Frauen, die mit Rennrädern über Schlamm- und Matschpisten rasen und sich dabei von oben bis unten mit Dreck bespritzen? Nein, so stellte man sich beim Weltradsportverband UCI die Gleichberechtigung nicht vor. Während die Disziplin Querfeldeinfahren, oder auch Cross, bei Männern völlig normal war, sahen die Sportfunktionäre das bei Frauen sehr ungern. „Sie fanden es nicht ästhetisch", erzählt Hanka Kupfernagel, die wohl beste Querfeldeinfahrerin Deutschlands, die Jahr für Jahr im Herbst die Rennrad-Woche im Robinson Club mit anleitet.

Deshalb musste die 39-Jährige zu Beginn auch immer bei den Männern mitfahren. Erst seit dem Jahr 1998 kann Kupfernagel ganz offiziell Querfeldeinfahren, gegen Frauen, versteht sich. Dabei war das erste Rennrad, auf dem Kupfernagel je saß, schon ein Querfeldeinrad. „Mein Bruder war Querfeldeinfahrer und hat mich zu dem Sport gebracht", erzählt die gebürtige Thüringerin. Anfang der 90er Jahre wohnte sie in Berlin. Das Gebiet um die Hauptstadt herum eignet sich mit seinen ausgedehnten Wäldern und Sümpfen hervorragend für das Querfeldeinfahren.

Der Begriff ist durchaus wörtlich zu nehmen. Wege brauchen die Athleten nicht, es geht über Hügel, durch Pfützen, durch Sand oder Lehm. Und das alles mit einem - beinahe - gewöhnlichen Rennrad. „Lediglich das Profil der Reifen und der Rahmen sind ein wenig breiter, und wir haben andere Bremsen," sagt Kupfernagel.

Die sind auch bitter nötig. Oft müsse man absteigen und schieben, wenn der Matsch oder der Sand zu tief seien. Kupfernagel beherrschte diese Mischung aus Radeln und Laufen vor allem zu Beginn des neuen Jahrhunderts weltweit mit am besten. Seit der Einführung der Cross-Weltmeisterschaften für Frauen - das war im Jahr 2000 - stand sie fast immer auf dem Podium. In den Jahren 2000, 2001, 2005 und 2008 gewann sie die Goldmedaille.

Nicht, dass Kupfernagel nicht auch auf der Straße vorne mitfahren könnte, schließlich war sie von 1997 bis 1999 Weltrang­listenerste in dieser Disziplin. Doch es ist ihr schlicht zu langweilig, auf Asphalt Kilometer abzuspulen. Immerzu die gleichen Rundfahrten, das wäre nichts für die Thüringerin. „Beim Cross hast du jedes Mal einen anderen Kurs, musst jedes Mal mit einer anderen Taktik ins Rennen gehen."

Obwohl die Tour de France an der Alpe d´Huez bei Schneefall auch kein Vergnügen ist, sind Crossfahrer dem Wetter noch stärker ausgeliefert als Straßen­fahrer. Wenn wieder einmal im Winter die Piste durch den Stadtpark aufgeweicht ist und es in Strömen schüttet, dann zeigt sich der wahre Cham­pion im Querfeldeinfahren. „Das schlimmste Wetter ist, wenn es bei zwei, drei Grad regnet und es womöglich vorher geschneit hatte. Dann verfluchst du, was du da gerade machst." Und das kommt oft vor, denn die Rennen finden hauptsächlich im Winter und vor allem in Deutschland sowie in Holland und Belgien statt. „In den Benelux-Ländern gibt es eine regelrechte Fan­kultur für unseren Sport", schwärmt Kupfernagel. Nicht selten kämen Tausende Fans zu den Rennen und zahlten dafür sogar an die 20 Euro Eintritt. „Davon können wir in Deutschland nur träumen. Eintritt zu verlangen wäre dort undenkbar. Die Ausrichter sind froh, wenn sie am Ende des Tages ein paar Vereinsheftchen verkauft haben."

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 7. November (Nummer 705) lesen Sie außerdem:

- in Cheste zählt nur der Sieg: Lorenzo und Salom mit WM-Chancen

- Nadal beendet 2013 als Nummer 1

- Verrückte Zweite Liga