Der Sand fliegt Pep Rotger auf dem rund 400 Meter langen Rundkurs nur so ins Gesicht. Mit 40 km/h und nur einen knappen Meter im sogenannten Sulky hinter dem Schweif seines Pferdes sitzend, geht es in schnellem Trab um die Mandelplantage. 18 Runden links herum und 18 Runden rechts herum. Circa 45 Minuten dauert das Trainingsprogramm, welches der zweieinhalb Jahre alte Traberhengst Fibló de Font hier täglich ablaufen muss.

Wir befinden uns auf der Finca von Pep Rotger (53) in Selva, wo er sich eine Trainingsbahn für seine Pferde hat anlegen lassen. Pep Rotger ist einer von über 200 privaten Hobbyzüchtern von Trabrennpferden der Insel. Auf seiner Finca stellt er Olivenöl und Mandelerzeugnisse her.

„Man darf bei ihm niemals abschalten, sondern muss ihn immer animieren, sonst schläft er ein", erklärt er uns und schnalzt mit den meterlangen Zügeln. Zwei Rennen hat der vielversprechende Hengst bisher bestritten und beide überraschenderweise gewonnen. 500 Euro Siegerprämie gab es pro Rennen. Pep Rotgers zweites Pferd, der sechsjährige Buzzing Buzzard, hat in seiner bisherigen Karriere 35 Rennen ausgetragen, neun Siege und sieben zweite Platzierungen mit insgesamt über 25.000 Euro an Siegerprämien eingelaufen. Dazu hat Buzzing Buzzard vor vier Jahren mit einem Sieg die Samenspende eines erfolgreichen französischen Deckhengstes gewonnen, mit der Fibló gezeugt wurde. Die Leidenschaft fürs Rennen, sie liegt wohl in den Genen. Auch Pep Rotger hat sie im Blut, vererbt von seinem Vater Jaime Rotger. „Seit ich ihn mit 12 Jahren das erste Mal in Son Pardó gewinnen sah, war ich infiziert", berichtet uns Pep Rotger.

Son Pardó ist die größere der beiden bedeutenden Trabrennbahnen Mallorcas, auf der über 50 Renntage jährlich stattfinden. Das größte Rennen im Mai, der „Gran Premio Nacional", an dem nur in Spanien geborene Pferde teilnehmen dürfen, lockt Tausende Zuschauer an. Es herrscht dann Familienausflugstimmung, das Restaurant auf dem Platz ist zum Bersten gefüllt und man spürt die Aufregung, wenn nach der Aufwärmphase der Pferde eine hektische Betriebsamkeit an den Wettannahmeschaltern herrscht. Nichtsdestotrotz befindet sich der Trabrennsport auf Mallorca nur auf Amateurniveau und kann sich nicht mit den großen Trabrennnationen wie vor allem Frankreich oder Schweden messen. Auch Deutschland kann hier seit dem Rückzug des ehemaligen Springolympiasiegers Alwin Schockemöhle aus dem Trabsport nicht mehr mithalten.

„Es fehlen auf Mallorca vor allem die hochkarätigen Sponsoren, die ein professionelles Training ermöglichen", sagt Pep Rotgers unmittelbarer Nachbar, der Tierarzt und Hobbyzüchter Miquel Ferrer. 4.000 bis 5.000 Euro pro Pferd kostet so ein Training pro Monat und dafür fehlen hier auch aufgrund der niedrigen Preisgelder die Mittel", sagt er. Mit dem Geld werden unter anderen professionelle Trainer und Jockeys, hochwertiges Futtermittel, Tierärzte, Unterkunft und Physiotherapeuten bezahlt. „Von circa 200 Fohlen, die hier pro Jahr zur Welt kommen, sind nur zwei bis drei dabei, die absolute Topklasse sind, und die werden dann meistens für viel Geld nach Frankreich verkauft."

Miquel Ferrer hat sich auf die In-vitro-Fertilisation bei Pferden spezialisiert, bei der der gewünschten Mutterstute Eizellen entnommen und nach Befruchtung mit dem Samen eines preisgekrönten Hengstes einer Leihmutterstute eingepflanzt werden. Dies ermöglicht die Zucht mit einer erfolgreichen Mutterstute, ohne dass diese wegen Trächtigkeit das Training unterbrechen müsste. Zu diesem Zweck hält er sich sechs Monate im Jahr in Schweden auf. Auf dem renommierten Menhammar-Gestüt züchtet er dort auf diese Weise Trabrennpferde und finanziert sich so sein Hobby auf Mallorca. Große Stallungen und eine eindrucksvolle Trainingsbahn mit weißen Balustraden umsäumt befinden sich auf seinem Gelände, auf der angrenzenden Koppel grasen mehrere Stuten.

Im Alter von neun Monaten werden Fohlen an das Geschirr gewöhnt

Als Tierarzt sieht er besonders die Gefahr, die der Trainingsbeginn im extrem frühen Alter für die Pferde mit sich bringt. Das erste Training des Fohlens beginnt bereits mit neun Monaten, damit es ans Geschirr und leichte Ausläufe an der Hand gewöhnt wird. Später kommt dann die Gewöhnung ans Ziehen eines leichten Wagens und die Arbeit auf der Trainingsbahn. Mit eineinhalb gibt es bereits erste Rennen mit Sulky als Vorbereitung auf die ersten Vergleichsrennen der Zweijährigen. Dabei ist ein Pferd je nach Rasse erst einige Jahre später ausgewachsen und voll entwickelt. Im Vergleich dazu beginnt das Training eines Spring- oder Dressurpferdes erst mit circa vier Jahren und erlaubt demzufolge eine Teilnahme an Wettbewerben bis in wesentlich höheres Alter.

