Von Silke Droll „Zum Schluss tauschten wir Adressen aus, und er sagte encantado", erinnert sie sich. Weil die junge Deutsche damals noch nicht so viel Spanisch-Praxis hatte, deutete sie in die viel gebrauchte Kennenlern-Floskel, die eigentlich verzaubert heißt, mehr hinein, als sie gemeinhin bedeutet. Ricardo Leiva Rey, der junge Staatsanwalt aus Madrid, hatte Eindruck gemacht. Zweieinhalb Jahre später führte er Siegrid Döring, die inzwischen an der Uni in Germersheim ihr Diplom als Spanisch-Dolmetscherin erworben hatte, in der damals einzigen katholischen Kirche in Lübeck vor den Traualtar. Mit dem Jahr 1962 begann Siegrid Dörings Leben auf Mallorca. Die Entscheidung hat sie nie bereut. „Ich habe Deutschland nie vermisst", sagt sie. Seit Jahrzehnten hat sie beide Pässe in der Tasche, auf eine nationale Identität will sie sich nicht festlegen. „Ich fühle mich als Europäerin und Mallorca ist mein Zuhause", sagt die Rentnerin.

Als Neu-Residentin vor 46 Jahren gab es allerdings doch noch einige kleine Eingewöhnungsprobleme. Die Modernisierung der spanischen Gesellschaft stand damals noch bevor, und so staunte Siegrid Döring an einem heißen Sommertag im Jahre 1962 nicht schlecht über ihren eigenen Mann. „Ich hatte viele schwere Tüten zu schleppen, und wir wohnten ziemlich weit oben. Als ich meinen Mann bat, mir zu helfen, war er leicht entsetzt und sagte: Was sollen denn da die Nachbarn denken", erinnert sich Siegrid Döring. „Er war ein señorito aus Madrid. Die Familie hatte Personal, und er war das nicht gewöhnt."

Dass sie Protestantin ist, behielt Siegrid Döring im damals streng katholischen Spanien für sich. „Das durften nicht mal meine Schwiegereltern wissen", sagt sie. Wenn sie im Bikini am Strand war, hielt sie stets ein Tuch zum Bedecken bereit. „Wir waren damals oft am Strand von Magaluf. Damals gab es noch kaum Tourismus, und wenn wir dort Picknick machten, waren wir oft alleine dort", erinnert sie sich. Als Frau diskriminiert fühlte sich Siegrid Döring zu Francos Zeiten aber nicht. Die Übersetzerin verdiente von Anfang an ihr eigenes Geld. Sie übertrug viele juristische Texte bei deutschen Immobilienkäufen auf Mallorca in die jeweils andere Sprache. Später betreute sie im Auftrag des Tourismusministeriums Journalisten, die über Mallorca berichteten, und stellte auf Tourismus-Messen die Ferien-Insel vor. Immer wieder reiste sie dazu auch nach Nordamerika und arbeitete dabei mit dem jüngst in den Ruhestand getretenen amerikanischen Vizekonsul Tumi Bestard zusammen. „Mit ihm kann man viel Spaß haben", sagt sie.

Humor ist Siegrid Döring sehr wichtig. „Lachen ist doch gesund", sagt sie. Auch ihr Ehemann hatte sie damals mit seinem geistreichen Witz für sich gewonnen. Die vielen Briefe, die er vor fast einem halben Jahrhundert nach Deutschland schickte, begeisterten Siegried Döring wegen ihrer Kreativität. „Meinem Mann sitzt der Schalk im Nacken", sagt sie. Noch heute amüsiert sie sich köstlich, wenn der pensionierte Staatsanwalt zu ihrer Unterhaltung Verkleidungssketche aufführt. Mit einem Kichern zeigt sie Fotos, die ihren Mann, einen Regenschirm über sich haltend, mit allerlei Tüchern eingewickelt im Bett sitzend, zeigen. Auch den Karneval lieben sie beide.

Einmarsch der Sowjetarmee erlebt

Vielleicht bedeutet Siegrid Döring diese unbeschwerte Leichtigkeit von Albernheiten unter Eheleuten auch so viel, weil ihr die Kostbarkeit solcher Momente bewusst ist. In den Kriegswirren hatte sie als kleines Mädchen in Hinterpommern den Einmarsch der sowjetischen Armee erlebt. Zunächst suchte die Familie Zuflucht im Hotel der Großmutter in Rowe an der Ostsee. Dort erholte sich vor dem Krieg gern die Bohème; Künstler wie der Maler Max Pechstein kamen zur Sommerfrische. 1945 aber kehrte grausamer Schrecken in den Ort ein. Im Eroberungsrausch packten sich russische Soldaten deutsche Frauen und vergewaltigten sie. „Ich habe heute noch die Schreie im Ohr, das vergesse ich nie", sagt Siegried Döring. Später flüchtete sie in die damalige Ostzone und gelangte von dort aus nach Lübeck zu Verwandten. Schon in der Zeit am Lyzeum in der Hansestadt entdeckte sie ihre Begeisterung für die spanische Sprache und belegte neben der Schule einen Kurs an der Volkshochschule. Sprachen und Reisen blieben ihre großen Leidenschaften. In den 50er Jahren lernte sie als Lufthansa-Stewardess viele Länder in Südamerika und der ganzen Welt kennen. Für den aufregenden Job hatte sie damals für drei Jahre ihr Studium unterbrochen. Mit ihrem Mann unternahm sie später viele Kreuzfahrten.

In ihrer Wohnung an der Playa de Palma mit Blick auf das Meer zeugen viele exotische Souvenirs von Aufenthalten in der ganzen Welt. Holzfiguren aus dem Erzgebirge sind dabei die einzige Referenz an Dörings alte Heimat Deutschland. Im Januar will das Ehepaar wieder aufbrechen - zu einer Kreuzfahrt in die Arabischen Emirate.

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