Bisher war alles nur Kinder­geburtstag, ab jetzt gilt´s: Beim Fußball-Zweitligisten Real Mallorca gehen sieben Wochen Vorbereitung mit sieben Testspielen, zahlreichen Spielerverpflichtungen, mehreren Abgängen und ein wenig Konfusion um den Stadion­ausbau zu Ende. Am Samstag (22.8.) startet die Spielzeit 2015/16 - die Saison, in der der Inselclub 100 Jahre alt wird. Club-Eigentümer und Präsident Utz Claassen hat das Ziel „Rückkehr in die Primera División" ausgegeben.

Ein guter Start beim madrilenischen Club Alcorcón (Anstoß 20.30 Uhr) ist das vorrangige Ziel nach den komplett missglückten Saison­starts der vergangenen beiden Spielzeiten. Im Jahr nach dem Abstieg gab es drei hohe Niederlagen zum Auftakt, vergangene Saison holte das Team aus den ersten sieben Spielen klägliche zwei Punkte. Seit dem Erstliga-Abstieg hat es Real Mallorca nicht einen einzigen Spieltag fertiggebracht, auf einem der ersten sechs Plätze zu stehen, die den direkten Aufstieg oder zumindest die Aufstiegs-Playoffs ermöglichen.

Angesichts dieser mageren Bilanz nehmen die Beteiligten vor dem Start den Mund schon wieder ganz schön voll. Manuel Arana zum Beispiel erklärte dieser Tage, dass er in der Zweiten Liga keine Mannschaft ausmachen könne, die einen „spürbar stärkeren" Kader als Real Mallorca aufweisen könnte. „Die Zweite Liga ist extrem ausgeglichen", diagnostizierte der Mittelfeldspieler.

Und Joan Oriol legte noch einen drauf: Der von Rapid Bukarest dazugestoßene Abwehrspieler sagte, dass er sein Team „von Beginn an oben in der Tabelle" sehe. „Wir haben eine Mannschaft, die sich unter den ersten Sechs bewegen sollte, und ich glaube sogar, dass wir Favoriten auf den Aufstieg sind. Wir sind Real Mallorca, uns muss man erst mal schlagen."

Zahlreiche Mitstreiter

Hehre Worte, die so oder so ähnlich bereits in den Vorjahren zu vernehmen waren. Doch gerade in dieser Spielzeit scheint der Aufstieg eine durchaus umkämpfte Angelegenheit zu werden. Anders als im Vorjahr, als es mit Real Betis aus Sevilla nur eine Übermannschaft gab, die folgerichtig als Meister aufstieg, und der Rest der Teams eher bescheidenere Ziele hegte, sind in diesem Jahr gleich ein halbes Dutzend Mannschaften willens, mit aller Macht in die Primera División zu stürmen.

Real Mallorca darf sich also auf zahlreiche Weggefährten einstellen, von denen der wohl ernsthafteste der Absteiger aus Almería ist. Der Verein aus Andalusien hat seinen Trainer aus der vergangenen Saison, Sergi Barjuan, sowie einen großen Teil seines Teams halten können, darunter die beiden Leistungsträger Miguel Ángel Corona und Fernando Soriano. Außerdem sind mehrere Spielern hinzugekommen, die bereits Erfahrung in der Ersten Liga haben. Vor allem der Abwehrspieler Jorge Morcillo, Mittelfeldmann Mohamed Fatau oder Torhüter Casto Espinosa können das Team führen.

Ganz oben gesehen wird auch Real Zaragoza. Der Club aus Aragón, der in der vergangenen Spielzeit in der Aufstiegs­relegation knapp an Las Palmas gescheitert war, hat mit den Neuzugängen Marc Bertrán und Freddy Hinestroza zwei etablierte Spieler mit Erstligaerfahrung zu sich gelockt.

Auch dem ehemaligen Erst­ligisten Valladolid wird eine wichtige Rolle im Kampf um den Aufstieg zugetraut. Die Kastilier haben alle wichtigen Akteure der vergangenen Saison behalten. Hinzu kamen zwölf neue Spieler, wie etwa Stürmer Rodri oder der kolumbianische Mittelfeldmann Johan Mojica. Die Vorbereitung in Valladolid lief vielversprechend.

Außenseiterchancen auf den Aufstieg werden auch dem zweiten Absteiger aus Córdoba eingeräumt. Die Andalusier haben den ehemaligen Mallorca-Trainer José Luis Oltra verpflichtet, der Kader wirkt auf den ersten Blick allerdings nicht wie der eines Favoriten. Nicht vergessen darf man auch den FC Girona. Die Katalanen waren in der vergangenen Saison zweimal haarscharf am Aufstieg vorbeigeschrammt und konnten ihren Kader weitgehend zusammenhalten.

Eine Wundertüte scheint Aufsteiger Real Oviedo zu sein. Das Team aus Asturien, das dem mexikanischen Multimilliardär Carlos Slim gehört, spaltet die Expertenwelt. Die einen halten das ambitionierte Team aus Nordspanien gleich im ersten Zweitligajahr für einen ernsthaften Aufstiegs­aspiranten, die anderen diagnostizieren eine reichlich wahllose Zusammenstellung des Kaders.