Die Konsequenzen aus dem frühen Rennbeginn seien häufige Verletzungen und Verschleißerscheinungen im Alter von bereits wenigen Jahren, und die Versuchung, ein nicht rennfittes Pferd dennoch starten zu lassen, ist leider groß. Nicht umsonst gibt es eine große Anzahl an Pferden, die aufgrund der zu hohen Belastung im zu frühen Alter vorzeitig dauerhaft rennuntauglich werden und „aussortiert" werden müssen. Und nicht alle haben das Glück, nach langer Rekonvaleszenz zumindest noch als Freizeitpferde zu enden.

„Braucht mein Pferd eine Pause, dann bekommt es sie auch und ich verzichte auf jede noch so vielversprechende Rennteilnahme", versichert Pep Rotger. Buzzing Buzzard, den er bereits als Fohlen von Miquel Ferrer erwarb, habe gerade eine neunmonatige Verletzungspause hinter sich. Als Ausgleich zum ewigen Rundkurs gewährt Pep Rotger seinen Pferden außerdem regelmäßige ­Ausläufe rund um Selva und Umgebung, bei denen er zusammen mit Freundin Marga hinter den trabenden Pferden herjoggt. „Das hält uns alle gleichermaßen fit", sagt er lachend.

Der Ursprung des Trabrennsports liegt in Ungarn und lässt sich bis ins späte 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Aus der Notwendigkeit der örtlichen Bauern heraus, die besten Plätze auf den Märkten zu ergattern, wurde ein Wettbewerb. Erste Rennen fanden Anfang des 20. Jahrhunderts in Russland statt, bevor sich der Trabsport dann in Europa und den USA verbreitete. Auch auf den Balearen entstand der Trabrennsport auf diese Weise. „Wer zuerst auf dem Markt in Palma ankam, hatte gewonnen", sagt Pep Rotger. Dafür war der Trab als Zweitaktgangart mit sehr kurzer Schwebephase die sicherste und ausdauerndste Gangart auf den damals unebenen Wegen der Insel. Im Galopp wären diese nicht zu bewältigen gewesen und so wurden die Pferde in immer schnellerem Trab gehalten.

Bis zu 50 km/h werden heute bei Rennen über eine Distanz von 2.100 bis 2.700 Meter erreicht. Häufig ist auch Doping im Spiel. Tests auf illegale Substanzen sind hier nicht so umfangreich wie in Ländern wie Frankreich und Schweden, in denen sich der Trabrennsport auf einem weit professionelleren Niveau befindet. Auf Kobalt, das zur Leistungssteigerung dient, wird beispielsweise gar nicht getestet. Miquel Ferrer als auch Pep Rotger wünschen zum Wohle des Trabrennsports ein wesentlich härteres Durchgreifen mit strikten Kontrollen.

Die Doping-Kontrollen auf der Insel sind lasch

Für den Sieg sind Schnelligkeit und Ausdauer nun einmal ausschlaggebend. Ein wirklich gutes Pferd bedarf einer Mutterstute mit hervorragenden Eigenschaften und einer Samenspende eines herausragenden Vaters, die preislich im fünfstelligen Bereich angesiedelt ist. Dazu kommen die intensive Pflege, perfekte Unterbringung und ausgewogenen Ernährung des Fohlens von Geburt an. Später folgt dann das ebenso kostspielige, professionelle Training. Wer diese Zeit und Sorgfalt investiert und stets das Wohl und den Respekt vor dem Tier vor Augen hat, braucht keine Hilfsmittel, sagt Miquel. Ist dies nicht der Fall, wird leider auf Mittel wie Hormone bereits fürs Fohlen, Infiltrationen zur Schmerz­ausschaltung oder Substanzen zur Leistungssteigerung zurückgegriffen. Den langfristigen Schaden, den man dem Pferd damit antut, hat Miquel Ferrer als Veterinär selbst gesehen. „Wie in anderen Sportarten auch bringen einige schwarze Schafe viele andere wirkliche Pferdeliebhaber in Verruf", sagt Miquel Ferrer.

Pep Rotger kümmert sich noch selbst um seine Tiere. Auch die ersten Rennen sei er noch selbst gefahren, sagt er. Doch so groß die Faszination auch war, wurde ihm nach einem Unfall, in den er während eines Rennens verwickelt wurde, klar, dass er sich niemals die Rennerfahrung eines Profis würde aneignen können. So konzentriert er sich lieber auf Zucht und Training und überlässt Fibló und Buzzing Buzzard in Rennen einem professionellen Jockey.

Mit diesem arbeitet er nun auf seinen großen Traum hin: Irgendwann einmal möchte er mit Fibló in Frankreich starten und ihn sich unter internationaler Konkurrenz beweisen lassen. Der vielversprechende Gewinn seines letzten Rennens, bei dem Fibló die Konkurrenten weit hinter sich ließ, gibt da allen Anlass zum Träumen. Bleibt zu hoffen, dass er sein jetzt einmal wöchentlich beginnendes Training auf der großen Bahn in Son Pardó vor der wunderbaren Kulisse der Serra de Tramuntana verletzungsfrei absolvieren kann. Wer ihn dort sehen möchte, kann dies am 24. Januar in seinem dritten Rennen, der Qualifikation für den 'Gran Premio Nacional', dem mit 100.000 Euro Gesamtpreisgeld höchstdotierten Rennen Spaniens, tun. Dann wird sich zeigen, ob Pep Rotgers Traum weitergeht und Fibló ein Champion wird.