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Abwasser-Probleme in der Bucht von Palma de Mallorca: Was es mit der Haftforderung auf sich hat

Während die Stadt die Probleme mit der trüben Brühe endlich in den Griff bekommt, schlägt der Skandal jetzt juristisch und politisch hohe Wellen

Abwasser-Probleme in der Bucht von Palma de Mallorca: Was es mit der Haftforderung auf sich hat

Über mangelnde Solidarität kann sich Neus Truyol nicht beklagen. Kurz nachdem die Forderung der Staatsanwaltschaft über vier Jahre Haft für die Politikerin der linken Regionalpartei Més bekannt geworden war, versammelten sich Dutzende Parteikollegen und Bekannte vor Palmas Rathaus, um für Truyol zu demonstrieren. „Per davant la valentia“, stand auf einem Transparent, „Mit Mut voran“. Auch Bürgermeister José Hila und Ministerpräsidentin Francina Armengol (beide Sozialisten) stellten sich hinter die Politikerin des kleinen Koalitionspartners im Linksbündnis.

Ermittelt wird gegen die Baudezernentin und weitere Verantwortliche wegen Umweltdelikten. Truyol habe in ihrer Zeit als Chefin der Stadtwerke Emaya in der vergangenen Legislaturperiode nicht die nötigen Schritte eingeleitet, um die Einleitung von Abwasser in die Bucht von Palma zu verhindern. Dadurch habe das Neptungras am Meeresgrund massiven Schaden genommen. Zu diesem Schluss kommt die Staatsanwaltschaft auf der Basis von Berichten der Guardia Civil und nach Hausdurchsuchungen, bei denen auch PC und Handy der Politikerin überprüft wurden.

Lange Vorgeschichte

Dass in der vergangenen Legislaturperiode praktisch nach jedem stärkeren Regen die Dreckbrühe ins Meer floss, bestreitet auch niemand, im Gegenteil: Jedes Mal wurde an den Stadtstränden die Rote Flagge gehisst, Badeverbot. Truyol argumentiert vielmehr, dass das Problem schon seit vielen Jahren bestand, von ihren Vorgängern im Amt und anderen Institutionen aber nicht ernst genommen wurde. Ihr Team habe es als Erstes angegangen und erreicht, dass die Abwassergebühr nicht länger zweckentfremdet wurde. Zudem habe sie die Sanierung der Kanalisation in Angriff genommen und den Bau einer neuen Kläranlage durch die Zentralregierung auf den Weg gebracht. „Minister und Expräsidenten von Emaya müssten ebenfalls auf der Anklagebank sitzen“, kritisiert Truyol im Interview mit dem „Diario de Mallorca“.

Neus Truyol soll wegen des Abwassers auf die Anklage-bank. FOTO: RAMON

Die Sache mit den Seegraswiesen

Die Abwassereinleitungen sind mindestens seit dem Jahr 2003 dokumentiert. Die Justiz wurde aber erst aktiv, als Anzeige erstattet wurde – und das geschah vor vier Jahren, zu einer Zeit, als die balearische Linksregierung gerade ein Gesetz zum Schutz der Seegraswiesen beschloss und damit große Teile der Wassersportbranche gegen sich aufbrachte. Die öffentliche Debatte kreiste letztendlich um die Frage, wer die Seegraswiesen vor der Küste mehr schädigte – die Anker der Boote oder das eingeleitete Abwasser von Emaya.

„Die Landesregierung wollte nur die Bürger in die Pflicht nehmen, ließ aber ihre eigene Verantwortung außen vor“, argumentiert Gabriel Dols, bis 2021 Vorsitzender der Segelvereinigung im Mittelmeer (ADN), gegenüber der MZ. Denn während für das Ankern im Seegras Strafen beschlossen wurden, wurden die Probleme mit den Kläranlagen Mallorcas im Gesetz weitgehend ausgeklammert. Vor diesem Hintergrund erstattete der Verband Anzeige gegen die Landesregierung – sie lasse Emaya einfach gewähren. Das Verfahren wurde eingestellt, die Justiz stellte aber klar: Das Seegraswiesen-Gesetz sei unvollständig, da es keine Schritte gegen eine der zentralen Ursachen für deren Schädigung vorsehe.

Die zweite Anzeige

Es ging zu der Zeit aber noch eine weitere Anzeige bei der Justiz ein – und diese führte letztendlich zur jetzigen Haftforderung gegen Neus Truyol. „Im Sommer 2018 gab es viele Einleitungen, und ich beschloss, dass etwas passieren musste“, erklärt Anwalt Santiago Fiol gegenüber der MZ. Der Freizeitsegler ist zwar der heutige ADN-Vorsitzende, stellte diese zweite Anzeige aber als Privatmann, wie er sagt – und zwar gegen unbekannt.

Das Abwasser richte in einer halben Stunde so viel Schaden an wie die Segler in Jahren, argumentiert Fiol. Bei der Anzeige sei es ihm aber nicht um das Seegraswiesen-Gesetz gegangen, sondern den Umweltschaden, den er damals mit eigenen Augen habe sehen und riechen können. Es seien keine politischen Motive im Spiel gewesen. Nun sei er froh, dass endlich etwas passiere, „wobei ich keinerlei Interesse daran habe, dass Frau Truyol ins Gefängnis geht“. Die Linkspolitikerin hingegen glaubt an eine Politisierung der Justiz, und das nicht nur in ihrem Fall. Was bestimmte Lobbys an den Urnen nicht erreichten, solle auf dem Weg der Gerichte gelingen, zumal ihre Partei sie als Spitzenkandidatin für die Kommunalwahlen in Palma aufgestellt hat.

Und was passiert mit dem Abwasser? Eine neue Leitung quer durch den westlichen Teil Palmas ist inzwischen verlegt, ein Regenüberlaufbecken zur Entlastung der maroden Kläranlage soll in Kürze in Betrieb gehen. In der Ausschreibung für den Bau einer neuen, 143 Millionen Euro teuren Kläranlage haben sich neun Firmen beworben. Und ein Ableiter für weitere 72 Millionen Euro, über den das geklärte Wasser in die Bucht fließen soll, wird dank einer Länge von 1.172 Metern die malträtierten Seegraswiesen in der Bucht überbrücken.

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