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Die Preise für Lebensmittel kennen momentan nur eine Richtung: nach oben.Nele Bendgens

Wie Auswanderer auf Mallorca mit der Inflation ringen

Wie kommen normalverdienende Auswanderer auf Mallorca damit klar, dass alles teurer wird? Die MZ hat Erfahrungsberichte von Residenten gesammelt

Keine Frage: Die Inflation hat auch auf Mallorca einiges verändert. Lebensmittel sind durchschnittlich um ein Drittel teurer als noch vor einem Jahr, die Strompreise lagen schon im Sommer 265 Prozent höher als 2021, und eine Tankfüllung kostet derzeit gut 20 Euro mehr als noch im Januar. Eine Entwicklung, die auch an der Lebensrealität der deutschsprachigen Inselresidenten nicht spurlos vorübergeht. Gerade die Arbeitnehmer mit spanischen Gehältern und Bezügen müssen den Gürtel enger schnallen. Die MZ hat mit deutschen Inselresidentinnen und -residenten gesprochen, die aus ihrem Alltag berichten. Gleichzeitig bekommen viele andere Einwanderer sowie auch Spanierinnen und Spanier die Auswirkungen der Inflation genauso oder noch stärker zu spüren. Die Tafeln werden sich nach Meinung der Verantwortlichen in diesem Herbst und Winter wieder auf lange Schlangen einstellen müssen.

Nichts übrig vom höheren Gehalt

„Lebensmittel einkaufen ist im Moment der größte Frust“, sagt Yvonne Ballester. Die Deutsche lebt seit 22 Jahren auf Mallorca und hat schon unter der Immobilienkrise 2008 gelitten, als die Hypothek für ihre damalige Wohnung plötzlich in ungeahnte Höhen schoss. „Da waren wir drauf und dran, zumindest übergangsweise nach Deutschland zurückzuziehen. So schlimm ist es jetzt nicht, zumal dort ja auch alles teurer wird“, so die 50-Jährige, die mit einem Argentinier verheiratet ist und zwei jugendliche Kinder hat. Die Familie kommt klar, aber eben nicht mehr so sorglos wie noch in den vergangenen Jahren. „Ich könnte jedes Mal heulen, wenn ich aus dem Supermarkt komme. Wild drauf losgekauft habe ich nie, aber jetzt kauft man gefühlt drei Sachen und ist schon 50 Euro los.“

Erst im Sommer wechselte Ballester den Job, verdient nun mit ihrer Halbtagsstelle als Verwaltungskraft in einer großen privaten Eigentümergemeinschaft in Illetes 1.000 Euro – 200 mehr als zuvor. „Aber von dem höheren Gehalt merkt man am Ende des Monats gar nichts“, so Ballester. Ihr Mann verdiene etwas mehr, dennoch kalkuliere die Familie seit Beginn der Preisexplosion genau. „Wir müssen jonglieren, um im Alltag nicht komplette Abstriche machen zu müssen“, so Ballester. Wenn das Ehepaar doch mal ins Kino geht, dann am günstigeren Kinotag. „Und statt danach essen zu gehen, geht es dann direkt nach Hause, da hat man wieder 40 Euro gespart.“ Per App guckt Yvonne Ballester täglich, zu welcher Uhrzeit die Strompreise aktuell am günstigsten sind, und plant danach, wann sie Waschmaschine und Spülmaschine anschaltet. „Heizen mussten wir ja zum Glück noch nicht dieses Jahr, aber für einen Sack Pellets haben wir vergangenes Jahr 3,50 Euro bezahlt, dieses Jahr sind es 8 Euro, das ist schon erheblich.“

An einer Metzgerei im Mercat d'Olivar in Palma de Mallorca.

Auch die hohen Spritpreise machten sich im Familienbudget deutlich bemerkbar. Ganz stehen lassen kann die in einem Außenbezirk von Palma lebende Familie den Wagen nicht – allein schon wegen der zahlreichen Hobbys der Kinder und dem Weg zur Arbeit. „Aber ich überlege jetzt drei Mal, ob ich das Auto nehme, und versuche vielmehr, verschiedene Besorgungen zu kombinieren, damit ich nicht mehrmals los muss“, sagt Ballester. Trotz der Einschränkungen bleibe kaum etwas übrig, um sich selbst mal etwas zu gönnen, bedauert sie. Und wenn ihr 15-Jähriger unbedingt die Marken-Turnschuhe haben will, dann muss er aktuell auf die Gunst von Oma und Opa hoffen. „Uns geht es gut, keine Frage, wir haben ein Dach über dem Kopf und diesmal glücklicherweise eine Festpreis-Hypothek. Aber die Inflation beeinträchtigt uns auf jeden Fall.“

Arbeitslos in der Inflation

Nicola Hachtmann und ihr Lebensgefährte haben keine Kinder und können deshalb ihre Ausgaben zumindest etwas besser steuern. Die 47-Jährige aus Hannover lebt bereits seit 28 Jahren auf der Insel. Seit Kurzem ist sie arbeitslos und muss mit dem Geld noch strenger haushalten als bisher.

