Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol greift gut ein halbes Jahr vor den Regionalwahlen im Mai kommenden Jahres tief in die Kasse: Die Sozialistin stellte im Parlament einen „sozialen Schutzschild“ für die kommenden Wintermonate vor – eine lange Liste mit Maßnahmen und finanziellen Hilfen für rund „80 Prozent der Insel-Bewohner“, wie Armengol ankündigte. Immerhin eine Stunde und 25 Minuten dauerte ihre dritte und letzte Regierungserklärung der Legislaturperiode, in deren Rahmen sie das Maßnahmenpaket im Detail vorstellte.

25 Einzelmaßnahmen und 200 Millionen Euro, die Armengol in die Hand nimmt, sollen den Winter für die von der Krise betroffenen Menschen auf der Insel zumindest erträglicher werden lassen. Die Sozialistin stellte mehrfach klar, dass sie – anders als etwa von der konservativen Volkspartei (PP) und sogar von den Sozialisten regierte Regionen – nicht die Steuern senken werde, sondern die Hilfen erhöhen werde, speziell für die Mittelschicht und die Arbeiterklasse.

Haushalt wird rekordverdächtig aufgestockt

Um die Hilfen zu finanzieren, werde der Haushalt der Balearen für 2023 um rund 15 Prozent höher ausfallen als dieses Jahr, erklärte die Ministerpräsidentin einen Tag später im Parlament. Mit einem Etat von 5,95 Milliarden Euro und damit 770 Millionen Euro mehr als 2022 wird es der teuerste Haushalt der Geschichte der Balearen-Inseln.

Eine der wichtigsten Maßnahmen des Katalogs ist eine finanzielle Unterstützung vor allem für Saisonkräfte, die im Winterhalbjahr aufgrund der abflauenden Tourismussaison arbeitslos sind. 140.000 Menschen, so die Schätzung der Balearen-Regierung, sollen eine Einmalzahlung in Höhe von 600 Euro bekommen. Solche, die bereits Unterstützung erhalten, können mit 300 Euro Einmalzahlung rechnen. Die Hilfen sollen Anfang des kommenden Jahres ausgezahlt werden. Der Umfang allein dieser Maßnahme beläuft sich auf 54 Millionen Euro. Auch das staatlich garantierte Mindesteinkommen wird um 15 Prozent angehoben. Rund 25.000 Familien profitieren von dieser Erhöhung.

Vor allem die Familien im Blick

Ohnehin hat Armengol bei ihren Hilfen vor allem die Familien im Blick. Haushalte mit Kindern im Schul- oder Universitätsalter, die noch dazu einen Hauskredit abzubezahlen haben, können sich auf deutliche finanzielle Unterstützung einrichten. Auf bis zu 3.000 Euro könnten sich die Hilfen pro Familie belaufen. Zum einen werden den Studierenden die Studiengebühren zurückerstattet. Zum anderen gibt es für diejenigen, die eine Hypothek abzahlen und dabei derzeit von stark steigenden Zinsen getroffen werden, im kommenden Jahr in der Steuererklärung die Möglichkeit, bis zu 250 Euro für die Zinszahlungen abzusetzen.

Wer jetzt einen Kredit abschließen will, bekommt von der Balearen-Regierung eine Bürgschaft über maximal 20 Prozent des Kaufpreises bei Wohnungen bis 270.000 Euro. Sozial schwache Familien erhalten Zuschüsse für die Stromrechnung zwischen 82 und 206 Euro. So werde garantiert, dass niemand im Winter frieren müsse, so Armengol.

Solche finanziellen Hilfen, die mit der Steuererklärung im kommenden Jahr gültig werden, stehen Bürgern mit maximal 33.000 Euro Jahresgehalt oder Ehepartnern mit maximal 52.800 Euro zur Verfügung, wenn die Steuererklärung von beiden Ehepartnern gemeinsam eingereicht wird.

Veraltete Hotels aufkaufen und den Zug weiterbauen

Neben den Hilfen stellte Armengol zudem Projekte vor, die im Laufe der Legislaturperiode beginnen sollen. Unter anderem will die Regierung Hotels niedriger Kategorien kaufen, um sie zu schließen. Damit soll die Zahl der Urlauber reduziert werden. Auch Lokale, in denen Sauftourismus betrieben wird, könnten aufgekauft und geschlossen werden. Dafür stehen zehn Millionen Euro zur Verfügung. Und auch der Bau der Zugstrecke von Manacor bis Artà soll 2023 beginnen. Für das erste Teilstück stehen 30 Millionen Euro zur Verfügung.

Wie zu erwarten, wurden die Ankündigungen von Francina Armengol höchst unterschiedlich von den verschiedenen Parteien im Plenum aufgenommen. Die Koalitionspartner Més und Unidas Podemos jubelten, und etwa Josep Castells von Més per Menorca merkte an, dass es sich um den „am weitesten links angesiedelten“ Diskurs der Ministerpräsidentin in der bislang siebenjährigen Amtszeit gehandelt habe. Von Seiten der Opposition setzte es harsche Kritik. Der Sprecher der konservativen Volkspartei (PP), Toni Costa, bedauerte, dass Armengol angesichts der steuerfinanzierten Maßnahmen „die Taschen der Bürger lehrt“ – und zwar mit dem Ziel, nun Stimmen bei den nächsten Wahlen zu kaufen.

