Mallorca Zeitung

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Aktivisten und Forscher erklären: Warum auf Mallorca Anti-Massentourismus-Demos wie auf den Kanaren derzeit unwahrscheinlich sind

Die MZ-Schwesterzeitung hat drei Experten um ihre Einschätzung der aktuellen Lage der Protestbewegung auf Mallorca gebeten. Ein großes Problem sehen alle drei in den acht Jahren Linksregierung

Zehntausende Menschen protestieren auf den Kanaren gegen den Massentourismus Europa Press

Die Bilder von den Demonstrationen auf den Kanaren gegen den Massentourismus am vergangenen Wochenende werden auch auf Mallorca genaustens beobachtet. Die MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca hat bei drei Aktivisten und Forschern nachgefragt: Stehen solche Demos auch auf der Insel bevor?

Margalida Ramis – Vorsitzende des Umweltschutzverbands Gob

Derzeit ist es eher unwahrscheinlich, dass es auf Mallorca zu einer vergleichbaren Demo wie auf den Kanaren kommt. Die Situation dort ist weitaus dramatischer als hier. Soziale Ausgrenzung, Armut und prekäre Arbeitsverhältnisse sind dort deutlich verbreiteter. Deshalb hat dort auch die Diskussion über die Verringerung des Tourismus begonnen. Man darf auch nicht vergessen, dass Investitionen auf den Kanaren steuerbegünstigt sind.

Auch auf Mallorca hat es Proteste gegeben: Wir erinnern uns ans Jahr 2007, als 50.000 Menschen auf die Straße gingen. Im Jahr 2017 waren es 3.000 Demonstranten und es wurde als Erfolg verkauft. In den acht Jahren Linksregierung wurde viel heiße Luft geredet. Das hat dazu geführt, dass die sozialen Bewegungen nicht mehr so handlungsfähig sind. Im Jahr 2017 haben die Reinigungskräfte in den Hotels – die Kellys – noch mit uns zusammengearbeitet. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Es ist aber unerlässlich, dass diejenigen in die Proteste eingebunden werden, die durch den Massentourismus ausgeschlossen werden. Da müssen wir uns selbst hinterfragen.

Es geht ja nicht mehr nur darum, dass die Mallorquiner empört sind, weil einige Strände im Sommer überfüllt sind. Sondern, dass Leute in Wohnmobilen leben müssen oder sich gezwungen sehen, ein Haus zu besetzen. Auf den Kanaren waren es genau diese Personen, die die Proteste angestoßen haben, deshalb waren sie so erfolgreich.

Ivan Murray - Tourismusforscher an der Balearen-Universität

Auf den Balearen gibt es Zustände, die eine Demonstration wie auf den Kanaren durchaus möglich machen. Aber es fehlt an Organisation. Die acht Jahre unter der Linksregierung mit ihrer angeblich fortschrittlichen Politik haben dazugeführt, dass die Bewegung erschlafft ist.

Dennoch müssen wir auch die Unterschiede zwischen den Kanaren und den Balearen sehen: Die Kanaren wurden schon immer mehr wie eine Kolonie behandelt. Das hat dazu geführt, dass die Ungleichheit und die Armut dort viel größer sind. Zudem ist dort immer Hauptsaison, es gibt keine Zeit, auf der die Inseln zur Ruhe kommen.

Auf den Balearen hingegen erleben wir gerade eine massive Verdrängung der Bevölkerung. Die Gesellschaft wird gerade entkernt. Andererseits hat es hier auch immer mehr Kräfte gegeben, die Widerstand geleistet haben. Zudem haben wir hinsichtlich der Arbeitsbedingungen im Vergleich zu den Kanaren einen viel vorteilhafteren Tarifvertrag im Tourismus.

Aina Llauger – Aktivistin und Umwelterzieherin

Die Protestbewegung auf Mallorca hat eine lange Geschichte und reicht bis in die 70er- und 80er-Jahre zurück. Ich denke da etwa an die Proteste zum Schutz des Strandes Es Trenc oder von Dragonera. Es folgten weitere Demos gegen den Bauwahn und den Massentourismus in den Nullerjahren. In der Hinsicht haben wir den Kanaren immer etwas voraus gehabt.

Gleichzeitig befinden wir uns in unterschiedlichen Situationen. Die acht Jahre Linksregierung haben sicher dazu geführt, dass die Protestbewegung eingeschlafen ist. So wie es immer bei Linksregierungen der Fall ist, weil man die Hoffnung darauf setzt, dass die Politik was ändert.

Aber die Demos auf den Kanaren geben mir Hoffnung, dass der Funke auf Mallorca überschlägt. Es muss sich nur ein Kollektiv finden, das dies vorantreibt.

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