Nicola Hachtmann lebt in einer rund 55 Quadratmeter großen Finca mit einem rund 1.500 Quadratmeter großen Grundstück außerhalb von Campos zur Miete und hat Glück mit ihrem Vermieter, der derzeit vergleichsweise günstige 600 Euro Miete verlangt. „Außerdem hat der Vermieter erst vor Kurzem eine Fotovoltaikanlage installiert“, sagt Hachtmann. Sie achte nun darauf, dass sie alle elektrischen Geräte, wie Waschmaschine oder Spülmaschine tagsüber laufen lasse, wenn die Fotovoltaikanlage Strom produziere. Und das rechne sich: „Vor Kurzem habe ich den Strom für die vergangenen sechs Monate bezahlt. Es waren 130 Euro.“ Wie sie ihre Stromrechnung auf einem derart niedrigen Niveau hält, weiß Nicola Hachtmann selbst nicht so genau. Ein Preistreiber fällt bei ihr auf jeden Fall weg: das warme Wasser für die Dusche. „Ich dusche seit vielen Jahren immer nur kalt, auch im Winter. Das habe ich aber weniger aus finanziellen Gründen so eingeführt, sondern eher, damit ich früh fit werde.“

Dennoch sei mehr denn je Verzicht angesagt: Auswärts essen geht sie inzwischen so gut wie gar nicht mehr. Dadurch, dass ihr Lebensgefährte in Sant Joan wohnt und damit rund 20 Minuten Autofahrt von ihrer Finca entfernt, sind die Spritpreise ein wichtiges Thema. „Ich tanke grundsätzlich nur an Billig-Tankstellen“, sagt Hachtmann. Nach Palma fahren die beiden nur, wenn sie mit einer Fahrt mehrere Behördengänge oder Einkäufe abhaken können.

Auch an Restaurant-Besuchen - hier das Joan Marc in Inca - wird gespart.

Im Supermarkt achte sie inzwischen sehr auf die Preise. „Da muss ich mich erst dran gewöhnen, das habe ich früher kaum getan.“ Gerade Obst und Gemüse kaufe sie möglichst nur im Angebot. Auf Fleisch verzichtet Nicola Hachtmann inzwischen fast vollständig, allerdings eher aus ethischen Gründen. Und Fisch gibt es höchstens mal aus der Tiefkühltruhe. Ihr Partner kaufe Obst und Gemüse grundsätzlich bei den kleinen fruterías, die häufig von Pakistanern betrieben werden. „Da ist das Preis-Leistungs-Verhältnis am besten.“ Außerdem achtet sie darauf, nur Obst und Gemüse zu kaufen, das gerade Saison hat. „Wenn ich koche, richte ich den Speiseplan danach aus, welches Gemüse gerade günstig zu haben ist.“

Nur in einem Punkt macht sie keine Abstriche: „Bio-Eier müssen aus Gründen des Tierschutzes weiterhin sein. Mein Partner wollte auf herkömmliche Eier umsteigen, aber das habe ich ihm ausgeredet“, erzählt Nicola Hachtmann.

Mit zwei Pullis und Decken

Sparsamkeit ist das Gebot der Stunde. Doch nicht alle Deutschen empfinden sie als direkte Folge der Inflation. Und erst recht nicht als Einschränkung. Besonders diejenigen nicht, die ohnehin schon immer bescheiden und nachhaltig gelebt haben. „In meinem Geldbeutel macht sich die Inflation noch nicht so sehr bemerkbar“, berichtet beispielsweise Kathrin Bremer. Die 54-Jährige arbeitet als freischaffende Dozentin an der Ascenso-Akademie in Palma und kauft seit ihrem Umzug aus Deutschland nach Mallorca 2013 zumeist auf dem Biomarkt an der Plaça dels Patins. „Ich kann nicht feststellen, dass die Preise dort extrem angestiegen sind, allerdings kaufe ich auch immer lokale Saisonware und bin sehr klar in meinem Konsum“, so Bremer.

