Er gilt als nationaler Wendepunkt, jener 24. Oktober 1975, als in Island 90 Prozent aller Frauen einen Tag lang streikten und das Land stillzustehen schien. Lange ist's her, und weit ist's weg. Und mal ehrlich: In den vergangenen Jahren kam die Frauenbewegung in ganz Europa doch irgendwie verstaubt daher. Abgeschlafft, ein wenig altbacken.

In diesem Jahr - das kündigt sich nun an - wird alles anders. Auf Mallorca, in Spanien, in der Welt. Ein Generalstreik ist angesetzt für diesen 8. März, der seit jeher als Internationaler Frauentag gilt. 24 Stunden lang sollen Frauen ihre Tätigkeiten niederlegen, genau wie damals in Island. Arbeit, Haushalt, Kinderbetreuung, Schule, Uni oder was sie sonst den ganzen Tag auf Trab hält. „Wenn wir stoppen, dann stoppt die Welt", lautet das Motto. Und auch das Konsumverhalten soll sich an diesem Tag ändern: Große Einkäufe wollen Frauen vermeiden, erst recht, wenn es um typisch weibliche Hygiene­artikel geht.

Während sich in Deutschland viele kleine Organisationen und Initiativen lose dem Streikaufruf anschließen, ist in Spanien mehr zu erwarten:

„Comisión 8M" nennt sich die Plattform, die landesweit die Streiktrommeln rührt - mit Erfolg. Das Thema sorgt bereits im Vorfeld für Rummel und spaltet die Parteienlandschaft, auch auf Mallorca. Podemos und Més sind begeisterte Verfechter der Protestaktion, Ciudadanos und PP halten dagegen. Und die Sozialisten? Die halten es wie die Gewerkschaften: Zwei Stunden am Tag streiken, das sei gutzuheißen -

und müsse dann auch reichen. Aber immerhin: Im vergangenen Jahr hatte ein ähnliches Vorhaben kaum Aufmerksamkeit erregt. Dass die Gewerkschaften diesmal mitziehen, ist ein Novum.

Doch viel essenzieller ist, dass auch die Zahl der Streikteilnehmerinnen vermutlich deutlich höher ausfallen dürfte, als bei dem laschen Versuch 2017. Wegen #metoo? Weil Ungleichheit und Geschlechterdiskriminierung derzeit nicht mehr nur noch Kampfbegriffe aus dem vergangenen Jahrhundert sind, sondern Gesichter haben? Gesichter von Hollywood-Schauspielerinnen, von Sportlerinnen, von so vielen, die bis vor Kurzem geschwiegen haben? Weil die Sexismusdebatte derzeit alle gesellschaftlichen und kulturellen Bereiche erfasst?

Beim Generalstreik am 8. März dürfte all das mit hineinspielen. Im Vordergrund steht zwar das ungleiche Gehälterniveau in Spanien. Doch dass die Frauen durchschnittlich 23 Prozent weniger verdienen, als ihre männlichen Kollegen, das war auch in der Vergangenheit schon ungerecht und hatte bislang kaum jemanden bewegt. Und die Statistiken über Fälle von häuslicher Gewalt gegen Frauen sind in Spanien ebenfalls nicht neu.

Neu ist allein, dass Frauen-Power wieder aktuell und greifbar ist, dass sie Gehör findet. Stillstehen, um zu bewegen, einen ganzen Tag lang - das kommt da gerade recht. Es ist eine Chance auf Veränderung, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Ob die Frauen sie ergreifen oder nicht? Das wird jede selbst wissen - cada una sabrá ?