Stärken und Schwächen

Womit wir beim potenziellen Leistungsvermögen von Real Mallorca wären. Die Erkenntnisse aus der Vorbereitung beim Inselclub lauten, knapp zusammengefasst: Die Abwehr steht ganz ordentlich, auf der Torhüterposition hat man mit dem erfahrenen Cabrero und dem jungen deutschen Talent Timon Wellenreuther wohl keine Probleme zu befürchten, im Mittelfeld fehlt ein kreativer Kopf à la Marco Asensio, der auch mal einen überraschenden Pass auf die Stürmer spielen kann, und im Angriff hapert es noch ganz gewaltig. In den vergangenen vier Testspielen erzielte das Team gerade mal drei Tore, eines davon vom Elfmeterpunkt und die anderen beiden gegen den Amateurclub aus Sa Pobla. Weil Mittelstürmer Xisco Jiménez in dieser Saison nicht mehr zur Verfügung steht, hat der Inselclub mit Acuña und Coro zwei neue Angreifer geholt, die allerdings beide keine klassischen Mittelstürmer sind. Bisher tun sie sich schwer, Torchancen herauszuspielen. Daher wird noch versucht, einen weiteren Angreifer auf die Insel zu lotsen. Der Italiener Rolando Bianchi, der schon seit Tagen umworben wird, ziert sich allerdings noch. Der zurzeit vereinslose 32-Jährige spielte unter anderem bereits bei Manchester City und Lazio Rom.

Noch Spieler zu haben

Bei Real Mallorca müssen bis zum Ende der Transferfrist am 31. August auch noch mehrere Spieler ausgemustert werden. Derzeit ist der Kader deutlich zu groß, auch wenn mit Pau Cendrós und Gai Assulin bereits zwei Spieler mit gültigem Vertrag den Club verlassen haben. Cendrós einigte sich nach wochenlangem Hin und Her mit dem Verein auf eine Zahlung von 35.000 Euro und wechselte zum Liga­rivalen nach Lugo. Assulin bekam 15.000 Euro und sucht noch nach einem neuen Club. Hapoel Tel Aviv ließ dem Israeli im Juni ein Angebot zukommen, weshalb mit einem Wechsel in seine Heimat gerechnet wird.

Schwieriger stellt sich die Situa­tion bei Agus dar. Der Abwehrspieler, der selten überzeugte und keinen Stammplatz im Team erobern konnte, wurde noch zu Zeiten von Sportdirektor Llorenç Serra Ferrer verpflichtet und kassiert pro Jahr 235.000 Euro, eines der höchsten Gehälter des Teams. Agus fordert 160.000 Euro von Real Mallorca, wenn er auf das ihm bleibende Vertragsjahr verzichten soll, eine Summe, die man im Club nicht bereit ist zu zahlen. Agus will von seiner Forderung nicht abrücken, obwohl er weiß, dass er für Trainer Albert Ferrer keine Rolle spielt und bei einem Verbleib auf der Insel nicht spielen würde.

Problem Brasilianer

Nicht genau hingeschaut hat man im Club offenbar bei der Verpflichtung der drei Brasilianer Hugo Gomes, Luis Carioca und Lima, alle drei Nicht-EU-Ausländer. Die Statuten der Liga Adelante besagen, dass maximal zwei Nicht-EU-Ausländer pro Team im Kader stehen dürfen. Fieberhaft wird nun nach europäischen Vorfahren der drei gesucht, um sie einzubürgern. Es sieht jedoch derzeit danach aus, als ob einer der Brasilianer in die Zweite Mannschaft ausweichen muss. Am ehesten dürfte dieses Schicksal Stürmer Luis Carioca blühen, denn Hugo Gomes und Lima sind für Trainer Albert Ferrer inzwischen wichtige Bestandteile des Teams.

Mehr Fans mit Dauerkarte

Trotzdem scheint es, als seien die Fußballfans auf Mallorca vorsichtig optimistisch, was die neue Saison angeht. Zumindest hat ein großer Teil der Dauer­karteninhaber der vergangenen Spielzeit sein Abo verlängert. In den vergangenen Tagen sind außerdem über 2.000 neue Saison­abonnenten dazugekommen. Mit 8.177 Dauerkarten hat der Club am Mittwoch (19.8.) bereits 166 mehr als in der vergangenen Saison verkauft.

Und da noch etwas Zeit ist bis zum ersten Heimspiel in Son Moix am 30. August um 20.30 Uhr gegen Ponferrada, hoffen die Verantwortlichen auf rund 10.000 Dauerkarteninhaber in dieser Saison. Das lohnt sich diesmal gleich doppelt: Zum einen sind die Preise mit 100 bis 175 Euro (Ermäßigungen für Jugendliche und Rentner) für die gesamte Saison sehr niedrig, zum anderen hat sich der Bezahlsender Movistar+ von Telefónica die Übertragungsrechte für die Liga Adelante gesichert. So haben Fans, die nicht Abonnenten des Senders sind, keine Möglichkeit, die Partien des Inselclubs zu verfolgen. Im vergangenen Jahr wurden fast alle Spiele gratis auf laligatv.es ausgestrahlt.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 20. August (Nummer 798) lesen Sie außerdem:

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