Am 24. Dezember, also Heilig-abend, wird ein kleines Kammermusikorchester aus Campos die beiden ökumenischen Gottesdienste um 15.30 und um 17 Uhr in Palmas ehrwürdiger Kathedrale La Seu musikalisch umrahmen, also zweimal vor je 2.000 Gottesdienstbesuchern spielen. Das ist für das erst seit wenigen Jahren bestehende Orquestra de Cambra de Campos Bestätigung und schöne Herausforderung zugleich. Die Mitglieder der bemerkenswerten Kammermusikgruppe stammen aus drei Nationen, sprechen verschiedene Muttersprachen und sind zwischen 11 und 74 Jahre alt. Wie sie in der Musik zusammengefunden haben, sei hier kurz rekapituliert.

Ausgangspunkt ist die in der Nähe der niederländischen Grenze liegende deutsche Stadt Steinburg. Hier leitete der englische Musiker und Komponist Buster Flood lange Zeit erfolgreich das renommierte Jugendorchester und die städtische Musikschule. Als er ins Pensionsalter kam, beschloss er, zusammen mit seiner deutschen Lebenspartnerin Gisela Raum und ihrer an den Rollstuhl gebundenen Freundin Monika Fritzel in den Süden auszuwandern. Die drei Licht- und Sonnenhungrigen fanden auf Mallorca eine Finca in El Palmer südlich von Campos, die ihren Wünschen und Hoffnungen entsprach, kauften sie gemeinsam und verließen Deutschland am 1. Oktober des Jahres 2000 für immer. „In einer ersten Phase“, resümiert das Trio, „gab es im ehemaligen Bauernhaus natürlich viel zu planen und zu werken.“ Die Finca wurde rollstuhlgängig ausgebaut, eine Solarstrom-Anlage eingerichtet und ein großer Gemüsegarten angelegt. Auch lernte man das Schneiden und Pflegen der Fruchtbäume.

Neben diesem „Zurück zur Hände Arbeit“-Drang blieb natürlich auch der Wunsch nach kulturellem Austausch, nach Nahrung für Geist und Seele bestehen. Dass Buster Flood und seine als Geigenlehrerin ausgebildete Lebenspartnerin Gisela in ihrer neuen Heimat schon bald die Fühler Richtung Musik ausstrecken würden, ist begreiflich. „Anfangs“, erinnert sich Flood, „spielte ich im Seniorenorchester in Palma mit, doch war das Hin- und Herfahren umständlich und unbefriedigend. Zudem wollten wir hier in Campos Wurzeln schlagen, zusammen etwas selber aufbauen und bewirken.“ Gisela bestand, obwohl in Deutschland ausgebildet und diplomiert, am Konservatorium in Palma den Abschluss als Geigenlehrerin auch in Spanisch und begann, einigen interessierten Jungen und Mädchen Violinenunterricht zu geben. Dazu wurde zu Hause fleißig musiziert. Die Geige spielende Rosemarie Büscher, Gattin eines in Campos lebenden pensionierten deutschen Arztes, begann mitzuwirken, ebenso eine junge einheimische Studentin. Dann ein überraschender neuer Kontakt: Ein betagter mallorquinischer Nachbar, der oft von weitem zugehört hatte, erschien eines Tages mit seiner Blockflöte, gliederte sich ein und entpuppte sich als ein erstaunliches musikalisches Naturtalent.

Nach solchen ersten ermunternden Versuchen gaben Buster Flood und Gisela Raum im Herbst des Jahres 2003 in der Mallorca-Zeitung folgendes Kleininserat auf: „Wir (Violine, Cello) suchen Mitspieler zur Gründung eines Trio/Quartetts oder kleinen Kammer-Ensembles im Südosten der Insel.“ Damit hatten sie auf Anhieb Erfolg. Es meldete sich die Querflöte spielende Deutsche Ruth Alberecht aus Palmanova. Und auch andere der klassischen Musik zugetane Inselbewohner zeigten Interesse. Der Wunschtraum eines kleinen Kammermusikorchesters begann konkrete Formen anzunehmen.

Gisela, in der Zwischenzeit von den Gemeinde-Musikschulen in Campos und Porreres mit Lehraufträgen betraut, konnte einige ihrer Geigenschülerinnen und -schüler für den Eintritt in die Gruppe begeistern. Schon Monate später kam es zusammen mit dem gemischten Chor des Ortes zu einem ersten Auftritt vor Publikum. Weitere folgten, neue Mitglieder kamen dazu. Heute gehören zum Klangkörper elf Geigen und zwei Querflöten, Spiritus rector Buster Flood spielt Cello, Blockflöte, Trompete und Posaune, am Klavier sitzt die 17 Jahre junge einheimische Studentin Catariana Mas, die als musikalisches Ausnahmetalent schon einige Preise gewonnen hat.

Jede Woche am Donnerstag-abend treffen sich die Mitglieder des jetzt als Verein eingetragenen Orchesters im stilvoll renovierten Casal de Ca’n Pere Ignasí in Campos zu den Proben. Buster Flood leitet sie in spanischer Sprache, wählt die Werke aus, die man gemeinsam angehen will, und schreibt, wenn nicht vorhanden, die notwendigen Partituren. „Wir spielen“, ergänzt Gisela, „ansprechende Klassik, die bei den Mitgliedern und beim Publikum gut ankommt.“ Dazu gehören beispielsweise das Largo von Händel, das Intermezzo aus Cavalleria Rusticana von Mascagni, Auszüge aus den vier Jahreszeiten von Vivaldi, manchmal auch Werke aus Filmen und Eigenkompositionen von Buster Flood.

An Ostern, Weihnachten und anderen hohen Feiertagen pflegt das Orchester, das heute aus dem Gemeindeleben nicht mehr wegzudenken ist, im Ort aufzutreten. Das wichtigste Ereignis im Vereinsjahr 2008 ist allerdings der Anlass am Heiligen Abend in Palma. Zwei im Orchester mitwirkende Schülerinnen mit strahlenden Augen: „Das Spielen in der Kathedrale in Palma ist für uns alle ein schönes Weihnachtsgeschenk.

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