Tina Ritter hat selbst erlebt, wie wichtig der Deutsche Sozial- Kultur Verein Calvià sein kann. Als sie Anfang 2013 nach Mallorca kam, noch niemanden auf der Insel kannte und sich eine vollmundige Jobzusage als Reinfall herausgestellt hatte, standen ihr die Mitglieder des Vereins bei. „Das war für mich die erste Anlaufstelle." Dankbar erinnert sie sich an die Hilfe, aber auch an die freundschaftlichen Gesten - beispielsweise als kurzerhand gesammelt wurde, damit sie an der traditionellen Mandelblüten-Fahrt teilnehmen konnte.

Jetzt ist die 50-Jährige zur neuen Vorsitzenden des Vereins gewählt worden, der beinahe auf der Strecke geblieben wäre. Die Tanzlehrerin aus dem fränkischen Herzogenaurach steht bereit, das Erbe von José Antonio Rodríguez anzutreten - des umtriebigen und für seinen sozialen Einsatz inselweit bekannten Helfers, der im Dezember 2012 verstarb. „Es sind große Fußstapfen", sagt Ritter, die Rodríguez nur von vielen Erzählungen über den selbstlosen Spanier kennt. Ihr Ziel: das Erbe bewahren und gleichzeitig den Verein neu aufstellen.

Zuletzt war es nämlich still geworden um den 1996 gegründeten DSKV. Zwar wurde im Jahr 2013 ein neuer Vorstand gewählt. Doch nach einem Todesfall und dem Wegzug der Präsidentin nach Deutschland stand der Verein erneut vor großen Problemen, die auch ein neuer Vorstand nicht lösen konnte - er trat im Herbst vergangenen Jahres zurück, nachdem sich Mitglieder zurückgezogen und sich der Veranstaltungskalender zusehends geleert hatte. Auch die deutsche Witwe von Rodríguez und Ehrenvorsitzende des DSKV, Hannelore Döhring, lebt mittlerweile wieder in Deutschland. Nur die dienstäglichen Treffen im Vereinsheim in Santa Ponça zeugten zuletzt noch von der Existenz des DSKV und seinen formell immerhin knapp 400 Mitgliedern.

„Das letzte halbe Jahr war der Verein ganz ohne Vorstand", sagt Ritter, die zu diesem Zeitpunkt nur noch wenig mit dem DSKV in Kontakt war, aber von der schwierigen Suche nach einem neuen Vorstand und der inzwischen drohenden Auflösung des Vereins erfuhr. So freundete sich die Deutsche allmählich mit dem Gedanken an, selbst in Santa Ponça die Zügel in die Hand zu nehmen. „Es war keine Hauruck-entscheidung. Ich wusste ja, was auf mich zukommen würde."

Die Wahl fiel einstimmig aus

Ritter suchte sich ein Team zusammen, wurde mit ihrem Konzept im Vereinsheim vorstellig und kandidierte schließlich vergangene Woche bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Gegenkandidaten gab es keine, alle 44 abgegebenen Stimmen entfielen auf Ritter, die in einer Rede gleich ihre Pläne vorstellte. „Man hat die Aufbruchstimmung richtig spüren können", so die neue Vorsitzende, „die Mitglieder denken wieder an die Zukunft."

Bei ihren Vorhaben setzt sie vor allem auf ihr Team: Da wäre die zweite Vorsitzende Christina Saller, Personal Trainerin und ein echtes Allroundtalent, wie Ritter feststellt. Der neue Schriftführer Jens Kozlik soll sich als Programmierer auch der verwaisten Website des Vereins annehmen, wo derzeit noch der Weihnachtsgruß von 2015 steht. Die 21-jährige Anna Magdalena Göllner verwaltet nicht nur die Vereinskasse, sondern wird sich auch um Kinder- und Jugendarbeit kümmern. Und dann wäre da Ritters 16-jähriger Sohn, der ebenfalls bei Vereinsabenden bereits beim Ausschank mit anpackt.

Die neue Vorsitzende selbst kann eine Biografie vorweisen, aus der sie sowohl für die Organisation gesellschaftlicher Events, als auch für die Bereitstellung sozialer Hilfen reichlich schöpfen kann. Die studierte Fremdsprachenkorrespondentin und gelernte Industriekauffrau hatte nach ihrer Ausbildung zur ADTV-Tanzlehrerin 15 Jahre lang eine Tanzschule in Herzogenaurach geführt. Für sie steht fest: Um den Verein zu beleben und neue Mitglieder zu werben, müssen attraktive Freizeitaktivitäten her - und damit habe sie Erfahrung.

Zu traditionellen Mandelblütenfahrten, Weihnachtsfeiern und der Teilnahme an kommunalen Festen sollen deswegen regelmäßige Veranstaltungen hinzukommen: Spanisch-Unterricht für Deutsche, Deutsch- und Englisch-Unterricht für in Spanien geborene Kinder, Theater- und Konzertbesuche, Tanzunterricht und Rückenschule, Mal- und Spielabende im Vereinsheim sowie weitere Veranstaltungen, möglichst zusammen mit anderen Vereinigungen auf Mallorca.

Soziale Hilfe auf Augenhöhe

Die zweite Säule des Vereins soll nach wie vor die Hilfe für Menschen in Not sein. Ritter hat selbst erlebt, wie sich der soziale Abstieg anfühlt - vor ihrem Umzug nach Mallorca war sie in eine persönliche Krise geraten. Die Deutsche berichtet von Scheidung, Hartz IV und Kummerpfunden. „Ich habe in meinem Leben schon eine Umsatzmillion gesehen, musste aber auch schon von 10 Euro am Tag leben." Heute steht Ritter mit 40 Kilo weniger wieder mitten im Leben: Sie gibt Tanzkurse von Standard bis Salsa für Paare, arbeitet als Übersetzerin, ist im Singkreis Mallorca aktiv und bildet sich zum Beziehungscoach für Frauen weiter.

In Not geratenen Menschen soll der Verein nun in Form von Hilfe zur Selbsthilfe beistehen. Statt gestrandeten Deutschen Rückflüge in die Heimat zu bezahlen, wolle man sie zum kommunalen Sozialamt begleiten, dessen Hilfeleistungen bei vielen Landsleuten bislang unbekannt seien. „Das Amt gibt Essensgutscheine aus oder zahlt auch Rückflüge." Geplant sind zudem weitere Hilfestellungen bei Behördengängen, Arztbesuchen, juristischen Fragen oder Übersetzungsproblemen. Dafür werde aber ein für Mitglieder ermäßigter Unkostenbeitrag verlangt.

Und irgendwann soll dann auch das Vereinsheim auf Vordermann gebracht werden, auch das sei sichtbar in die Jahre gekommen. Aber dieses Projekt muss erst mal warten.

Kontakt: info@dskv.net. Ein TV-Beitrag über Tina Ritter in der Reihe „Mein Mallorca" des „ARD-Buffets" kann in der Mediathek info@dskv.nethier