Mallorca Zeitung

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Bis zu 200.000 Euro abgezockt: Wie Betrüger auf Mallorca mit einem Bitcoin-Schwindel Kasse machen

Gerade die Ahnungslosen lockt der Traum vom schnellen Geld mit der Kryptowährung. Wie Kriminelle das schamlos ausnutzen und damit die Polizei auf Trab halten

Die Gier nach dem Gewinn mit den Bitcoins ist groß. Europa Press

Andrew ist 36 Jahre alt und kommt aus Miami, behauptet er zumindest in seinem Tinder- Profil. Er ist Gastronom, will in Palma ein Restaurant eröffnen. Wo, verrät er nicht. Aber er will drei Jahre auf der Insel bleiben. Vielleicht auch länger, wenn er die große Liebe hier findet. Er sieht gut aus. Mallorca-Kulisse sieht man auf seinen Fotos aber keine. Die restlichen Angaben über ihn sind eher spärlich. Er ist zuvorkommend, fragt aber auch Dinge, die aus dem eigenen Profil hervorgehen. Zudem wirkt das Gespräch auf Spanisch etwas holprig. Dann bringt er plötzlich das Thema „Bitcoins“ ins Spiel, erzählt von seinen Erfolgen mit der Kryptowährung und fragt, ob man nicht auch Interesse hätte, zusätzliches Einkommen zu generieren. Auf einmal schreibt er auf Englisch und löscht wenig später nach Nachfragen die Konversation und ist nicht mehr erreichbar.

Andrew ist offenbar ein Bitcoin-Schwindler bei Tinder. Betrüger wie er tummeln sich viele in der App rum. Nicht nur Männer, sondern auch Frauen. Dem Gegenüber wird eine attraktive Person vorgegaukelt, damit die Erfolgschancen steigen, in die Falle zu tappen. Bitcoin-Maschen wie die von Andrew machen mittlerweile 90 Prozent der Arbeit von Miguel Ángel López aus. Er ist gemeinsam mit seinem Kollegen Sergio Víctor García bei der Nationalpolizei auf Mallorca für Betrugsfälle zuständig. An die 20 Anzeigen pro Monat gehen bei ihnen ein. „Ein wirkliches Profil der Opfer gibt es nicht“, sagt López. „Es sind Mallorquiner wie Ausländer, Männer und Frauen. Die Tendenz geht zur Altersklasse Ü40, da die prinzipiell mehr Geld auf dem Konto hat.“ Eines aber haben die Opfer gemeinsam: Sie haben keinen Schimmer von Kryptowährungen und sind empfänglich für den Traum vom schnellen Geld.

So läuft der Betrug

Neben Tinder sind auch andere soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Tiktok ein Jagdgebiet der Online-Schwindler, die als kriminelle Banden organisiert sind. „Mitunter hacken sie sich in andere Profile und posten dann unter falschen Namen, dass sie mit Bitcoins viel Geld gemacht haben“, sagt López. Da die Werbung für die Freunde und Bekannten von einer vertrauten Person kommt, sinkt die Hemmschwelle, und noch mehr Menschen tappen in die Falle. „Die Einstiegssumme sind fast immer 250 Euro. Wohl weil es ein Betrag ist, den die meisten relativ schnell verfügbar haben“, sagt Miguel Ángel López.

Die Betrüger gaukeln eine große Professionalität vor. Inwieweit sie wirklich mit der Kryptowährung handeln, sei dahingestellt – sie ist meist nur der Köder, sagt López, der ebenso wie sein Kollege García selbst Bitcoins besitzt. Die Schwindler halten telefonisch Kontakt mit den Opfern und sprechen fließend Spanisch. „Sie werben mit großen Firmen wie Repsol oder Promis wie Rafael Nadal, die angeblich hinter ihnen stehen. Das ist natürlich alles gelogen“, sagt der Polizist. Mitunter stehlen die Banden Identitäten. „Über ein gefälschtes Job- oder Wohnungsangebot kann man relativ einfach von Leuten verlangen, dass sie ihre Ausweise zuschicken sollen. Diese Ausweise benutzen die Kriminellen dann. Wenn einer der angeblichen Bitcoin-Händler freiwillig anbietet, ein Foto seines Personalausweises zu schicken, ist das ein Warnsignal“, sagt Sergio Víctor García.

Auf einer gefälschten Website können die Investoren ihre angeblichen Gewinne nachverfolgen. „Die Betrüger erlauben am Anfang sogar, dass die Opfer kleine Beträge abheben, um das Gefühl zu haben, die Kontrolle über ihr Geld zu behalten“, so García. So steigen Vertrauen und Gier. Die überwiesenen Summen werden immer höher. Der Schaden beträgt meist zwischen 10.000 bis 200.000 Euro. Selbst wenn der Betrug auffliegt, ist die Masche noch längst nicht vorbei. Die Banden hätten auch Mitglieder, die sich als Anwälte ausgeben, sagt López. „Sie versprechen den Opfern, das investierte Geld zurückzuholen. Das hat natürlich seinen Preis. Das Spiel geht so lange, bis nichts mehr auf dem Konto übrig ist.“

Was kann die Polizei tun?

Meist herzlich wenig. Wenn die Anzeige wenige Stunden nach der ersten Überweisung erfolgt, könne man das Geld vielleicht noch zurückverfolgen, sagt López. Doch zu dem Zeitpunkt träumen die Opfer noch vom großen Gewinn. „Das Bankgeheimnis ist eine Hürde für uns. Wir brauchen einen richterlichen Beschluss, um auf ein Konto zugreifen zu können. Bis der da ist, ist das Geld längst bei einer anderen Bank.“ Dass es heutzutage so einfach ist, online ein Konto zu eröffnen, mache die Sache nicht gerade einfacher. „Im Sinne der Geldwäsche sind die Banken eigentlich dazu angehalten, suspekte Überweisungen zu stoppen und zu melden. In der Praxis macht das keiner.“

Die Spuren des Geldes verlieren sich in Litauen, Italien, dem Vereinigten Königreich und immer wieder in Afrika. „Außerhalb Spaniens haben wir fast keine Chance mehr“, sagt López. Zwar geht der Polizei immer mal wieder ein Betrüger ins Netz, dabei handle es sich aber um die kleinsten Fische der Bande. Leute wie Andrew bei Tinder.

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