Pedro Sánchez bringt finanzielle Sonderregelung mit

Einen Tag vor dem Maßnahmenpaket von Francina Armengol hatte bereits der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez einen warmen Geldsegen für die Balearen mitgebracht. Die Vervollständigung der Sonderregelung als Ausgleich für die finanziellen Nachteile der Insellage war eine langjährige Forderung. Am Montag (3.10.) versprach Sánchez bei einem Besuch auf Mallorca, die letzten Aspekte dieser Sonderregelung, des sogenannten Régimen Especial de les Illes Balears (REB) in den spanischen Haushalt für 2023 mit aufzunehmen. Es geht dabei konkret um zwei Steuererleichterungen, die auch Nicht-Residenten auf den Inseln zugutekommen.

Zum einen sicherte Sánchez Unternehmern und Selbstständigen eine Reduzierung der Unternehmensteuer beziehungsweise der Einkommensteuer der Nicht-Residenten zu, wenn sie diese Steuerersparnis dann direkt wieder auf den Balearen investieren. Und zwar entweder, um ihre Produktionskapazitäten auszubauen oder neue Arbeitsplätze auf den Inseln zu schaffen. Des Weiteren gibt es steuerliche Nachlässe in der Größenordnung von zehn bis 20 Prozent für Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Landwirtschaft, Viehzucht, Fischerei, die ihre Produkte auf den Inseln herstellen.

20 Millionen Euro für die Straßenbahn

Die Balearen-Regierung schätzt, dass der spanische Staat etwa 349 Millionen Euro für das REB in die Hand nimmt. 208 Millionen Euro davon werden direkte steuerliche Anreize für 47.000 Unternehmen und 71.000 Selbstständige sein. Unter anderem kündigte Pedro Sánchez auch 20 Millionen Euro für die geplante Straßenbahnverbindung von Palma zum Flughafen Son Sant Joan an.

Das REB war bereits im Februar 2019 verabschiedet worden, allerdings zunächst nur mit Vergünstigungen für innerspanische Reisen, wie etwa den 75-prozentigen Rabatt auf Flugtickets für Balearen-Residenten. Die steuerlichen Vergünstigungen werden aufgrund der Corona-Pandemie allerdings erst jetzt umgesetzt.

Ziel war ursprünglich, den Flughafen mitzumanagen und eine niedrigere Mehrwertsteuer

Bei der jetzigen Version des REB handelt es sich bereits um eine stark abgespeckte Version. In der 2017 vorgestellten Version der sozialistischen Landesregierung fanden sich noch ganz andere Wünsche in dem Katalog aus 23 Forderungen, den die Landesregierung an Madrid hatte. An oberster Stelle: Ein gleichberechtigtes Management des Flughafens Son Sant Joan zwischen der Landesregierung einerseits und der Zentralregierung und dem Flughafenbetreiber Aena andererseits. Damit könnten die Balearen theoretisch die Zahl der Flüge auf die Inseln limitieren.

Davon war im REB schon lange nicht mehr die Rede, genauso wenig wie von einem verminderten Mehrwertsteuersatz. Ursprünglich lautete die Forderung, dass auf den Balearen ein maximaler Steuersatz von 15 statt der derzeit gültigen 21 Prozent gelten sollte. Der verminderte Satz sollte bei fünf statt bei zehn Prozent liegen. Auch diese Forderung hat die Zentralregierung nun nicht erfüllt, was auch der Koalitionspartner der Sozialisten in der Balearen-Regierung, die Regionalpartei Més, bemängelte.

Més-Vorsitzender Lluís Apesteguía räumte zwar ein, dass man das Erreichte kurz feiern könnte, aber sich möglichst schnell an die Arbeit machen müsse, um die noch ausstehenden Nachbesserungen im REB zu erreichen. Die Balearen seien die einzige Inselgruppe, die keine spezifische Mehrwertsteuer habe.

Reaktionen der Opposition durchwachsen, die der Unternehmer positiv

Auch die Reaktionen der Opposition fielen durchwachsen aus. Zwar sei das REB, so es denn tatsächlich umgesetzt werde, „eine gute Nachricht“, gab die Vorsitzende der konservativen Volkspartei PP auf den Inseln, Marga Prohens, zu Protokoll. Allerdings führte die 40-jährige Spitzenkandidatin und Herausforderin von Ministerpräsidentin Francina Armengol bei den Wahlen im Mai kommenden Jahres die Zusagen von Sánchez auf die Forderungen der PP zurück.

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Weitaus freundlicher äußerten sich die Vertreter von wichtigen wirtschaftlichen Verbänden auf Mallorca. So sagte etwa Gabriel Llobera, der Vizepräsident der Unternehmervereinigung CAEB: „Das ist ein wichtiger Tag, weil es sich um steuerliche Maßnahmen handelt, die die Balearen dringend benötigen.“ Und der Vorsitzende der Vereinigung kleiner und mittlerer Unternehmen, Alfonso Rojo, sprach von einem „vielversprechenderen Horizont“ für die Betriebe auf der Insel als in den vergangenen Jahren.

Gewerkschaftsvertreter begrüßten die Steuererleichterungen für die Unternehmen ebenfalls. Lorenzo Navarro, Sprecher der Gewerkschaft UGT, forderte, dass die Einsparungen dazu führen müssten, dass die Betriebe qualitativ hochwertige Arbeitsplätze schaffen.