. Auch 2009 wollen die Amerikaner bei nahezu allen großen Rennen vorne mitmischen. „Wir wollen Siege von Januar bis Oktober“, verkündete Team-Manager Bob Stapleton.

In der Mannschaft befindet sich neben dem aus Deià stammenden Mallorquiner Vicenç Reynes auch der deutsche Andre Greipel, der im letzten Jahr unter anderem die Tour Down Under (20. bis 25. Januar) in Australien gewann. Dort will Columbia auch in diesem Jahr wieder angreifen. In Australien werden die Columbia-Profis erstmals in ihren neuen Trikots an den Start gehen. Nach dem Ende der Magenta-Ära fuhr das Team von Sportleiter Rolf Aldag, früher ebenfalls in Diensten von Team Mobile, zuletzt in blauen Jerseys. Künftig startet Columbia in gelb-weißen Trikots. Auf den Weg nach Australien macht sich derweil auch der Deutsche Jens Voigt, einer der Spitzenfahrer des dänischen Teams Saxo Bank, vormals CSC, das als drittes Profiteam während der vergangenen Tage Mallorca umrundet hat.

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