Andere Mallorca-Residenten erfreuen sich am Meerblick, gehen segeln, sammeln Kunst. Das ­Ehepaar aus Zürich, das hier Alice und Theo Sibler genannt werden will, hat einen Garten. „Wir haben ihn nicht gesucht, der Garten hat uns gefunden", sagt Alice Sibler (48), bei dem ersten von zwei Treffen mit der MZ.

Als die beiden die 15.000 Quadratmeter große Finca 2005 kauften, unterschätzten sie den Pflegeaufwand eines Gartens gewaltig. „Ich dachte, ich kann mit dem Panamahut auf dem Kopf und der Hermès-Schere in der Hand durch den Garten gehen und hier und da mal etwas stutzen", sagt Alice Sibler. Doch es kam anders. Das Ehepaar begann, sich mit dem Thema mediterraner Garten intensiv zu beschäftigen.

Erste Ideen lieferte der Jardí Botànic in Sóller und Autoren wie Heidi Gildemeister, die auf Mallorca seit Jahrzehnten einen Garten besitzt, sowie der Franzose Olivier Felippi, der in seinen Büchern seine Erfahrungen in der Provence beschreibt. Mit Englischen Rosen kam man durch die Kollektion von David Austin in Kontakt. Auch Reisen verschafften Inspiration. Die Gärten der Schlösser an der Loire lieferten Ideen für Formschnitte. 2008 setzte man die ersten Pflanzen.

Der Garten wurden schnell zu einem Tage füllenden Programm. Zur Hand geht den beiden ein professioneller Gärtner, der drei mal wöchentlich halbtags arbeitet. Ab sechs Uhr in der Früh sind die Siblers im Sommer draußen, in der heißen Zeit verreisen sie nur ungern. Im Winter, während der Hautpflanzzeit, bleibt kaum Zeit zum Skifahren. Deshalb wurde auch die Ferienwohnung in den Schweizer Bergen aufgegeben und bei Freunden Unterschlupf gesucht, die ihren Urlaub auf Son Muda verbringen.

Und das Ehepaar ist Mitglied in der Mediterranean Garden Society geworden. „Ich will andere Leute an meinem Garten teilhaben lassen", sagt Alice Sibler. 120 Besucher sollen gemeinsam mit den Mitgliedern der Gartengesellschaft im Oktober zur Besichtigung kommen.

Direkt hinter dem Eingang der Finca steht eine geometrisch geschnittene Buchsbaumhecke (Buxus sempervirens). Sie symbolisiert ewiges Leben. Der tibetanische Endlosknoten ist eine Hommage an den Dalai Lama und die beiden tibetischen ­Terriers der Siblers.

Gegenüber der immergrünen Hecke klettert eine weiße Bougainvillea an der Hausfassade empor. Hier vollzieht sich zum ersten Mal der Wechsel zwischen Grün und Weiß – ein Leitmotiv des Gartens. Auf Son Muda werden ausschließlich Pflanzen mit weißen Blüten ausgewählt. Das Grün ist das ganze Jahr über präsent, Beete in Weiß tauchen punktuell dort auf, wo gerade Pflanzen blühen. „Ein monochromer (einfarbiger) Garten bietet Ruhe für das Auge", sagt Alice Sibler.

Der Rundgang führt weiter vor das Haus. Hier ist ein Rosengarten angelegt, der beim ersten Besuch im Mai ein einziges Blütenmeer war. Vor dem Haus wachsen die Rosen als Kletterer, als Strauchrosen und als Boden­decker. Insgesamt haben auf Son Muda 70 verschiedene Rosen­arten Wurzeln geschlagen: Englische Rosen, Sorten unbekannter Züchter und Alte Rosen.

Wie beispielsweise die Kletterrose „Alberic Barbier", die in nur zweieinhalb Jahren so prächtig gedieh, dass sie heute zehn Meter breit eine Mauer überwuchert. Der Strauch entwickelt zunächst gelbe Knospen, die sich nach und Weiß verfärben.

Unter den Englischen Rosen ist die „Seagull" ein auffallend attraktiver Kletterer. Der Rambler wächst am Haus und umhüllt seine goldgelben Staubgefäße mit zartweißen Schalenblüten.

Die Lieblingsrose der Gartenbesitzerin ist jedoch die eher unscheinbare büschelblütige „Anne-Marie de Montravel". Sie ist eine der wenigen Rosen, die auch noch beim zweiten Besuch Ende Juni blüht. Dafür hält der Garten zu diesem Zeitpunkt ein weiteres Blütenspektakel bereit. 700 Agapanthusstauden zeigen in einer Reihe auf schwankenden Stängeln ihre weißen Blütenstände. Wenn sich ungewollt ein blauer zeigt, wird die Pflanze ausgegraben und verschenkt.

