Zurzeit schreibt Erfolgsregisseur Dieter Wedel in seinem Haus auf Mallorca am letzten Kapitel seiner Biografie. In dem Buch, das zum Jahresbeginn im Gustav-Lübbe-Verlag erscheinen soll, geht es auch um seinen Zweiteiler „Gier“, dessen Endbearbeitung er gerade abgeschlossen hat. Die beiden Filmen, die am 20. und 21. Januar 2010 in der ARD gesendet werden, erzählen von Anlage­betrügern und ihren üblen Tricks, von Hochstaplern, von Gier, Macht und Geld. In Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrise ist Wedel einmal mehr brandaktuell.

Herr Wedel, sind viele Anleger ein Opfer ihrer Gier geworden?

Gierig sind wir doch mehr oder weniger alle. Jeder von uns will etwas mehr, als er bisher hatte. Das ist zunächst einmal eine ganz natürliche menschliche Eigenschaft. Es gibt ja auch so etwas wie Neugier, und das ist keine negative Eigenschaft. Problematisch wird es, wenn die Gier in Habgier umschlägt. Dafür gab es gerade in den vergangenen Jahren auf Mallorca viele Beispiele, als der Bauwahn immer mehr um sich griff. Profit darf, glaube ich, nicht der einzige Maßstab für Erfolg im Leben sein. In vielen Fällen, habe ich herausgefunden, verhalten sich Anlageberater und Vermögensverwalter nicht anders als religiöse Heilsversprecher. Beide arbeiten nach dem Prinzip: Gib mir jetzt, dann wirst du später einmal reich belohnt. Die Gläubigkeit der Anleger ist in vielen Fällen ähnlich problematisch wie ihre Gier. Ein paar von diesen verbrecherischen Beratern, die sich inzwischen auch auf Mallorca verstecken, werden der Ausstrahlung des Films mit besonderer Unruhe entgegensehen, und diese Beunruhigung ist berechtigt.

Wenn heute etwas passiert, machen Sie morgen einen Film daraus.

Schön wär’s, aber leider stimmt das nicht. Ein Drehbuch zu schreiben, einen Film zu finanzieren und zu drehen, nimmt Jahre in Anspruch. Wenn Sie also aktuell sein wollen im Film, müssen Sie Jahre voraus zu ahnen versuchen, was passieren wird.

Sie wollten einmal einen Film über die letzten Tage Hitlers machen.

Das habe ich auch gelesen. Ganz sicherlich habe ich auch mal vor Journalisten über das Thema nachgedacht. Aber dann plante Eichinger seine Produktion ‚Der Untergang‘. Ich war immer der Meinung, dass man Hitler nicht darstellen kann, indem man ihn nachahmt. In meinen Augen hat das mit Schauspielerei wenig zu tun und erklärt das Phänomen Hitler nicht im Geringsten. Ich bin auch gefragt worden, ob Stoibers Rücktritt Stoff für einen Film liefere und wen ich als Hauptdarsteller besetzen würde. Wenn ich dann geantwortet habe: Ja, aber das Thema habe ich bereits in der ‚Affäre Semmeling‘ abgehandelt, wurde manchmal nur das Ja zitiert und der Rest des Satzes weggelassen.

Hat Ihre Biografie auch fiktive Elemente?

Ich hoffe nicht. Wir alle wissen, dass es zu einer Geschichte immer verschiedene Wahrheiten gibt. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit ist immer subjektiv. So wie beim Drehbuchschreiben Menschen, denen ich in meinem Leben begegnet bin, manchmal als Vorlage für die Figuren dienten, so sind die Menschen, die ich in meiner Biografie beschreibe, womöglich unmerklich zu Geschöpfen meiner Vorstellungskraft geworden.Es war für mich irritierend, meine Ansichten nicht von fiktiven Figuren in meinen Drehbüchern formulieren zu lassen, sondern sie selbst auszusprechen. Eine ungewohnte Übung.

Worum geht es in dem Buch?