Ihre Mietwohnung in El Terreno teilt sie sich seit jeher mit Mitbewohnern, ein Auto hat sie nicht, aus ökologischem Bewusstsein bewegt sie sich nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln. „Und die sind ja in den vergangenen Monaten sogar günstiger geworden“, so die Alleinstehende. Dass sie beim Duschen einen Eimer unter den Hahn stellt, bis das Wasser warm geworden ist, sei schon lange Gewohnheit. „So bin ich erzogen worden.“ Und geheizt oder klimatisiert habe sie die Wohnung auch in den vergangenen Jahren nicht – mehr aus Überzeugung als aus Sparsamkeit. „Dann sitze ich im Winter mit zwei Pullis und Decke da, aber das ist okay.“ Gleichzeitig fühlt sich Bremer privilegiert und geht auch weiterhin gern auswärts essen, wenn sie zu faul zum Kochen ist. „Vielleicht ist der Inflation ja auch etwas Positives abzugewinnen, wenn dadurch mehr Leute bewusster und nachhaltiger leben“, sagt sie.

Luxus nur bei Hundefutter

Auch Anke Maurer (Name geändert) lebt seit Jahren so sparsam, wie es viele ihrer Landsleute auf der Insel nun erst lernen müssen. Schon immer achtete die Alleinstehende genau aufs Geld. „Vielleicht treffen mich die Preissteigerungen genau deshalb weniger schlimm als befürchtet. Ich habe das Gefühl, dass andere jetzt Einschränkungen machen müssen, die ich immer schon gemacht habe“, sagt die 51-Jährige, die in Cala Ratjada in einem Immobilienbüro arbeitet und ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Sprich: den Einkauf im Supermarkt stets spontan an aktuelle Angebote anpassen, Essen vorkochen und einfrieren, so wenig wie möglich heizen, kaum auswärts essen gehen, jede Anschaffung ganz genau überdenken, die Freizeit lieber in der Natur verbringen statt in teurer Infrastruktur. „Aber mir ist klar, dass das nur geht, weil ich keine Kinder habe“, so Maurer. Luxus gönnt sie sich nur bei ihrem Lieblingseis und hochwertigem Hundefutter. „Und da schaue ich nun noch bewusster nach Rabattgutscheinen als vorher.“

Wanderer in der Serra de Tramuntana.

Kein heißes Wasser

Auch Stefan Spatz hat sich schon vor längerer Zeit eine sparsame Lebensweise angeeignet. Gemeinsam mit seiner Partnerin lebt der 42-Jährige in einem eigenen kleinen Haus in einem Stadtteil von Palma. Im Sommer verzichtet er schon seit Längerem auf heißes Wasser. „Wir haben den Heißwasser-Boiler im Frühjahr ausgesteckt. Vergangenes Jahr haben wir bis Mitte November ohne durchgehalten“, berichtet er. Vor ein paar Jahren rechnete er aus, dass heißes Wasser für ihn Mehrkosten von 50 Euro im Monat bedeuteten. Die Einkäufe erledigt seine Freundin, die ihm immer wieder mal erzähle, dass einzelne Produkte teurer geworden seien. Vor existenzielle Probleme stellen die Preissteigerungen das Paar derzeit aber zumindest noch nicht. „Wir haben zwei Gehälter und keine Kinder, da sollte es eigentlich möglich sein, über die Runden zu kommen.“ Er fahre mit einem von der Firma gestellten E-Bike zur Arbeit, Spritkosten habe er lediglich am Wochenende, wenn er mit seiner Freundin im gemeinsamen Van über die Insel kurvt und am Straßenrand übernachtet. „Und auf dem Dach des Vans haben wir Solarzellen installiert. Der Strom kostet uns also auch nichts“, sagt er.

Kerzen gegen hohe Stromkosten

Vor allem für andere setzt sich die 70-jährige Rentnerin Irene Kehl ein. Sie ist zwar gesundheitlich stark eingeschränkt, hat aber zumindest derzeit selbst noch keine größeren Schwierigkeiten mit den Preissteigerungen. Bei einigen Bekannten und Freunden sei das aber anders, berichtet sie. „Ich war erst kürzlich bei einer Freundin im Norden der Insel, der es wirklich dreckig geht. Sie kann sich kaum noch etwas zu essen kaufen.“ Kehl ist dankbar für die Hilfe des deutschen Supermarktes an der Playa de Palma, die ihr schon mal Lebensmittel schenkt oder günstiger überlässt, damit Kehl sie an bedürftige Bekannte verschenken kann. Sie selbst lebt sparsam in einem Studio für 500 Euro Miete. „Ich plane meinen Monat sehr konservativ durch“, sagt sie. Sie koche selbst und achte darauf, keine Lebensmittel zu vergeuden. Und die beste Maßnahme gegen die hohen Stromkosten sei nun einmal, Kerzen anzuzünden.

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