Keine zwei Wochen ist es her, dass Juanjo Méndez an der Playa de Palma mit seinem Rad auf einem Zebrastreifen ausgerutscht und gestürzt ist. Der 52-jährige paralympische Radsportler aus der Nähe von Barcelona hatte Glück: Er prellte sich lediglich seinen rechten Daumen. Seine Teilnahme an den Paralympics in Rio war nicht gefährdet.

Nur fünf Tage nach dem Unfall auf Mallorca flog die zwölfköpfige spanische Radabordnung von Palma aus in die brasilianische Me-tropole, um die Feinabstimmung auf die am Mittwoch (7.9.) eröffneten Paralympics vorzunehmen.

Die Geschichte von Juanjo Méndez beginnt streng genommen mit einem anderen Unfall, einem ungleich dramatischeren. Im August 1992 war der 27-jährige Méndez mit einem Motorrad von Cerdanyola nach Moncada nördlich von Barcelona unterwegs, sein Bruder saß hinter ihm. Méndez verlor die Kontrolle über die Maschine, geriet in den Gegenverkehr und kollidierte dort mit einem mit fünf Personen besetzten Auto. Die Insassen des Wagens kamen weitgehend unverletzt davon, genauso wie sein Bruder.

Doch Juanjo Méndez blieb mit schwersten Verletzungen auf der Straße liegen. Die Ärzte vor Ort erklärten ihn für tot und deckten ihn ab. Ein Polizist bemerkte zufällig wenig später, dass sich Méndez unter der Decke noch bewegte und schlug Alarm. Méndez hatte noch am Unfallort seinen linken Arm verloren, sein linkes Bein wurde komplett zertrümmert. Er verlor massiv Blut.

Im Krankenhaus bekam der junge Mann eine 30-minütige Herzdruckmassage verpasst. 20 Tage lang lag er im Koma, sein Bein musste amputiert werden. Vom Krankenbett aus sah Méndez die Wettkämpfe der paralympischen Spiele von Barcelona, die wenige Kilometer entfernt vonstatten gingen. Er war schwer beeindruckt und angefixt von der Idee, seinen Kindheitstraum doch noch zu verwirklichen. Mit zwölf Jahren hatte er bereits zu den vielversprechendsten Nachwuchsradsportlern auf ­Landesebene gehört. Den Sprung in die Elite schaffte Méndez dann aber doch nicht. Wie es schien, musste er sich auf ewig vom Leistungssport verabschieden.

Ein Freund, Bernat Moreno, redete ihm zu, wieder aufs Rad zu steigen. Zu Beginn funktionierte das nicht sonderlich gut: Moreno lief nebenher und war meist schneller als Méndez auf dem Rad. Mit viel Geduld und Ausdauer klappte es dann aber immer besser. Vier Jahre später trat der Katalane bei seiner ersten Weltmeisterschaft an, Moreno blieb über die ganzen Jahre sein Trainer. „Bei meinem ersten Wettkampf wurde ich richtig verprügelt, was mich aber nur umso mehr motiviert hat", sagte Méndez einmal der Sportzeitung „Marca".

2004 war er in Athen erstmals bei den Paralympics dabei. Er war auf dem höchsten Level angelangt, und das obwohl er bei den meisten Wettkämpfen mit Abstand die schwerste Behinderung aller Teilnehmer aufweist. Méndez tritt in der Klasse C1 an, derjenigen mit den größten Beeinträchtigungen, doch Konkurrenten, denen sowohl ein Bein als auch ein Arm fehlen, hat Méndez auch hier nicht.

Wie viele Medaillen er unterdessen bei Weltmeisterschaften eingefahren hat, weiß er schon gar nicht mehr. Es waren zu viele. Nur der Paralympicssieg ist Méndez bisher verwehrt geblieben. Das soll sich jetzt in Rio ändern. „Diesmal geht es mir nur um Gold. Ich will diese Medaille inzwischen mit aller Gewalt, sodass ich glaube, in diesem Jahr könnte es wirklich klappen", erzählt der Katalane der MZ am Telefon aus Rio, wo er wenige Minuten später zum Training auf die Radbahn aufbricht.

Wie zwei Wochen vor der Abreise nach Brasilien weilt Méndez häufig mit der Nationalmannschaft auf Mallorca. Gerne sucht sich das Team die Sommermonate aus. Dann, wenn die meisten Urlauber und Einheimischen am Strand liegen. „Da haben wir manche Straßen fast für uns." Auf der Insel gebe es ohnehin trotz der ständigen Klagen der Inselbewohner über den Massentourismus im Vergleich zum Großraum Barcelona noch viel mehr ruhige Sträßchen.

Neben dem Training auf dem Rad war Méndez in den vergangenen vier Jahren nahezu ständig im Fitnessstudio zu finden, wo er unter anderem Gewichte stemmte und ausdauernde Schwimmeinheiten absolvierte. Zusätzlich habe er auf seinem Pferd lange Ausritte hingelegt - ebenfalls gut für die Fitness, wie er sagt. „Allerdings merke ich inzwischen mein Alter schon ein wenig. Es ist nicht mehr so einfach wie früher, seine Form zu halten."

Méndez greift in Brasilien am Freitag (9.9.) in den Wettbewerb ein. Los geht es zunächst auf der Bahn. Für ihn steht dann die Verfolgung an. Für den 14. September ist dann das Zeitfahren auf der Straße vorgesehen, bevor zwei Tage später die Tagesetappe ansteht. Und wenn es dann trotzdem wieder nicht zu Gold reicht, dann gibt es ja in vier Jahren noch die Paralympics in Tokio. Dann wäre Méndez 56 - und wohl einer der ältesten Teilnehmer weltweit.