Die Agapanthusblüten bilden den Auftakt zu dem Bereich hinter dem Haus, das von geraden Wegen gesäumt ist. Die Besucher schreiten an den weißen Stängeln vorbei, als ob sie eine Parade abnehmen würden. Der Weg ist gepflastert. An seinem Anfang und Ende zweigen im rechten Winkel weitere Pfade ab. Einer ist mit feinem Kies aufgeschüttet, verschieden große Ziegelstücke bedecken die anderen. Der Kies knirscht beim Auftreten, wohingegen der Ziegelschotter sanft tönt. „Auch das Ohr soll etwas davon haben, wenn man durch diesen Garten geht", sagt Alice Sibler.

Beim zweiten Besuch im Juni ist auch Theo Sibler anwesend. Er kümmert sich bevorzugt um die Bäume. „Wir wollen zeigen, wie groß die Pflanzenvielfalt im mediterranen Garten sein kann," sagt der 51-Jährige. Auch in punkto Wasserverbrauch soll der Garten vorbildlich sein. Ein Rasen, der mit Trinkwasser gegossen wird und einmal die Woche gemäht werden müsse, kam nicht in Frage. Deshalb suchten die Siblers trockenresistente Pflanzen aus.

Mit Wasser sorgsam umzugehen hat auch ganz praktische Gründe: „Die Pflanzen müssen es aushalten können, dass die Wasserpumpe einmal ausfällt", sagt Alice Sibler. In Son Muda gibt es keine flächendeckende Bewässerungsanlage. Die Siblers gießen frühmorgens mit Schlauch und Düse.

Der Garten hinter dem Haus wirkt wie ein Modellversuch für Bodendecker: Hier kommt Rosmarin zum Einsatz, der nicht nur monatelang ohne Wasser auskommt, sondern sich auch flächendeckend und dicht ausbreitet. Pro Quadratmeter haben die Siblers fünf Setzlinge gepflanzt. Zwanzig Zentimeter hoch ist der Rosmarin mittlerweile, gegossen wurde er in diesem Jahr noch nicht, gestutzt wird der Rasenersatz alle sechs Monate. Das verhindert, dass er verholzt.

Flächendeckend sind auch die Kugelsträucher, die sich um einen alten Ölbaum gruppieren: Dunkelgrün zeigt sich der Gamander (Teucrium fructicans), graugrün die Wilde Olive (Olea sylvestris).

Der „Meditationsweg" trennt diesen Teil des Gartens vom Poolbereich und führt zwischen zwei sich immer wieder öffnenden Hecken aus Zypressen hindurch. Sie werden auf zwei Meter gehalten. „An den schmalen Stellen atmet man ein, an den breiten aus", erklärt Alice Sibler die meditative Wirkung. Auch Ligusterbäume (Liguster ionandrum japonicum) sind hier gepflanzt, auf der Insel kennt man sie vor allem als Heckenpflanzen. In Son Muda wachsen sie mit Stamm und Krone, ihre cremefarbenen Blüten locken Bienen an.

Dahinter befindet sich der „Infinity-Pool". Nach arabischem Vorbild soll er ein Spiegel des Gartens sein. Eingefasst wird er auf der einen Seite von einer hohen Mauer, hinter der vier Palmen stehen. „Beim Schwimmen soll man nur die Spitzen der Palmen sehen", sagt Alice Sibler.

Am unteren Ende des Pools wächst ein Meer tausender weißer Blüten, die an kleine Schmetterlinge erinnern. Es handelt sich dabei um die Prachtkerze (Gaura lindheimeri). Sie zählt zu den Klassikern unter den trockentoleranten Gewächsen und benötigt auch im Sommer nur sehr wenig Wasser.

Der Rundgang endet an zwei eisernen Pavillons. Die Zwischenräume ihrer Gitter sind so groß, dass Vögel mühelos hindurch fliegen können. „Die Pavillons wirken wie ein spiritueller Raum und sollen als Fütterstation für Vögel dienen", sagt Alice Sibler. Zwischen den beiden durchlässigen Volièren befindet sich, umrahmt von Ziegelstücken, ein Wasserbecken. Es soll die fließenden Lebensgeschichten der Gartenbesitzerin und einer Freundin darstellen.

Das 3.000 Meter große Brachland hinter den Pavillons bereitet den Siblers noch schlaflose Nächte. Sie überlegen, wie sie am besten aus der Myoporum, der unscheinbarsten und dankbarsten Heckenpflanze auf der Insel, einen richtigen Wald pflanzen können. Die Sträucher sollen dicht an dicht mit Stämmen und Kronen wachsen. Außerdem ist ein Gräser­garten geplant. Derzeit sucht das Ehepaar nach den geeigneten Pflanzen dafür.

Natürlich nur mit weißblühenden Sorten.

In der Printausgabe vom 14. Juli (Nummer 584) lesen Sie außerdem:

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