Wer beobachten will, wie Poseidon­graswiesen gedeihen, braucht Geduld. Denn die für das maritime Ökosystem so wichtigen Pflanzen wachsen nur 1,5 bis 2 Zentimeter pro Jahr. Die Forscher, die jetzt in die zweite Phase eines Projekts zur Wiederansiedlung der Posidonia oceánica gestartet sind, konzentrieren sich deswegen auf Details, wenn sie die Experimentierfelder am Meeresboden in der Bucht von Santa Ponça besuchen. „Wir zählen die Triebe an jedem Pflanzenfragment und die Blätter an jedem Trieb", erklärt Biologin Inés Castejón vom Meeresforschungs­institut Imedea.

Zwischenbilanz: Die Wiederansiedlung ist Erfolg versprechend. 60 bis 80 Prozent der vergangenes Jahr eingesetzten Pflanzen haben überlebt. Von diesen haben zudem rund 20 Prozent neu ausgetrieben. „Das ist eine gute Nachricht", so Castejón, „hoffentlich bleibt das auf diesem Niveau". Vor Ibiza, wo ein zweites Testfeld in der Bucht von Talamanca angelegt wurde, waren die Ergebnisse deutlich schlechter.

Poseidongras - das sind einerseits wogende, grüne Wiesen am Meeresgrund, die Fischen als Kinderkrippe dienen, der Erosion von Stränden entgegenwirken und einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Andererseits sehen viele Urlauber oder auch Strandbudenbetreiber nur das unangenehm riechende Strandgut. Denn im Gegensatz zu Algen ist das Poseidongras eine weiterentwickelte Pflanze mit längeren Blättern, die wie ein Laubbaum Photosynthese betreibt - und Blätter abwirft. Diese werden dann an den Strand gespült, in Blattform oder als von den Wellen kugelig verfilzte Meerbälle.

Auch der spanische Netz­betreiber REE machte Bekanntschaft mit der posidonia, als er damit begann, die balearischen Inseln per Unterseekabel mit dem Festland zu verbinden - Umwelt­auflagen und aufwendige Technik verkomplizierten das Projekt, der Schaden am Ökosystem sollte schließlich so gering wie möglich gehalten werden. Letztendlich ist REE aber zum Förderer des Poseidongrases ­geworden: Der Netzbetreiber finanziert das Forschungsprojekt zur Wiederansiedlung mit 409.000 Euro im Zeitraum 2013-2016. Nicht aus Imagegründen, sondern als Teil einer nachhaltigen Unternehmenspolitik, betont Eduardo Maynau, Delegierter von REE auf den Balearen. Die Open-Source-Studie liefere Forschern und Unternehmen weltweit wichtige Erkenntnisse zur Aufforstung - damit habe man bislang nur zu Lande, aber nicht im Wasser Erfahrung.

Bevor die Pflanzen aber am Meeresboden eingesetzt werden konnten, mussten zunächst Setzlinge gewonnen werden. Das geschah auf zweierlei Weise. Zum einen handelt es sich um Pflanzen, die bei Unwettern ausgerissen wurden. „Wir haben die Fragmente mit Tauchern eingesammelt und rund zwei Monate lang kultiviert", erklärt Forscherin Castejón. In dieser Zeit wurden die Pflanzen, die jeweils drei bis sieben Triebe haben, auch charakterisiert und identifiziert.

Eine zweite Quelle waren Samen, die von am Strand angetriebenen Pflanzen gewonnen wurden. „Wir haben sie zwei Monate lang im Aquarium sprießen lassen", so die Biologin. Dies geschah im Meeresaquarium des Besucherzentrums des Nationalparks Cabrera in Colònia de Sant Jordi. Beim Einsammeln am Strand war Eile angesagt - die Samen vertrocknen innerhalb weniger Stunden.

Auf diese Weise wurden vergangenes Jahr zunächst 240 Fragmente am Meeresboden von Santa Ponça eingesetzt - in mit einem Abstand von 15 bis 25 Metern verteilten Substratkissen. In der zweiten Phase kamen jetzt noch einmal so viele hinzu. Die Menge mag gering erscheinen, „es geht uns aber nicht um die Fläche, sondern um das Prozedere der Anpflanzung, das dann bei größeren Projekten angewandt werden kann", so Castejón.

Auch wenn die bisherigen Ergebnisse positiv ausfallen, steht eines schon fest: Aufforstungsprojekte dürften aufwendig, langsam und teuer werden, schließlich geht alles am Meeresboden vonstatten. Preisgünstiger ist deswegen der Schutz der wogenden Wiesen - nicht nur vor den Ankern der Yachten, die über die Jahre hinweg laut Castejón beispielsweise in Portals Vells zahlreiche Pflanzen zerstört haben, sondern auch vor der Verschmutzung durch eingeleitete Abwässer. „Sie richten großflächig Schaden an, der nur mit großem Aufwand bekämpft werden kann."