Wenn Ricardo Coelho von seinen Projekten mit Kryptowährungen spricht, klingt es fast wie ein Werbespot. „Bitcoin ist die Zukunft. Ich sehe darin eine Möglichkeit, dem System zu entkommen. Mit einem Normalo-Gehalt von 1.500 Euro würde ich mir nie tolle Dinge leisten können. Der Handel mit Kryptowährung ermöglicht mir große Gewinne, ohne meine Zahl der Arbeitsstunden erhöhen zu müssen.“ Dabei war der Portugiese, der seit 2007 auf Mallorca lebt, bereits Opfer von einem weltweiten Schneeballsystem, das im September zusammengebrochen war.

2019 hatte der damalige Supermarkt-Angestellte von einer Arbeitskollegin gehört, dass man mit den Bitcoins gutes Geld verdienen könne. Er investierte 1.000 Euro beim Unternehmen Arbistar. „Es ist das klassische Schneeballsystem. Die neuen Kunden finanzieren die Gewinne der vorherigen Klienten. Anfangs erzielte meine Investition regelmäßig ein kleines Plus. Ich habe die Anlage nie aufgelöst und die Gewinne immer sofort reinvestiert.“ 2020 war das Geld dann plötzlich weg. „Es ist eine Mafia. Und ich Idiot habe den Fall nicht einmal angezeigt. Auf der anderen Seite: Von wem soll ich das Geld fordern? Einem Briefkasten in Panama?“, sagt Coelho.

500 Millionen Euro Schaden

Wie ihm erging es weltweit 3.500 Betroffenen, die einem der größten Betrugsfälle mit Kryptowährungen erlagen. Die Polizei schätzt die Schadenssumme auf 500 Millionen Euro. Auf Mallorca erstatteten im September 53 Personen Anzeige, wie jetzt bekannt wurde. Sie haben insgesamt rund 100.000 Euro verloren. Arbistar war eine von an die 60 Scheinfirmen. Die kriminelle Organisation nutzte Fotos von Promis wie zum Beispiel von Mallorcas Tennisstar Rafael Nadal zu Werbezwecken, köderte mit kleinen Einstiegsbeträgen und versprach große Profite.

Zur Masche gehörte auch persönliche Kundenbetreuung. Die MZ-Schwesterzeitung „El periódico de España“ berichtet von täglichen Anrufen und hat von diesen Gesprächsprotokolle vorliegen. Einige ältere Betrogene wurden derart um den Finger gewickelt, dass sie die Anrufe fast herbeisehnten, und die Vertrauensbasis war in einigen Fällen so groß, dass sie den Kriminellen über eine Remote-Verbindung Zugang zu den Konten auf dem eigenen Computer ermöglichten. Über gefälschte Websites wurden Gewinne vorgegaukelt. Am Ende war wie bei Coelho das Geld weg – und der nette Kundenberater abgetaucht.

Der Portugiese hat sich von dem negativen Erlebnis aber keineswegs abschrecken lassen, er sieht vielmehr weiter das Potenzial. „Zum damaligen Zeitpunkt war ein Bitcoin rund 8.000 Euro wert.“ Heute liegt der Kurs bei über 50.000 Euro. „Wäre ich nicht an die falschen Leute geraten, wäre meine Anfangsinvestition von 1.000 Euro heute 7.200 Euro wert.“

Nichts für Anfänger

Neben der Gefahr, auf Betrüger hereinzufallen, ist das Spekulieren mit den Kryptowährungen auch sonst kein Kinderspiel. Die Kurse schwanken extrem. Der Handel mit Bitcoin sei daher nichts für Anfänger, warnen Finanzexperten und Verbraucherschützer.

„Das Risiko ist immer da. Man muss ruhig bleiben, auch wenn die Kurse gerade fallen“, rät der Mallorquiner Manu Acedo, der selbst vor sechs Jahren auf gut Glück einfach mal 100 Euro in Bitcoins investierte. „Ein Freund hatte es mir empfohlen. Es war ein Betrag, der mir nicht wehgetan hätte, wenn ich das Geld verloren hätte. Ich habe mich lange nicht um die Anlage gekümmert. Als ich drei Jahre später mal nachgeschaut hatte, waren meine Bitcoins plötzlich 500 Euro wert.“

Sowohl Coelho als auch Acedo nutzen die Handelsplattform Binance. Dort werden die Kryptowährungen als Projekte angeboten. „Die App ist übersichtlich. Mit wenigen Klicks kann man kaufen oder verkaufen. Das bekommen selbst Einsteiger hin“, sagt Acedo. Die Plattform sei sicher. „Manchmal sind Projekte gefälscht. Man investiert dann in Kryptowährungen, die gar nicht existieren. Wenn sie auf Binance auftauchen, ist das aber meistens eine Art Gütesiegel und viele Leute investieren.“

Der Mallorquiner hat gerade eine Summe von rund 10.000 Euro in verschiedene Währungen investiert. „Ich versuche, jeden Monat an die 300 Euro durch Gewinne zu reinvestieren.“ Das habe die vergangenen drei Monate auch geklappt. Zuvor konnte der Mallorquiner sogar kleinere Beträge als Überschuss abschöpfen. Dabei gilt es auch, ab und zu Schockmomente zu überstehen. „Im Mai waren meine Währungen plötzlich nur noch 2.000 Euro wert. Da ist dann ruhig Blut gefragt.“ An die zehn Mal täglich checkt Acedo auf dem Handy die aktuellen Kurse. „Manche Währungen handelt man täglich, andere lässt man Monate oder Jahre liegen. Es kommt auf das Projekt an.“ Manchmal ist Schnelligkeit gefragt, „manche Kurse ändern sich binnen von zehn Minuten.“

Ein Freund von ihm habe mittlerweile seinen Job gekündigt und lebe nun auf Bali vom Bitcoin-Handel. „Das ist mein Traum. Morgen in den Ruhestand gehen zu können und irgendwo in die Ferne ziehen“, sagt der 32-Jährige. „Aber wenn es nur zu einem kleinen Bonus reicht, ist das auch in Ordnung.“

Ähnlich sieht es Coelho, der aber jetzt vorsichtiger agiert. „Habe ich mal 20 Euro übrig, investiere ich sie in ein Projekt.“ Mittlerweile hat er vom Supermarktverkäufer zum Finanzberater beim deutschen Anbieter OVB umgeschult. „Ich analysiere den Markt und setze auf langfristige Strategien.“ Er hoffe darauf, dass sich die kleinen Beträge eines Tages vervielfachen. „Allein davon leben können werde ich wohl nie. Auch wenn es schön wäre, mehr Freizeit und keinen Chef mehr zu haben.