Weil der nasskalte schottische Winter ihrer angeschlagenen Gesundheit so gar nicht zuträglich war, kam Susan Mackay im November 1998 auf Anraten eines Bekannten erstmals nach Mallorca, um einige Monate in dessen Apartment in Cala Sant Vicenç zu verbringen. „Durch die Sonne bildete sich in meinem Körper so viel Vitamin D, dass es mir schlagartig viel besser ging", erzählt die Schottin - die sich knapp zwei Jahre später eine Wohnung in der Altstadt von Pollença kaufte und dauerhaft auf die Insel zog.

So wie es viele ihrer Landsleute taten oder immer noch tun. Die Briten bildeten bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts die größte Ausländergruppe im Nordosten Mallorcas. Weil Pollença schon vor dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig von der britischen Flotte angesteuert wurde, zog es in der Folge auch viele Geschäftsleute dorthin. Ab den 50er-Jahren legten Kreuzfahrtschiffe mit britischen Touristen in der Bucht von Pollença an - die der britische Weltumsegler Francis Chichester (1901-1972) als eine der schönsten überhaupt bezeichnete. Prominente Urlauber steigerten den Bekanntheitsgrad des nordöstlichsten Zipfels der Insel zusätzlich: Einst residierte Schauspieler Peter Ustinov im Hotel Formentor, während Krimilegende Agatha Christie im Hotel Illa d´Or im Hafen von Pollença abstieg, wo sie sich auch zu ihrer Kurzgeschichte „Problem at Pollensa Bay" inspirieren ließ. Heute haben Radprofi Bradley Wiggins oder englische Fußballer ihre Inseldomizile in der Umgebung.

2015 waren in der Gemeinde Pollença 774 Briten gemeldet, das ist bei gut 16.000 Einwohnern nicht viel - aber eben nur die Statistik. „In Wirklichkeit sind es sicher ein paar Tausend, die zumindest einen Teil des Jahres hier leben", sagt Howard Mullen, ein pensionierter Lehrer aus der Nähe von Cambridge, der vor 25 Jahren sein erstes Apartment im Hafen von Pollença kaufte und vor elf Jahren seinen Alterswohnsitz dorthin verlegte. „Aber ich kenne Leute, die auch nach zehn Jahren noch keine Residenten sind."

Dem britischen Leben in Pollença tut das keinen Abbruch. In der Außenstelle der anglikanischen Kirche in Port de Pollença lädt Pfarrer Nigel Stimpson zum Gottesdienst ein. Der englischsprachige Lion´s Club North Mallorca, dem Susan Mackay vorsitzt, organisiert Charity-Events. Und die Mitglieder des Nordost-Ablegers der English-Speaking Residents´ Association Mallorca, kurz ESRA, treffen sich immer donnerstags zum Kartenspielen, Malen oder Spanischlernen. Und in letzter Zeit geht es gern auch mal um Politik - genauer gesagt den drohenden Brexit. „Als Rentner mache ich mir da durchaus Sorgen", sagt Howard Mullen - der sich als Ehrenamtlicher bisher vor allem um die Sorgen und Nöte anderer expats kümmerte.

Auch Bernadette Choules, eine Dame Mitte 80, verbringt ihren Ruhestand in Pollença. In ihrer über 30-jährigen Insel-Zeit musste sie bereits zwei Ehemänner zu Grabe tragen. „Mein Umfeld ist eher britisch, aber die Lebensweise sehr spanisch", sagt sie bei einem café con leche. „Ich liebe die mallorquinische Küche, ich brauche kein english breakfast." Obwohl aus den Bars und Restaurants rund um Pollenças Plaça Major gefühlt mehr englische als spanische Sprachfetzen tönen, spiegelt sich in den Speisekarten vorwiegend die regionale Küche wider - sogar im „Numéro 8", das ein aus Malta stammender Brite namens Paco mit seiner schottischen Frau führt.

Genau diese Ursprünglichkeit mag Joanna Greenfield an Pollença. Sie gibt das jeden zweiten Donnerstag erscheinende englischsprachige Blatt „Talk of the North" heraus, dessen 1.000 Exemplare meist schnell vergriffen sind. „Ich könnte nie in Calvià leben, das ist ja wie Großbritannien, nur mit Sonne", sagt die dreifache Mutter, die 2013 mit ihrem Mann den Schwiegereltern nach Port de Pollença hinterherzogen ist. „Außerdem ist es im Südwesten viel zu busy." Auch Hayley Playford, die vor eineinhalb Jahren London wegen des schlechten Wetters und der hohen Lebenshaltungskosten den Rücken kehrte und in Port de Pollença einen Frisörsalon eröffnete, mag die Ruhe und Beschaulichkeit im Nordosten. Für Kinder sei das ein besserer Ort zum Aufwachsen - auch wenn in der Schule Katalanisch unterrichtet wird.

„Die Briten fühlen sich hier wohl", sagt ­Immobilienunternehmer Bob McCallum der seit über 30 Jahren in Port de Pollença tätig ist. Es sei nicht so zugebaut wie Alcúdia oder Can Picafort und es gebe keine Exzesse wie in Magaluf. „Pollença ist ruhig, sicher, nicht zu teuer, ideal für die anständige Mittelschicht." Einziger Störfaktor aus seiner Sicht: Die meisten expats blieben lieber unter sich.