Wenn im Bambuswald Wind aufkommt, klappert es wie ein Feng-Shui-Mobile mit Verstärker. Dicht an dicht stehen die Rohre, das Blätterdach am oberen Ende der Halme verhindert den Lichteinfall. Von dort ertönt laut das melodische Zwitschern der Vögel. „Hier können sie in Ruhe ihre Nester bauen", sagt Frédéric Saussaye, genannt „Willow". Vor Katzen sind sie im Bambuswald sicher, die Rohre sind für die Krallen gefräßiger Vogeljäger viel zu glatt.

Der heute 53-jährige Willow stammt aus der Nähe von Lyon. Nach dem Besuch der renommierten École d´Horticulture in Genf arbeitete er in Gärten Südamerikas und Australiens. Er habe sich immer wie ein Schimpanse von Ast zu Ast durch die Welt gehangelt, sagt er. Und die Bäume spielten dabei stets eine große Rolle.

Den Garten in Selva hat er Mitte der 90er-Jahre angelegt. Die Grenze zum Nachbarn bestimmt der Torrent de Massanella - er führt auch jetzt während der Trockenzeit Wasser. Der Sturzbach teilt sich hier, von Natursteinmauern geleitet. So entstand eine Insel, die nach heftigen Niederschlägen schon mal überflutet ist. Der Franzose pflanzte ein paar Bambussetzlinge. Als er sechs Jahre später wieder auf die Insel kam, traute er seinen Augen kaum. Aus der Handvoll Halme war ein ganzer Wald gewachsen.

Bambus zählt botanisch zu den Süßgräsern, im Gegensatz zu Bäumen bildet er Halme. Wenn diese als Sprossen aus dem Boden schießen, haben sie ihren endgültigen Durchmesser bereits erreicht. Ein einzelnes Rohr wächst zwischen sieben und neun Jahre in atemberaubender Geschwindigkeit, dann stellt es das Wachstum ein und ­bildet Sprossen für neue Halme. Die Kraft für das rasante Wachstum liefern Rhizome, die unterirdisch große Mengen von Nährstoffen speichern können.

Ist ein Bambus mal so richtig in Fahrt gekommen, kann man ihn nur schwer aufhalten. „Um die Insel herum bildet der Sturzbach eine natürliche Sperre", erklärt Willow. Er kennt bambú aus den tropischen Regionen Südamerikas. Doch die dort heimischen Guadua- oder Phyllostachys-Arten breiten sich auch im mediterranen Klima ohne Rücksicht auf einheimische Arten aus. Sogar die solidesten Sperren können nicht verhindern, dass ihre Rhizome den Weg zu einem Wasserreservoir finden und dort die Wände perforieren. Zahmer verhalten sich dagegen die - als schnell wachsender Sichtschutz geeigneten - Fagesia-Sorten, die ein bis drei Quadratmeter große Horste und keine unterirdischen Ausläufer bilden.

Der Bambuswald ist eher ein Zufall im Leben des Biogärtners. Sein Engagement gilt häufig der tropischen Artenvielfalt. Dies zeigt der weitere Rundgang auf dem „Festland", das gegenüber der Bambusinsel liegt. Frisch gepflanzt wachsen hier aus Samen gezogene Avocadosetzlinge, die noch veredelt werden, damit sie Früchte tragen. Ein riesiger Nussbaum hängt seine Äste über einen kleinen Teich, das Riesenknabenkraut (Barlia robertiana) blüht neben einer Minze trotz des für Orchideen viel zu trockenen Winters. Gut zwei Meter hoch ist die blühende und ebenfalls als invasiv geltende Erdbeer-Guave (Psidium cattleianum, in Brasilien bekannt als araçá), und auch eine hohe Silberweide hat hier ihr Paradies gefunden.

So gut wie seinen Pflanzen geht es Willow leider nicht. 2006 musste er die Auslandsaufenthalte wegen seiner Parkinson-Krankheit abbrechen. Seither lebt und gärtnert er auf Mallorca. Mit den Ideen der Permakultur fühlt sich der Franzose verbunden, doch lehnt der Vegetarier Schweine- und Rinderzucht ab, weil auf den Agrarflächen statt Futter Grundnahrungsmittel für Menschen angepflanzt werden könnten. Die Basis seiner Gärten sind immer Gemüsebeete und Obstbäume, sein Wissen über einheimische und tropische Bäume, und wie sie auf der Insel zurechtkommen, ist enorm.