Ich erzähle über mein Leben, über meine Arbeit, über die Veränderung, die das Medium Fernsehen in den vergangenen Jahren erfahren hat, über die wunderbaren Schauspieler, mit denen ich zu tun hatte, über schöne Frauen, denen ich begegnen dufte, und über Menschen, die mich so berührt haben, dass ich mich noch Jahre später an sie erinnere.

Der Titel des Buches sollte ‚Volles Risiko‘ lauten.

Den Titel fand ich schrecklich. Ich bin ja kein Rennfahrer. Jetzt heißt das Buch: ,Vom schönen Schein und wirklichen Leben‘. Die eigentliche Aufgabe in unserem Beruf ist es, sich immer wieder selbst neu zu erfinden. Wem das nicht gelingt, der ist ganz schnell weg vom Fenster.

Steckt das deutsche Fernsehen in der Krise?

Das steckt es, solange ich mich zurückerinnern kann. Zwischendurch steckte auch mal der Spielfilm in der Krise, das Theater, im Moment ja wohl auch die Zeitungen. Krisen sind dazu da, dass man sie überwindet. Ich mag keine Casting-Shows mehr sehen und keine Kochshows, aber die sind halt billig herzustellen. Kochen ist zweifellos ein Teil unserer Kultur, trotzdem darf sich die Beschäftigung der Öffentlich-Rechtlichen mit Kultur nicht nur aufs Kochen beschränken. Für Privatsender ist das Programm die Überbrückung zwischen zwei Werbeinseln, die brauchen Einschaltquoten. Die Öffentlich-Rechtlichen auch, sonst wird ihnen von Politikern und Journalisten wieder vorgehalten, sie würden am Volk vorbeiproduzieren. Aber die Sender müssen ihr Publikum auch mal fordern. Wenn einer zu faul zum Kauen ist, dann darf man ihm eben nicht immer nur Breichen servieren, sondern muss ihn hin und wieder zum Kauen zwingen, sonst fallen ihm irgendwann die Zähne aus.

Haben Sie Reich-Ranicki für seine TV-Schelte applaudiert?

Mich hat sein Auftritt beeindruckt und zugleich verärgert. Beindruckt, weil er in eine langweilige Veranstaltung endlich mal so etwas wie Leben brachte, verärgert, weil er bei seiner Beschimpfung des Fernsehens völlig vergessen hat, dass er seine eigene Popularität doch überwiegend diesem Fernsehen verdankt.

Sehen Sie sich Ihre eigenen Filme ab und zu noch einmal an?

Wenn ich zufällig im Fernsehen darauf stoße, ja. Die vielen DVDs habe ich mir noch nie aufgelegt, denn warum soll ich mich beunruhigen? Gefällt mir ein Film nicht, ärgere ich mich, dass ich damals so einfallslos gearbeitet habe. Gefällt er mir, mache ich mir gleich Sorgen, ob der neue Film, an dem ich gerade sitze, genauso gut wird. Also, was soll ich mich quälen?

Früher haben Sie einmal gesagt, Sie fürchten sich vor dem Alter. Haben Sie die Angst verloren?

Wie soll ich? Ich bin ja inzwischen schon wieder älter geworden. Sie auch, und wenn Sie das gar nicht beunruhigt, dann vermute ich, schwindeln Sie. Max Frisch hat einmal gesagt: ‚Die Aufgabe, die das Leben uns stellt, ist, sich selbst anzunehmen.‘ Aber leider hat man sich, wenn einem das gerade gelungen ist, schon wieder verändert, weil man eben altert. Das ist eine Zumutung und zugleich eine grandiose Erfahrung.

Trifft es zu, dass Sie Mallorca verlassen wollen?

Zunächst einmal noch nicht. Aber mein Sohn Benny will nicht mehr auf die mallorquinische Schule gehen, er spricht zwar gut Spanisch, aber er hat riesige Probleme mit dem Katalanischen. Wir haben ihn jetzt auf einer Berliner Schule angemeldet, er ist dort regelrecht aufgeblüht, und wir suchen jetzt in Berlin eine Wohnung. Da ich so viel mit der Endfertigung von ‚Gier‘ beschäftigt war, komme ich erst jetzt dazu, mir alle Wohnmöglichkeiten anzuschauen, die Dominique ausgesucht hat.